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Boris Barth

Dolchstoßlegenden und politische Desintegration. Das Trauma der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg 1914-1933

Düsseldorf: Droste Verlag 2003 (Schriften des Bundesarchivs 61); X, 625 S.; geb., 49,80 €; ISBN 3-7700-1615-7
Habilitationsschrift. - Barth untersucht die Entstehung, Entwicklung und Manifestation der Dolchstoßlegende. Der Analyse des Autors zufolge kann die Verschwörungstheorie nicht als bloßes Konstrukt Hindenburgs und Ludendorffs erklärt werden. Vielmehr entwickelte sie sich in der ab Ende des Jahres 1917 sozialpolitisch zersplitterten Gesellschaft Deutschlands auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Barth identifiziert im Wesentlichen fünf Gruppen, welche die Dolchstoßlegende zu ureigenen Zwecken instrumentalisierten. Erstens nutzten die Deutschnationalen sie, um die ideologische Leere, die durch die Abdankung des Kaisers entstanden war, zu füllen und die Rechte zu einigen. Zweitens instrumentalisierte die militärische Generalität die Verschwörungstheorie, um vom eigenen Versagen während des Krieges abzulenken und die internen Differenzen zumindest oberflächlich zu kaschieren. Drittens propagierte die protestantische Kirche diese Legende und schwächte dadurch von Anbeginn die Weimarer Republik. Der Alldeutsche Verband, ideologischer Vorläufer der NSDAP, konzipierte eine eigene, stark antisemitisch geprägte Verschwörungstheorie und als fünfte Gruppierung instrumentalisierten Paramilitärs die Dolchstoßlegende, um dadurch politische Morde an den so genannten Verrätern zu legitimieren. Barths Analyse fällt somit weit differenzierter aus als die weit verbreitete simplifizierende Einengung des Phänomens auf die bloße politische Agitation Hindenburgs und Ludendorffs.
Sven Wagener (SWA)
Dipl.-Politologe, M. E. S.
Rubrizierung: 2.311 Empfohlene Zitierweise: Sven Wagener, Rezension zu: Boris Barth: Dolchstoßlegenden und politische Desintegration. Düsseldorf: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/19529-dolchstosslegenden-und-politische-desintegration_22715, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 22715 Rezension drucken