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Karin Orth / Willi Oberkrome (Hrsg.)

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1920-1970. Forschungsförderung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010 (Beiträge zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 4); 549 S.; 65,- €; ISBN 978-3-515-09652-2
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), 1920 als „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“ gegründet, hat sich – wie andere wissenschaftliche Einrichtungen auch – im vergangenen Jahrzehnt an die Aufarbeitung ihrer ambivalenten Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gemacht. Im Mittelpunkt steht die Selbstmobilisierung deutscher Wissenschaften für Nationalsozialismus, Rassenpolitik, Krieg und die hiermit verbundenen Verbrechenskomplexe. Der Sammelband basiert auf der 2008 durchgeführten Abschlusstagung des Forschungsprojektes „Geschichte der DFG 1920-1970“, das 2000 von ihrem Präsidenten Ernst-Ludwig Winnacker initiiert, von Rüdiger vom Bruch sowie Ulrich Herbert geleitet und von Karin Orth koordiniert wurde. Alle 20 Einzelstudien des Projektzusammenhangs werden in ihren wesentlichen Ergebnissen präsentiert, weitere Aufsätze weiten den Blick, darin diskutieren die Autoren verschiedene übergeordnete Aspekte; Reinhard Rürup liefert einen Kommentar zum Forschungsprojekt. Wie Orth in einem einleitenden Beitrag darlegt, waren die Einzelstudien fünf Fragekomplexen zugeordnet: Institutionen- und Politikgeschichte, Medizingeschichte, Geistes- und Sozialwissenschaften, Natur- und Technikwissenschaften sowie Bio-/Lebenswissenschaften. Besonders hervorzuheben ist der „Problemaufriss“ von Patrick Wagner (der im Forschungsvorhaben mit der Gesamtdarstellung der DFG-Geschichte im Untersuchungszeitraum betraut war). Er gibt einen guten Überblick über die Entwicklung der DFG und der „scientific community“, die sie trug („Vergemeinschaftung deutscher Hochschulwissenschaftler“, 23), die Selbstmobilisierung im Nationalsozialismus und zögerliche Pluralisierung nach 1949. Mit wünschenswerter Klarheit wird auch der originär antidemokratische Entstehungszusammenhang benannt: „Die Gründung der Notgemeinschaft [...] war nicht zuletzt der Versuch der in ihrer Mehrheit antirepublikanischen Professoren, unter den als ‚Not‘ begriffenen neuen politischen Rahmenbedingungen einen sozialen Raum für sich selbst zu schaffen, in dem sie Distanz zu dieser Republik wahren [...], aber zugleich [...] einen privilegierten Status und staatliche Ressourcen beanspruchen konnten“ (27).
Gideon Botsch (GB)
Dr., Dipl. Pol., wiss. Mitarbeiter, Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam (http://www.mmz-potsdam.de).
Rubrizierung: 5.2 | 2.31 Empfohlene Zitierweise: Gideon Botsch, Rezension zu: Karin Orth / Willi Oberkrome (Hrsg.): Die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1920-1970. Stuttgart: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21643-die-deutsche-forschungsgemeinschaft-1920-1970_39758, veröffentlicht am 19.01.2011. Buch-Nr.: 39758 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken