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Hannes Hofbauer

Osterweiterung. Vom Drang nach Osten zur peripheren EU-Integration

Wien: Promedia 2003 (Brennpunkt Europa); 239 S.; brosch., 17,90 €; ISBN 3-85371-198-7
Wer der "EU-ropäischen" Bürokraten- und Politikerdiskurse über die Osterweiterung der Union, jener statistischen Buchstabierung ökonomischer Vorteile etwa oder der pathetisch überhöhten Beschwörung einer je nach Bedürfnissen anders akzentuierten europäischen Idee, überdrüssig ist, der findet in der jüngsten Veröffentlichung Hofbauers das Kontrastprogramm. Der österreichische Journalist charakterisiert die Osterweiterung als „eine ‚Heimkehr' peripherisierter Regionen unter die ökonomische Dominanz westeuropäischen - vor allem deutschen - Kapitals" (7) und sieht sich durch regelmäßige Begegnungen und Erfahrungen in den mittelosteuropäischen Staaten in seinen Auffassungen bestätigt. Ausführlich werden die verheerenden sozialen und gesellschaftlichen Folgen der Transformation sowohl für den Wirtschaftsraum des früheren RGW insgesamt wie auch für die einzelnen Staaten geschildert. Treffende Beobachtungen etwa zu den Verlierergruppen des Übergangs zur Marktwirtschaft und zur Verelendung ganzer Bevölkerungsgruppen finden sich neben einer antiquiert anmutenden Kapitalismuskritik. Hofbauers Kritik richtet sich vor allem gegen die multinationalen Konzerne, die im Beitrittsgebiet verlängerte Werkbänke einrichten und sich von den nationalen Regierungen mit Unterstützung von Brüssel Steuerfreiheit garantieren lassen - während die Kapitalströme von Ost nach West fließen. Der „Osten" gerate dadurch zur kapitalistischen Peripherie. Von ökonomischen Einwänden ganz abgesehen ist die Vorstellung, der Großraum Prag oder Westungarn mit einem teils über dem EU-Durchschnitt liegenden Wohlfahrtsniveau gehörten zur Peripherie, gewöhnungs- oder eben ideologiebedürftig. Allen Überzeichnungen zum Trotz regt Hofbauers Trauermelodie inmitten jubilierender Chöre zur Reflexion über die Implikationen und den „Preis" der Osterweiterung an. Darin und nicht in der Dämonisierung des expansionshungrigen Spätkapitalismus liegt sein Wert.
Michael Edinger (ME)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
Rubrizierung: 3.1 | 2.62 Empfohlene Zitierweise: Michael Edinger, Rezension zu: Hannes Hofbauer: Osterweiterung. Wien: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/18696-osterweiterung_21684, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 21684 Rezension drucken