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Robert Kurz / Ernst Lohoff / Norbert Trenkle

Feierabend! Elf Attacken gegen die Arbeit

Hamburg: Konkret Literatur Verlag 1999; 253 S.; brosch., 34,- DM; ISBN 3-89458-182-4
Geradezu als utopischer Standpunkt erscheint gegenwärtig, wenn Vertreter linker Positionen in Gewerkschaften und SPD in Reaktion auf die skandalöse Gleichzeitigkeit von Produktivitätswachstum, florierenden Finanzspekulationen und massenhafter Unterbeschäftigung die Forderung nach radikaler Arbeitszeitverkürzung erheben. Statt auf verteilungspolitische Eingriffe zu setzen, stellt bekanntlich die herrschende wirtschaftspolitische Lehre demgegenüber ein größeres Arbeitsvolumen durch Förderung von Innovationen, Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen und gezielte Anreize zur ökonomischen Eigenverantwortung in Aussicht. In der Wahrnehmung der Autoren des Bandes sind indes sowohl die dominierende als auch die oppositionelle Position lediglich unterschiedliche Ausprägungen eines Denkens, das in den Kategorien von abstrakter Arbeit, warenförmiger Produktion und verselbständigter Geldwirtschaft befangen ist. Weil die sogenannte "Krise der Arbeitsgesellschaft" tatsächlich eine "'Substanzkrise' der Kapitalakkumulation" anzeigt (230 ff.), mute es geradezu paradox an, wenn sich die heutigen Nachfahren des "Arbeiterbewegungsmarxismus" (26) immer noch um eine Verteidigung der Lohnarbeit bemühen. Die "elf Attacken gegen die Arbeit" versuchen vielmehr "die bitter nötige radikale Kapitalismuskritik" (8) dadurch wiederzubeleben, daß sie den Charakter der modernen, über Arbeitsmärkte organisierten Erwerbsarbeit als historisch überholte Form einer - vom Kapitalverhältnis erzwungenen - "Verhaltensstörung der Moderne" (9 ff.) denunzieren. Diese Angriffe auf den Fetisch "abstrakter" - also in Lohnverhältnisse eingebundener - Arbeit sind durchweg gut formulierte Polemiken, die sich nicht nur gegen neue Schlagworte wie Dienstleistungsgesellschaft (109 ff.) und Qualifikationsoffensive (153 ff.) wenden, sondern auch mit alternativen Konzepten (Mindesteinkommen: 209 ff., "New Work"/Frithjof Bergmann: 193 ff.) nicht eben zimperlich umgehen. Eine derart entschiedene Absage an gegenwärtige Versuche, das Verhältnis von Arbeit, Einkommen und Lebenspraxis zu reformieren, kann nur vornehmen, wem ein "Jenseits des Kapitalismus" (229 ff.) halbwegs deutlich vor Augen steht. So mündet der Band in die Vision einer "kopernikanischen Wende", die mit der Aufhebung der Arbeit "gleichzeitig das gesamte System von Grund auf in Frage [stellt] und dafür eine transformatorische Sozialbewegung entfesselt" (232). Inhalt: Robert Kurz: Die Diktatur der abstrakten Zeit. Arbeit als Verhaltensstörung der Moderne (9-41); Götz Eisenberg: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen". Zur Sub- und inneren Kolonialgeschichte der Arbeitsgesellschaft (43-56); Franz Schandl: Vom Verwesen der Arbeit (57-76); Roswitha Scholz: Die Müßiggängerinnen schiebt beiseite! Zum Verhältnis von Geschlecht und Arbeit im Feminismus (77-108); Norbert Trenkle: Es rettet Euch kein Billiglohn! Die Illusion vom Elends- und Dienstleistungskapitalismus (109-134); Martin Massip / Ernst Lohoff: Hilfe zur Zwangsarbeit. Aus den Annalen der bundesdeutschen Sozialverwaltung (135-151); Karl-Heinz Wedel: Der Mensch als Unternehmer seiner Arbeitskraft. Bildungsdiskussion zwischen Leistungswahn, Standortkonkurrenz und Individualisierung (153-168); Gerd Bedszent: Arbeitskultur und Wirklichkeit. Streiflichter aus der real existiert habenden DDR (169-191); Volker Hildebrandt: Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte rückwärts. Von der "Neuen Arbeit" zurück zur "Alten Arbeit" (193-208); Ernst Lohoff: Zuckerguß für eine bittere Pille. Zur Diskussion um das garantierte Mindesteinkommen (209-227); Robert Kurz / Norbert Trenkle: Die Aufhebung der Arbeit. Ein anderer Blick in das Jenseits des Kapitalismus (229-252).
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.262 | 2.342 | 2.27 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Robert Kurz / Ernst Lohoff / Norbert Trenkle: Feierabend! Hamburg: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/10331-feierabend_12217, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 12217 Rezension drucken