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Michael Hardt / Antonio Negri

Demokratie! Wofür wir kämpfen. Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2013; 127 S.; kart., 12,90 €; ISBN 978-3-593-39825-9
Hardt und Negris neueste Intervention kommt als eine analytisch scharfsinnige und weitreichend fordernde Streitschrift daher. Ihr Ausgangspunkt ist die so zahlreich beschworene Krise in ihren vielfältigen globalen und lokalen Facetten, doch allen voran sind es auch die Protestbewegungen, die sich in den vergangenen Jahren beobachten ließen. Das Anliegen der Autoren ist, den roten Faden sichtbar zu machen, der sich vom Tahrir‑Platz über die Puerto del Sol, Tel Aviv und Athen bis zum Zucotti Park nach New York ziehen lässt. Mit diesem zeige sich ein Aufbegehren gegen ein weltumspannendes kapitalistisches System der Biopolitik. Hardt und Negri identifizieren vier zentrale Positionen oder Rollen, die die neoliberale Krise als Subjekte hervorbringe und deren Endeffekt eine apathische politische Lähmung bleibe, gegen die sich ein Aufbegehren zu richten habe. Durch die Finanzialisierung der Lebenswelten entstehen Subjekte von „Verschuldeten“, deren Existenz auf Schulden und Schuld sie in unsichtbare Knechtschaft bindet. Die emanzipatorischen Verheißungen der unbeschränkten Kommunikation schlagen sich stattdessen in der Rolle der „Vernetzten“ nieder, deren konsequente Inanspruchnahme durch die Medien sich in einem Raubbau ihres Potenzials ausdrücke. Durch die permanente Angst habe sich eine umfassende gesellschaftliche Überwachung verwirklichen lassen, die die „Verwahrten“ subjektiviere. Und schließlich verflüchtige sich der Bürger_innenstatus der „Vertretenen“ in der Hingabe an die repräsentativen Schauspiele der Regierung. Von diesen Subjektivierungsformen müssen sich die unterworfenen Subjekte nach Ansicht der beiden Autoren jeweils gemeinschaftlich befreien und ihre Handlungsfähigkeit in der Verweigerung wiedererlangen, denn es bleibe ihnen schließlich die Solidarität in der Entmachtung. „Der Kampf um eine Neukonstituierung […] muss auf dem Boden des Gemeinsamen stattfinden“ (60), konstatieren Hardt und Negri demnach und können daher ihrem Subjekt der befreiten Multitude auch kein Programm vorschreiben, jedoch aus ihrer Analyse produktive Schlüsse ziehen. Es bedürfe einer neuen Verfasstheit, deren exemplarische Grundsätze und Problematiken sie an Beispielen der Protestbewegungen und konkreten Fragen nachvollziehen. Ihre Vision einer Neugestaltung der Gewaltenteilung, der Vergemeinschaftung von Gütern und der egalitär demokratischen Kontrolle des Gemeinwesens strotzt dabei von einem strategischen Optimismus, der sich manchmal nur auf die Hoffnung auf „unvorhersehbare Ereignisse[, die] die Karten neu mischen“ (114), stützen kann.
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 2.2 | 2.21 | 2.65 | 2.22 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Michael Hardt / Antonio Negri: Demokratie! Frankfurt a. M./New York: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/199-demokratie_43612, veröffentlicht am 11.04.2013. Buch-Nr.: 43612 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken