Unter Berufung auf das Neutralitätskonzept beschritten sowohl die Schweiz als auch Österreich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen außenpolitischen Sonderweg. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs stellte sich im Falle Österreichs die Frage der Existenzberechtigung der Neutralität, denn die Neutralitätserklärung von 1955 bezog sich primär auf den Ost-West-Konflikt. Nach dessen Wegfall war ein Umdenken erforderlich. Mit dem österreichischen EU-Beitritt und mit der Entwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und vor allem mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon tauchte immer häufiger die Frage auf, ob der Status des Neutralen überhaupt noch mit der Mitgliedschaft in der EU vereinbar ist – vor allem angesichts der in Art. 42 Abs. 7 EU vorgesehenen Beistandsverpflichtung sowie der allgemeinen Solidaritätsverpflichtung nach Art. 222 AEUV. Der Innsbrucker Professor für Völkerrecht Hilpold fragt, ob in einem solchen System einzelne EU-Mitgliedstaaten noch an ihrer Neutralität festhalten können. Einerseits klärt er, was Neutralität im Völkerrecht des 21. Jahrhunderts bedeutet, und prüft andererseits, welche Spielräume das Unionsrecht für eine Neutralitätspolitik noch offen lässt – dies insbesondere mit Blick auf die Situation Österreichs. Abschließend wird versucht, das traditionelle Neutralitätsrecht in Einklang zu bringen mit den Erfordernissen der modernen Völkerrechtsordnung. Letztlich, so Hilpold, stehe die Neutralität im Dienste der Wahrung und Festigung der Souveränität des Landes, diese sollte nicht mehr als Ausschluss- und Kontrollrecht definiert werden, sondern als Verantwortungsprinzip, nach innen und nach außen. Österreich sollte sich von der Neutralität lossagen oder aber diese neu definieren.