Tibis Diagnose der gegenwärtigen weltpolitischen Lage enthält im Kern drei Thesen: Wir haben es gegenwärtig mit einem „cultural turn" zu tun, der ökonomische Erklärungen von Konflikten zwar nicht vollständig obsolet werden lässt, ihre Erklärungskraft und Reichweite aber deutlich einschränkt. Der Islamismus in seiner radikalen Form ist eine totalitäre Bewegung, die sich in einem Zivilisationskonflikt mit westlichen Demokratien befindet. Die Lösung dieses Konfliktes ist nicht durch militärische Intervention wie im Irak möglich, sondern allein durch eine innere Demokratisierung der islamischen Welt. Tibi schließt folgerichtig mit der Botschaft, „dass Muslime nur dann in Freiheit und Entwicklung leben und eine bessere Zukunft haben können, wenn sie Demokratisierung und kulturelle Reform des Islam anstreben und sich dabei vom Verschwörungsdenken loslösen." (202) Tibi entwickelt seine Interpretation der gegenwärtigen weltpolitischen Konflikte und des Terrorismus auf der Basis einer präzisen Islamkenntnis einerseits und sozialwissenschaftlicher Theorien andererseits. Als Referenz für seinen Totalitarismusbegriff dient ihm insbesondere Hanna Arendt. Tibis Thesen sind teilweise provokant - umso mehr wünschte man sich eine theoretisch sorgfältiger durchgearbeitete und präziser aufgebaute Argumentation und Fundierung. In seine Analyse streut Tibi immer wieder seine negativen persönlichen Erfahrungen mit der von ihm als intolerant und kurzsichtig empfundenen öffentlichen Debatte und dem Wissenschaftssystem in Deutschland ein. Beides wirft ein Licht auf die Schwierigkeit, Verständnis für ungewohnte Einsichten zu gewinnen, ist aber nicht in jedem Fall dem Fortgang der Analyse dienlich.