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Isaiah Berlin

Das krumme Holz der Humanität. Kapitel der Ideengeschichte. Hrsg. von Henry Hardy. Aus dem Englischen von Reinhard Kaiser

Berlin: Berlin Verlag 2009; 430 S.; geb., 26,80 €; ISBN 978-3-8270-0816-9
Pünktlich zum 100. Geburtstag des in Riga geborenen Ideengeschichtlers Isaiah Berlin ist jetzt eine Sammlung seiner bedeutendsten Essays in einer Neuausgabe erschienen. Berlin, der 1917 die revolutionären Ereignisse in Petrograd miterlebt hatte, musste das Land kurz darauf verlassen. Was ihn zeitlebens jedoch nie verließ, war die Erinnerung an die politischen Verwerfungen in Russland, die sich durch die Gewaltexzesse seiner neuen, aufgeklärten Herren bald einstellen sollten. Dieser und die noch folgenden „großen ideologischen Stürme” (25) waren es dann auch, die Berlin immer wieder zur Kritik an der an den Naturwissenschaften geschulten Ansicht, dass es nur eine Wahrheit und nur einen Weg dahin geben könne, veranlassten. Die historischen Figuren, die er dabei in den Mittelpunkt seiner Essayistik stellt, waren zwar häufig keine dem Ideen- und Wahrheitspluralismus verhafteten Persönlichkeiten, aber dadurch, dass sie ihrem eigenen Ideal und nicht der von den Dogmatikern der Aufklärung postulierten universal gültigen Wahrheit folgten, wurden sie für Berlin interessant. Joseph de Maistre ist hier ein herausragendes Beispiel, denn entgegen dem Fortschrittsoptimismus vieler seiner Zeitgenossen verwarf er „die Ideale des Friedens und der sozialen Gleichheit, die auf der Idee des gemeinsamen Interesses und der natürlichen Güte des Menschen beruhten” und behauptete, dass „die innere Ungleichheit und die Konflikthaftigkeit von Zielen und Interessen [...] die gewöhnlichen Lebensbedingungen der Menschen” seien (185). Dabei ist es nicht so, dass Berlin irgend jemandem unkritisch folgt – im Gegenteil: Er erkennt in de Maistres Ansichten sogar faschistoide Züge, aber, dass unterschiedliche Menschen nach unterschiedlichen Zugehörigkeiten verlangen – seien es ethnische Gruppen oder auch Ideenwelten –, führt ihn zu der Erkenntnis, dass sich zwei als richtig erkannte Ideale zwar ausschließen, dass sie aber dennoch nebeneinander existieren können. Berlins Thesen sind mitunter streitbar und sehr emotional formuliert – vor allen Dingen aber sind sie unbedingt lesenswert.
Michael Vollmer (MV)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, TU Chemnitz.
Rubrizierung: 5.3 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Michael Vollmer, Rezension zu: Isaiah Berlin: Das krumme Holz der Humanität. Berlin: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21600-das-krumme-holz-der-humanitaet_36863, veröffentlicht am 26.08.2009. Buch-Nr.: 36863 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken