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Nicholas D. Kristof / Sheryl WuDunn

Ferner Donner. Der neue Aufstieg Asiens. Aus dem Amerikanischen von Barbara Schaden

Berlin: Siedler Verlag 2002; 416 S.; Ln., 24,90 €; ISBN 3-88680-710-X
Der Titel des Buches klingt bedrohlicher als er gemeint ist. Das amerikanische Autoren-Ehepaar Kristof und WuDunn - beide schreiben für die New York Times - warnt keineswegs vor einem unaufhaltsamen, Furcht erregenden Naturphänomen. Der ferne Donner aus Asien ist eher das Geräusch, das entsteht, wenn ein Riese nach einem Sturz aufsteht und sich den Staub von den Kleidern klopft. Die beiden Journalisten stellen Asien als einen Kontinent im Umbruch dar, auf dem die Nachwirkungen der schweren Wirtschaftskrise weiterhin zu spüren sind, auf dem sich allerdings auch die enorme Vielfalt und frappierende Fähigkeit zur Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen bemerkbar machen. In zahlreichen Reportagen und Einzelporträts berichten sie aus Japan, Korea, China, Indonesien, Vietnam, Singapur und Pakistan. Die Einzeldarstellungen sind thematisch geordnet und geben so ein faszinierendes Gesamtbild. Die Autoren beleuchten sowohl politische Themen wie den wachsenden Nationalismus in einigen Ländern, als auch gesellschaftliche, wie die Unterdrückung der Frauen, Bildung oder die Umweltverschmutzung. Besonders plastisch wird ihre Schilderung, wenn es um die Folgen der Wirtschaftskrise geht. Vor allem die eindringlichen Kurzporträts bleiben im Gedächtnis: Geschichten von Menschen wie den Arbeitern und Fabrikbesitzern in einer japanischen Kleinstadt, deren heile Welt langsam zerbricht, den thailändischen Mädchen, die von ihren Eltern in die Prostitution verkauft werden, den sanftmütigen Indonesiern, die ab und zu ausrasten und angebliche Hexer mit der Machete köpfen oder dem thailändischen Bauunternehmer, der in der Asienkrise ein Millionenvermögen verlor und nun Sandwiches auf der Straße verkauft. Gleichzeitig liefern Kristof und WuDunn jedoch auch informative Analysen der allgemeinen volkswirtschaftlichen, sozialen oder politischen Prozesse, die das Schicksal der porträtierten Menschen bestimmen. Es ist diese Mischung aus persönlich gefärbter Reportage und kluger Analyse, die das Buch der beiden Pulitzerpreis-Träger zu einem überaus lesenswerten Beispiel hervorragenden Journalismus macht. Ein reines Loblied auf Asien ist dabei jedoch keineswegs herausgekommen. Auch Kristof und WuDunn wissen, dass der Prozess der Umstrukturierung trotz erster Anfangserfolge letztlich offen ist. Die Kraft, die in der Vielfalt Asiens wohnt, hat sie jedoch beeindruckt. Das Buch ist hervorragend dazu geeignet, Klischeevorstellungen zu überprüfen und realistischere Bewertungsmaßstäbe zu gewinnen. Asienexperten werden darin keine umwerfend neuen Interpretationen finden, einem breiterem Leserkreis kann es jedoch als blendend geschriebene Einführung in die umfassenden Transformationsprozesse in Asien dienen.
Walter Rösch (WR)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.68 Empfohlene Zitierweise: Walter Rösch, Rezension zu: Nicholas D. Kristof / Sheryl WuDunn: Ferner Donner. Berlin: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/16850-ferner-donner_19361, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 19361 Rezension drucken