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Tobias Jones

Italien - das dunkle Herz des Südens. Eine kritische Liebeserklärung. Aus dem Englischen von Christian Kennerknecht

Berlin: Kindler Verlag 2004; 352 S.; geb., 19,90 €; ISBN 3-463-40456-7
Einen Unterschied zu Mussolini gibt es auf jeden Fall: Während dieser von einem echten Balkon aus seine Anhänger „anfeuern, begeistern und überzeugen konnte", nennt Berlusconi als Besitzer von drei nationalen Fernsehsendern einen „elektronischen Balkon sein Eigen" (192). Ihm sei es mit seinem Unternehmen Mediaset gelungen, „ganz ohne Zwangsmaßnahmen, [...] die Bedingungen für einen Einparteienstaat zu schaffen". (194) Der britische Journalist Jones sieht allerdings in Berlusconis politischer Bewegung forzismo nicht die Wiederkehr des Faschismus. Der forzismo verfüge über keinen politischen Hintergrund, sondern definiere sich über „einen Regierungsstil, der einzig und allein auf Machtausübung beruht" (311). Berlusconi profitiere davon durch Gesetzesänderungen, die ihn vor Strafverfolgung schützten, und verdiene viel Geld als Fernsehunternehmer, der auch Ministerpräsident ist. Aber auch wenn Jones den forzismo nicht als Faschismus definiert, sondern „nur" eine Analogie erkennt, spürt er doch den politischen Wurzeln Berlusconis in der politischen Kultur eines Landes nach, das „nie von seinen faschistischen Elementen gereinigt" (64) wurde. So sei Italien seit Kriegsende unter dem Eindruck des Kalten Krieges politisch in zwei Hälften geteilt gewesen, „die einander nicht ausstehen können" (276). Und dieser „latente Bürgerkrieg" sei nie vom Parlament „aufgefangen, gespiegelt oder befriedet" (157) worden. Der politische Diskurs habe vielmehr den Terrorismus begünstigt, ihm die Argumente geliefert. Am Beispiel des Bombenattentats auf der Piazza Fontana in Mailand im Dezember 1969 beschreibt Jones, wie faschistische Kräfte über Jahrzehnte die Demokratie destabilisieren wollten mit dem Ziel, einen Staatsstreich herbeizuführen. Von diesen Kräften führt der Weg über die Freimaurerloge P2 zu Berlusconi, der das „erklärte Ziel der Loge" verkörpere: „die italienische Demokratie mittels Kontrolle der Massenmedien und einer geänderten Verfassung ‚umzutaufen'" (221). Insgesamt beschränkt sich Jones bei seiner eindrucksvollen Schilderung der politischen Kultur Italiens aber nicht auf Berlusconi. Neben und verknüpft mit ihm werden die politisierte Justiz, die Medien, die Katholische Kirche und der Fußball analysiert.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.21 | 2.22 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Tobias Jones: Italien - das dunkle Herz des Südens. Berlin: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21397-italien---das-dunkle-herz-des-suedens_24971, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 24971 Rezension drucken