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Wolfgang Knöbl

Spielräume der Modernisierung. Das Ende der Eindeutigkeit

Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2001; 510 S.; geb., 39,50 €; ISBN 3-934730-43-4
Habilitationsschrift FU Berlin. - Die "klassische" Modernisierungstheorie, in den frühen 50er-Jahren in den USA entwickelt und von großem Einfluss auch in der deutschen Soziologie, beansprucht auf makrosoziologischer Ebene ein generelles Muster sozialen Wandels identifiziert zu haben, das im Kern eine globale Entwicklung zur modernen Gesellschaft (westlichen Typs) behauptet. Obschon die Prämissen dieses Modells in der Zwischenzeit auf vehemente Kritik gestoßen sind - sie betraf das zugrunde liegende lineare Entwicklungsmodell, die ebenso abstrakte wie plakative Unterscheidung zwischen traditionalen und modernen Gesellschaften und schließlich den impliziten Ethnozentrismus - haben modernisierungstheoretische Ansätze in den 80er- und 90er-Jahren (durchaus vor dem Hintergrund der Transformationsprozesse vormals sozialistischer Gesellschaften) wieder mehr Aufmerksamkeit gefunden. In einer sehr sorgfältigen theoriegeschichtlichen Analyse zeichnet der Autor die modernisierungstheoretischen Pfade von den amerikanischen Anfängen bis zu aktuellen Modellen der Makrosoziologie nach. Die Intention Knöbls ist gut an seinen Ausgangsthesen abzulesen: Zwar sei die Modernisierungstheorie gescheitert, aber "die derzeit produktivsten makrotheoretischen Ansätze und die innovativsten Analysen zur Moderne" stammen von Autoren, die sich intensiv mit den Defiziten des klassischen Konzepts auseinandergesetzt haben. Der Autor entwickelt einerseits Vorgeschichte und Ausformulierung der amerikanischen Modernisierungstheorie und hebt davon andererseits - bezogen auf die Positionen von Shmuel N. Eisenstadt, Michael Mann und Johann P. Arnason - relevante makrosoziologische Ansätze ab, die Modernisierung nicht mehr als unilinearen Prozess begreifen. Die Umstellung auf ein plurales (auch nicht-westliche Modelle zulassendes) Konzept moderner Gesellschaften wirft eine Reihe von normativen, nicht zuletzt demokratietheoretischen Fragen auf, die Knöbl am Werk Alain Touraines diskutiert. Inhaltsübersicht: I. Zur Historisierung der Modernisierungstheorie; II. Makrosoziologische Neuanfänge: mühevolle Auswege aus der Modernisierungstheorie; III. "Multiple Modernities", Krieg und Totalitarismus: Konsequenzen einer realistischen Makrosoziologie.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Wolfgang Knöbl: Spielräume der Modernisierung. Weilerswist: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/15593-spielraeume-der-modernisierung_17778, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 17778 Rezension drucken