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Volkan Çıdam

Die Phänomenologie des Widergeistes. Eine anerkennungstheoretische Deutung von Marx' normativer Kritik am Kapitalismus im Kapital

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Studien zur Politischen Soziologie 15); 279 S.; 49,- €; ISBN 978-3-8329-7162-5
Diss. Universität Frankfurt am Main; Begutachtung: A. Honneth, R. Jaeggi. – Çıdam entwickelt eine alternative Lesart des Marx’schen „Kapital“. Ausgehend von der Beobachtung, dass über die Frage, ob Marx’ Kritik am Kapitalismus einen normativen Gehalt aufweist und wie sich dieser gegebenenfalls einordnen lässt, weitgehend Uneinigkeit herrscht, versucht der Autor zu zeigen, dass Marx eine spezifische Form der normativen Kritik entwickelt, „eine Kritik, die ihr transzendierendes Moment, ihren Maßstab der Kritik, in der philosophisch-rationalen Rekonstruktion der normativen Ideale einer gegebenen Gesellschaft erst generiert“ (13). Mithilfe einer Parallellektüre des „Kapitals“ und Hegels „Phänomenologie des Geistes“ weist Çıdam nach, dass Marx sich in seinen Ausführungen inhaltlich wie auch in der methodischen Darstellungsform an Hegels „Phänomenologie“ orientiert bzw. abarbeitet. Der Autor kennzeichnet Marx' Form der Kritik der politischen Ökonomie als immanent, das heißt als eine Form der Kritik, deren Maßstäbe sich erst aus der Freilegung der normativen Ideale der analysierten Institutionen und Praktiken selbst ergeben. Damit eine solche Form der Kritik aber nicht nur die Widersprüche ihres Analysegegenstandes offenlegen, sondern diese darüber hinaus in Frage stellen und aus ihnen implizit die Bedingungen einer gerechteren Gesellschaft ableiten kann, bedarf es jedoch eines vorgeschalteten, normativen Vernunftkonzeptes, an dem sich die analysierten Widersprüche messen lassen. Auch dieses findet Marx, so Çıdam, bei Hegel, nämlich in dessen „Dialektik der Anerkennung“, die für Marx als Maßstab seiner Kritik der politischen Ökonomie dient. Die Argumentation des Buches ist in erster Linie eine sozialphilosophische und richtet sich diesbezüglich vor allem an Vertreter der Philosophiegeschichte sowie der spezialisierten Marx-Forschung. Nichtsdestotrotz, so zeigt der Autor im Ausblick, ergeben sich aus einer alternativen Lesart der Kritik der politischen Ökonomie durchaus auch Forschungskonsequenzen – vor allem mit Blick auf alternative Erkenntnisse zu Fragen von Subjektivität und Herrschaftskritik –, die sowohl für die Kritische Theorie im Allgemeinen als auch für demokratietheoretische Ansätze von Interesse sein können.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Volkan Çıdam: Die Phänomenologie des Widergeistes. Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14908-die-phaenomenologie-des-widergeistes_42714, veröffentlicht am 20.12.2012. Buch-Nr.: 42714 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken