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Helmut Martens

Neue Wirtschaftsdemokratie. Anknüpfungspunkte im Zeichen der Krise von Ökonomie, Ökologie und Politik

Hamburg: VSA 2010; 213 S.; 17,80 €; ISBN 978-3-89965-428-8
Die Finanzkrise hat im gewerkschaftlichen Spektrum den Diskurs über die Wirtschaftsdemokratie neu belebt. Dabei offenbart sich aus Sicht von Helmut Martens von der Sozialforschungsstelle in Dortmund zunächst das gravierende Problem, dass die Mitbestimmungsforschung im sozialwissenschaftlichen Mainstream den Zusammenhang zwischen ideengeschichtlichen Grundlagen und praktischen Handlungsanleitungen verloren hat. Gewerkschaften befinden sich obendrein eingekeilt zwischen sozialwissenschaftlichen Deutungsmustern, die einerseits unschlüssig sind, ob das korporatistische „Institutionengefüge weiterhin trägt (Müller-Jentsch) oder gleichsam zerbröselt (Streeck)“ (52), und die andererseits den Gewerkschaften dazu raten, „sich wieder stärker auf ihre Wurzeln als soziale Bewegung zu besinnen“ (67). Letzteres entspricht durchaus der gewerkschaftlichen Praxis der vergangenen Jahre und berührt sehr grundlegende Fragen ihres Selbstverständnisses. Eine solche Debatte war letztmals in den 60er/70er-Jahren geführt worden, allerdings verlief sie seinerzeit in eher undifferenzierten Bahnen. Dementsprechend orientiert sich Martens weiter zurück und greift Fritz Naphtalis Ansatz und die Entwicklung der Mitbestimmung nach 1945 kursorisch auf. Für eine bloße Fortschreibung solcher Ansätze sind allerdings die „ökonomischen Bedingungen […] des Fordismus […] heute nicht mehr gegeben“ (108). Martens plädiert deswegen dafür, „die Demokratiefrage neu und radikaler zu stellen. Dabei entstehen neue Lösungsvorschläge nicht einfach im innerwissenschaftlichen Diskurs“ (110). Dementsprechend liege in dieser Debatte auch viel Zündstoff für die innergewerkschaftliche Politik, die „eine kritische Bestandsaufnahme der bisherigen Mitbestimmungspraxis von Betriebsräten und Gewerkschaften“ (147) vornehmen und dabei das Verhältnis von Betriebs- und Gewerkschaftspolitik neu austarieren müsse. Martens eigene Lösungsansätze sind freilich weniger radikal und stellen eher eine Mischung aus fortgeschriebener Mitbestimmungspraxis und Wiederbelebung des Gemeinwirtschafts- und Genossenschaftsgedankens dar.
Stephan Klecha (SKL)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.3 | 2.331 | 2.342 | 5.45 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Helmut Martens: Neue Wirtschaftsdemokratie. Hamburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14480-neue-wirtschaftsdemokratie_39692, veröffentlicht am 10.11.2011. Buch-Nr.: 39692 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken