Die Differenz zwischen der orientierungslosen, durch das NS-Regime tief geprägten Gesellschaft nach 1945 und der stabilen, prodemokratisch orientierten und sich weiter liberalisierenden Gesellschaft seit den Siebzigerjahren sei ein Widerspruch, so der Herausgeber. Die Auflösung dieses Widerspruchs ist das Ziel der Freiburger Forschungsgruppe zur Geschichte der Bundesrepublik, die seit 1997 besteht und deren Zwischenergebnisse in diesem Band vorgestellt werden. Die Schwerpunkte sind die intellektuellen Auseinandersetzungen mit der NS-Zeit in Westdeutschland nach 1945, die personellen Kontinuitäten zwischen dem Dritten Reich und der Bundesrepublik, die Frage nach den Voraussetzungen, Umständen und Dynamisierungen der politischen Umorientierungsprozesse sowie der soziale und kulturelle Wandel. Ausreichend gewürdigt werden könne der Wandel, für den die Begriffe Modernisierung und Liberalisierung leitend gewesen seien, vor allem dann, wenn die Belastung der westdeutschen Gesellschaft durch das Fortwirken der NS-Funktionäre und die große Übereinstimmung der Bevölkerung mit dem NS-Regime vor 1945 ausreichend in der Analyse berücksichtigt werden, schreibt der Herausgeber. Aus dem Inhalt: Ulrich Herbert: Liberalisierung als Lernprozeß. Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte - eine Skizze (7-49). I. Abwehr und Legitimation: Jan Friedmann / Jörg Später: Britische und deutsche Kollektivschuld-Debatte (53-90); Nicolas Berg: Lesarten des Judenmords (91-139); Jan Eckel: Intellektuelle Transformationen im Spiegel der Widerstandsdeutungen (140-176). II. Kontinuität und Integration: Patrick Wagner: Die Resozialisierung der NS-Kriminalisten (179-213). III. Politische Umorientierungsprozesse: Moritz Scheibe: Auf der Suche nach der demokratischen Gesellschaft (245-277); Christina von Hodenberg: Die Journalisten und der Aufbruch zur kritischen Öffentlichkeit (278-311). IV. Abweichung, Norm, Einstellungswandel: Sybille Buske: Die Debatte über "Unehelichkeit" (315-347).