Das politische Europa. Differenz als Potential der Europäischen Union
Die "große Vielfalt an Differenzen" (12) stellt die politische Steuerung der EU vor erhebliche Herausforderungen: Wie geht die EU beispielsweise mit der Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung ihrer Mitgliedstaaten und Regionen bzw. den historischen, geografischen und wirtschaftlichen Unterschieden innerhalb "ihres Territoriums" um? Auf naturwissenschaftliche Konzepte im Bereich der so genannten "Chaosforschung" und die sozialwissenschaftliche Komplexitätstheorie rekurrierend, versucht die Autorin, politische Ordnung in der EU differenztheoretisch zu erklären. Dabei geht sie davon aus, dass Differenzen als Steuerungspotenziale genutzt werden können. Die entscheidende Voraussetzung hierfür bilde der demokratische und kommunikative Umgang mit Differenz. Diese untersuchungsleitende Hypothese wird im Rahmen eines Mix aus Elitenforschung und Policy-Analysen (am Beispiel der europäischen Sozial-, Umwelt-, und Bildungspolitik) empirisch geprüft. Die Autorin untersucht den wachsenden Einfluss des Europäischen Parlamentes, die Europäisierung und das Entstehen einer europäischen Öffentlichkeit als Indikatoren einer allmählichen Öffnung der europäischen Politik zugunsten einer demokratischen Kommunikation über Differenz. Dabei kann Landfried auf die Auswertung von qualitativen Interviews bzw. Fragebögen zurückgreifen, die sie mit Mitgliedern der Santer- und Prodi-Kommission führte. Die zunehmend politische Handlungsorientierung der Kommissare und Kommissarinnen stellt in ihren Augen ein Indiz für die Beschleunigung der Genese eines "politischen Europas" dar. Die Arbeit schließt mit der Empfehlung ab, eine Konferenz der Parlamente einzurichten, die eine verstärkte Kommunikation über Differenz in der EU etablieren könnte.