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Matthias Kaufmann / Joachim Renzikowski (Hrsg.)

Zurechnung und Verantwortung

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Beiheft 134); 184 S.; brosch., 39,- €; ISBN 978-3-8329-7889-1
Max Webers 1919 in der Rede „Politik als Beruf“ formulierte Verantwortungsethik, nach der eine Person für die voraussehbaren Folgen ihres Handelns aufkommen muss, ist in Zeiten politischer und ökonomischer Krisen sowie unübersichtlicher Entscheidungssituationen aktueller denn je. Die moralische Zuweisung von Verantwortung an Politiker, Investmentbanker oder Verursacher von Umweltkatastrophen ist dabei schneller ausgesprochen als eine juristische Zurechnung ihrer (vermeintlichen) Fehler möglich scheint. In diesem Sinne ist die Diskussion über die Verantwortungsethik eine philosophisch und rechtswissenschaftlich brisante Unternehmung. Die Beiträge der Tagung der Deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie, die im September 2010 in Halle stattfand, nähern sich dem Thema aus verschiedenen Richtungen. Nachzulesen sind die sozial- und rechtsphilosophische Begriffsdebatte sowie Beiträge aus feministischen und rechtshistorischen Perspektiven – nach Anja Schmidt gehört zur Definition von Mündigkeit und Verantwortung auch die Analyse von Geschlechterrollen und Rollenzuschreibungen. Zudem wird die Verantwortungsethik aus ethnologischer, wissenschaftstheoretischer und pädagogischer Sicht thematisiert. Beispielsweise erläutert Julia Eckert, dass vielfältige Ethnien oder Religionen auch differente Schuldkulturen hervorrufen. Unser westliches Verständnis von Gruppenkonflikten, Pogromen oder Racheakten müsse dies bedenken.Die Herausgeber formulieren zwar keine Fragestellung über den Titel des Sammelbandes hinaus, in der Gesamtschau der Beiträge wird aber deutlich, dass sie auf breite Verantwortungshorizonte hinweisen wollen und Toleranz einfordern.Weitergedacht führt dies zum Beispiel zu dem von Stephan Gosepath formulierten Einwurf für ein kooperatives Verantwortungsmodell, das strukturelle Handlungsfolgen ebenso erfassen kann wie es die Akteure hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme betrachtet. Insbesondere bei internationalen Haftungsfragen könne eine soziale Gemeinschaft die Ethik der Verantwortung besser nach ihren Fähigkeiten leben.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.44 | 5.43 | 5.42 | 2.27 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Matthias Kaufmann / Joachim Renzikowski (Hrsg.): Zurechnung und Verantwortung Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21684-zurechnung-und-verantwortung_43084, veröffentlicht am 03.01.2013. Buch-Nr.: 43084 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken