Japan nach "Fukushima" Ein System in der Krise
Während die aktuelle Entwicklung in der japanischen Atompolitik voranschreitet und zumindest zu diesem Zeitpunkt eine Energiewende mit einer Abkehr von der Nutzung der Atomkraft eingeläutet wird, ist die Wissenschaft noch mit der notwendigen Aufklärung der Katastrophe von Fukushima beschäftigt. In diesem Sammelband wird aus unterschiedlichen Perspektiven die japanische Situation vor und nach Fukushima analysiert. Enno Berndt fragt, wieso die Gefahren und Risiken der Atomenergie in der Gesellschaft weitgehend ignoriert wurden. Dafür diskutiert er die Eigentumsform und das Geschäftsmodell der Stromwirtschaft und deckt die staats- und industriepolitischen Interessen auf. Trotz vielfacher Widersprüche einer auf Atomenergie basierenden Stromerzeugung, die er detailliert beschreibt, kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass es „die Rolle der atomaren Stromerzeugung als energetischer Anker der nahezu unhinterfragten Wachstums- und Konsumideologie [ist], der sie davor bewahrte, trotz der atomaren Katastrophen von 1979, 1986, und 2011 fundamental in Zweifel gezogen zu werden“ (70). Nach einem Beitrag von Steffi Richter zu unterschiedlichen Diskussionsfeldern im Zuge der Dreifachkatastrophe beschäftigt sich Nicola Liscutin mit der Anti-Atomkraft-Bewegung in Japan. Diese werde von den traditionellen japanischen Medien weitgehend ignoriert, weshalb sie sich über alternative und unabhängige Internetmedien wie Blogs und über die neuen sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter Gehör in der Öffentlichkeit verschafft. Der Band endet mit einem Beitrag von Lisette Gebhardt, die unterschiedliche Positionen japanischer Autoren nach der Dreifachkatastrophe darstellt und damit einen „ersten Einblick in die japanische Krisendebatte nach Fukushima“ (200) ermöglicht. Deutlich werden in diesen Stellungnahmen vor allem zentrale Argumentationspunkte, um die sich die Diskussionen verdichten (z. B. Verantwortung, Unwägbarkeit, Aufklärung), und letztlich die Forderungen nach einem postnuklearen Zeitalter. Insgesamt lässt sich den Beiträgen entnehmen, dass die gegenwärtige Krise Ausdruck einer allgemeinen Krise des japanischen Systems ist.