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Urs Schoettli

Indien. Profil einer neuen Großmacht

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2009; 189 S.; 21,90 €; ISBN 978-3-506-76774-5
Der Fernostkorrespondent der NZZ beschreibt in packender Weise die Hintergründe der weitreichenden Veränderungen, die Indiens Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, aber auch seine Stellung in der Welt in den letzten Jahren erfasst haben. Der Subkontinent weise „gefährliche Bruchstellen“ (38) auf, so der Autor. Das sei einerseits durch die sozialen Probleme bedingt, der wirtschaftliche Aufbruch sorge für neue soziale Unterschiede: Indien zähle sich selbst zur sogenannten Dritten Welt, aber zugleich strebten indische Konzerne erfolgreich auf den Weltmarkt. Andererseits sei zwischen den Hauptreligionen „ein riesiges latentes Konfliktpotenzial“ (42) vorhanden, das durch das machtvolle Auftreten eines militanten Islams an Indiens Grenzen verschärft werde. Doch Indien präsentiere sich als selbstbewusste asiatische Macht, die in der Weltwirtschaft und auf der politischen Weltbühne einen wichtigen Platz einnehmen will. Nachdem sich das Land über Jahrzehnte hinweg einer protektionistischen Planwirtschaft verschrieben hatte, habe es sich in den 90er-Jahren der Welt geöffnet. Die Indische Union sei die größte Demokratie der Welt – die Wählerschaft sei größer als jene der USA und der EU zusammen – und eine, die auch tatsächlich funktioniere, was Schoettli ausführlich darlegt und mit der Situation in China vergleicht. Anders als im Reich der Mitte herrsche in Indien Meinungsfreiheit; eine hellhörige Presse scheue sich nicht, Missstände öffentlich anzuprangern. Das Risiko eines „Systemkollaps“ (59) hält er für ausgeschlossen und wagt die Prognose, dass es in den nächsten zehn Jahren höchstwahrscheinlich Koalitionsregierungen geben werde. Die Indische Union zähle zu den komplexesten Staatsgebilden der Welt. Die sprachliche, kulturelle, religiöse und ethnische Vielfalt könne nur durch eine Demokratie zusammengehalten werden – eine Diktatur würde hingegen unweigerlich zum Auseinanderfallen des Staatsganzen führen. Trotz der weit verbreiteten Armut und der Umweltprobleme sei Indien dabei, sich zu einer Großmacht zu entwickeln – dabei komme der gelebten Kultur eine Schlüsselrolle zu.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.68 | 2.2 | 4.22 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Urs Schoettli: Indien. Paderborn u. a.: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14428-indien_36088, veröffentlicht am 13.10.2009. Buch-Nr.: 36088 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken