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Marc Lindemann

Unter Beschuss. Warum Deutschland in Afghanistan scheitert

Berlin: Econ 2010; 283 S.; kart., 18,95 €; ISBN 978-3-430-30046-9
Der Autor war Nachrichtenoffizier der Bundeswehr und bis 2009 im afghanischen Kunduz stationiert. Seinen Schilderungen zum soldatischen Alltag in Afghanistan, dem Verhalten der Verbündeten, zur Einsatzstrategie der Bundeswehrführung oder zur Haltung der deutschen Politiker und der Öffentlichkeit merkt man deutlich den Zorn über vermeintlich fehlende Unterstützung an. Einführend konstatiert Lindemann, der Einsatzbefehl von Regierung und Parlament sei „unvollständig und schlecht“ (16). Es müsse, führt er weiter aus, darum gehen, „dem höchsten Opfer“ des Soldaten „einen Sinn zu geben“ (18) und dieser könne nur in einem erfolgreichen Ende des Einsatzes liegen. Der Autor legt Wert darauf, dass es sich „bei den Muslimen [nicht] um eine missverstandene Minderheit handele“ und der Krieg in Afghanistan einen „direkten Bezug zur Religion habe“ (103). Die Mühe, zwischen islamischen Fraktionen zu differenzieren, dem was zu bekämpfen und dem was zu tolerieren ist, macht er sich nicht. Lindemann kritisiert bei den älteren Offiziers‑ und Unteroffiziersjahrgängen, dass unter diesen sich manche überböten, „ostentativ Friedfertigkeit zur Schau zu stellen“ (144), und fordert einen Generationenwechsel. Zudem fürchtet er bis zum Wahljahr 2013, dass sich die SPD „wieder zur Anti‑Kriegspartei rückentwickelt“ (147) haben wird und einen Abzug fordert. In den Ausführungen zur nach wie vor aktuellen Debatte um das Bombardement zweier Tanklastzüge im September 2009 scheint die Objektivität den Autor vollends zu verlassen. Die Reaktionen in Deutschland seien „politischer Korrektheit“ (237) und einem medialen „Ritual“ (240) geschuldet. Die Ereignisse vor Ort hätten sich morgens beruhigt, „während in Deutschland all diejenigen, die sich dauerhaft berufen fühlen, zu allem einen Kommentar abzugeben, sich noch verschlafen die Augen rieben, um dann in ihre sicheren Büros zu fahren“ (239). Die zahlreichen Unklarheiten des Bombardements, die Fragen zur Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ziviler Opfer lassen sich auf diese polemische Weise nicht klären.
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Rubrizierung: 4.41 | 4.21 | 2.324 | 2.68 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Marc Lindemann: Unter Beschuss. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21619-unter-beschuss_38144, veröffentlicht am 28.04.2010. Buch-Nr.: 38144 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken