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Peter Merseburger

Theodor Heuss. Der Bürger als Präsident. Biographie

Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 2012; 672 S.; geb., 29,99 €; ISBN 978-3-421-04481-5
Die politische Karriere des Theodor Heuss verläuft bis 1933 zunächst etwas zögerlich – in den Reichstag zieht er erst 1924 ein; einen ersten Anlauf hat er schon 1912 unternommen. Später, Ende der 1920er‑Jahre, aber ganz sicherlich zwischen 1930 und 1933, gehört Heuss zur Spitze dessen, was die liberalen Parteien zum Ende der Weimarer Republik noch aufzubieten haben. Heuss ist bildungshungrig, kulturinteressiert, ist anerkannter Literaturkenner und Kritiker. Der promovierte Nationalökonom beginnt seine Karriere als Journalist, ist dabei deutlich erkennbar als Bildungsbürger im besten Sinne, der sich kaum mit Tagespolitik befasst. Schon der Journalist wie der spätere Politiker Heuss ist sehr gut vernetzt. Heuss ist enger Gefolgsmann Friedrich Naumanns, er verehrt Max Weber, hat bei Lujo Brentano studiert, verkehrt mit Conrad Haussmann, Friedrich von Payer. Über seine Frau Elly Heuss‑Knapp, politisch aktiv wie ihr Mann, bekommt er Zugang in weitere akademische Bildungskreise. Dass Heuss dem Ermächtigungsgesetz im März 1933 zustimmt, eine letzte Amtshandlung des Reichstagsabgeordneten, ist für ihn selbst nicht nur eine Delle im politischen Werdegang. Während des nationalsozialistischen Regimes herrscht bei Heuss eine Art familiären Sicherheitsdenkens vor. Er arbeitet weiterhin als Journalist, und später ist er vor allem Biograf unter anderem von Naumann und Robert Bosch. Heuss ist kein Widerstandskämpfer; aufgrund seiner Vernetzung sind allerdings Schnittmengen vorhanden. Der Weg nach 1945 zum Bundespräsidenten ist keineswegs geradlinig. Merseburger charakterisiert Heuss als liberal‑konservativ, national gesonnen, aber zu keiner Zeit nationalistisch, und immer distanziert von ideologischen Auseinandersetzungen. Heuss ist kein Machtpolitiker, kein Parteipolitiker – auch wenn er als Parteivorsitzender der späteren FDP nach Bonn in den Parlamentarischen Rat gewählt wird. Allerdings hat er viel dafür getan, dem Grundgesetz die Etikette des Vorläufigen zu nehmen. Merseburger bringt Heuss viel Sympathie entgegen, bleibt aber dennoch distanziert genug, um eine in ihrem Urteil ausgewogene, elegant und unaufdringlich geschriebene Biografie vorzulegen. Der Untertitel gibt die Richtung vor: Merseburger zeigt keinen Intellektuellen auf seinem Weg zum Bundespräsidenten, sondern einen Bildungsbürger in seinem nicht ganz bruchfreien Werdegang in Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittem Reich und Bundesrepublik, für den Politik nicht unbedingt erster Lebenszweck ist, und der dann schließlich Staatsoberhaupt wird.
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 2.3 | 2.31 Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Peter Merseburger: Theodor Heuss. Stuttgart: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14542-theodor-heuss_43523, veröffentlicht am 02.05.2013. Buch-Nr.: 43523 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken