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Was wird aus unserer offenen Gesellschaft? Einige Überlegungen nach den Ereignissen in Chemnitz

24.09.2018
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Dr. Bruno Heidlberger

Chemnitz rechter Aufmarsch flickr havillandRechter Aufmarsch in Chemnitz am 27. August 2018. Foto: De Havilland (flickr, https://www.flickr.com/photos/de_havilland2/43414667865/in/album-72157700710482325/, Lizenz CC BY-NC 2.0)

 

„Chemnitz, was soll ich nur halten von dir?“1, fragt die FAZ-Journalistin Johanna Dürrholz. Die jüngsten Ereignisse in Chemnitz, die medial förmlich über uns hinweggerollt sind, sind für viele nicht nur unübersichtlich und schwer durchschaubar. Vor allem haben sie uns rat- und hilflos gemacht angesichts der Uneinigkeit der Regierungskoalition bezüglich ihrer Lageeinschätzung der Ereignisse, der Bewertung und der zu ziehenden Konsequenzen. Die AfD hat nicht nur die Polarisierung zwischen CDU und CSU weiter befördert und SPD, Grüne und Linke mehr oder weniger zu Zaungästen gemacht; sie scheint einen grundsätzlichen politischen Dissens quer durch alle Parteien, Institutionen und durch die Bevölkerung offengelegt zu haben. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel sich gegenüber der AfD und dem gewaltbereiten Rechtsradikalismus distanziert, mäandert der CSU-Innenminister nicht erst seit Chemnitz zwischen Verständnis und „Nulltoleranz“ gegenüber rechtsnationalen Kräften. Nicht nur, dass er sich selbst gerne den sogenannten besorgten Bürgern angeschlossen hätte, muss beunruhigen, sondern auch, dass er „Migration als Mutter aller Probleme“ erklärt. Im Subtext heißt das: “Ist Merkel weg, dann kommen auch keine Migranten mehr!“ Aber, was ist mit dem Asylrecht und was ist mit den Millionen Menschen, die hier längst in zweiter und dritter Generation leben? Welche Botschaft sendet Seehofer an diese Menschen, an ausländische Fachkräfte sowie Investoren? Was bedeutet sein aus dem AfD Programm wörtlich übernommener Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ für die Zukunft der Muslime? Mehr und mehr scheint die CSU die grundgesetzliche Bodenhaftung zu verlieren und sich in einen Lautsprecher und parlamentarischen Wurmfortsatz der Neuen Rechten zu verwandeln. Ist die CSU auf dem Weg, sich aus dem liberal-bürgerlichen Lager zu verabschieden und dem illiberalen Lager der europäischen nationalistischen Rechten à la Viktor Orbán zuzuwenden? Ist ein Innenminister, der unsere offene Gesellschaft nicht mehr bedingungslos gegen ihre Feinde verteidigt, diese gar noch verharmlost, noch tragbar?

Gefährlich für den Bestand unserer Demokratie sind nicht nur die Neuen Rechten, sondern auch diejenigen, die, wie die AfD, die Demokratie als Scheinveranstaltung oder Fassade bezeichnen, hinter der sich wahlweise die Herrschaft einer liberalen Elite beziehungsweise des Finanzkapitals verstecke. Dieser primitive Antiparlamentarismus und Antikapitalismus ist sowohl nach rechts wie nach links anschlussfähig. Gefährlich ist auch, dass allein der Streit zwischen CDU und CSU seit September 2015 die Debatte bestimmt und sich immer mehr Menschen von dieser Art von Politik verständnislos abwenden. Dringliche Probleme, wie die Vertiefung der europäischen Integration, eine nachhaltige Klimapolitik, bezahlbare Mieten und Themen wie Bildung, Gesundheit, soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung, Rente, Digitalisierung und die Modernisierung der Autoindustrie, geraten ins Abseits. Brücken, Straßen und Schulen verkommen. Dem 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag fehlt die große Linie! Immer mehr Menschen sind verunsichert. Irrende und extreme Gesinnung, Verschwörungstheorien, Wut und Zorn lassen sich nicht kommunikativ, durch das bessere Argument, beheben. Es braucht Maßnahmen und Lösungen der Probleme, die das Gefühl ausgelöst haben, abgehängt, ausgegrenzt, benachteiligt oder bedroht zu sein. „Zukunft wird aus Mut gemacht!“, war der Wahlslogan von Bündnis 90/Die Grünen. Wo bleiben der Mut und die Wehrhaftigkeit der Regierungskoalitionäre? Was sind die Gründe für diese Lähmung und Unordnung? Ist Deutschland in den Strudel eines weltweit aufstrebenden Rechtsnationalismus geraten, der dabei ist, die alten politischen Lager zu spalten und neu zu formieren? Befindet es sich an einer „Wegscheide“, wie Renate Künast in der FAZ zitiert wird, zwischen Rechtsradikalismus und demokratischen Prinzipien, zwischen offener Gesellschaft und neuer Volksgemeinschaft, zwischen liberaler und autoritärer Politik? Ist gar die „alte Bundesrepublik zu Ende gegangen“ (Renate Künast) und müssen wir für „unsere Demokratie stündlich kämpfen?“2 Wie dramatisch ist die Lage?

Im Folgenden soll diesen Fragen im Kontext der Ereignisse in Chemnitz nachgegangen werden. Es soll auch deutlich gemacht werden, wie und mit welcher Taktik die neurechten Biedermänner und Brandstifter versuchen, auf die politische Entwicklung Einfluss zu nehmen und welche Folgen dies für die demokratische Zukunft unseres Landes haben kann.

Konservative Revolution – Kulturkampf von rechts

Gemäß der umfangreichen Studien von Ruth Wodak instrumentalisieren alle rechtspopulistische Parteien „eine Art von ethnischer, religiöser, sprachlicher, politischer Minderheit als Sündenbock für die meisten – wenn nicht alle – aktuellen Sorgen und Probleme. Sie stellen die jeweilige Gruppe als gefährlich dar, die Bedrohung ‚für uns‘, für ‚unsere‘ Nation. Diese Politik manifestiere sich als Politik mit der Angst.3 So erklärte Frauke Petry auf dem Parteitag 2015 in Hannover: „Wir brauchen die Ängstlichen, um Mehrheiten zu bewegen.“

Dementsprechend appelliert die Neue Rechte nicht an die Vernunft oder an den Intellekt, sondern vielmehr an das, was die Menschen fühlen, was auch als „gesunder Menschenverstand“ bezeichnet wird. Wodak kennzeichnet dies als „Rückkehr zu vormodernistischem Denken, also vor der Aufklärung.“4 Ausdruck dieses Politikverständnisses sind die von der AfD betriebene skandalorientierte Öffentlichkeitspolitik und Diskriminierungen, wobei ein wiederkehrendes Muster zu erkennen ist: ein Wechselspiel zwischen rechter Provokation und Dementi. Der Anlass solcher Inszenierungen kann je nach aktuellen gesellschaftlichen Problemlagen variabel sein. Im Zentrum steht dabei die Gegnerschaft zur Chiffre „68“ beziehungsweise zu dem, was die Neue Rechte darunter versteht.

Das Kürzel „68“ spaltet noch immer die Gesellschaft, der Kulturkampf um „1968“ ist aktueller denn je. Wer beherrscht den Diskurs, wer setzt die Begriffe? „In der Bundesrepublik schien das“, so Heinrich Wefing in der Zeit, „lange klar zu sein: zuerst die sogenannten Achtundsechziger, dann mehr und mehr die Grünen, obwohl sie nur kurz an der Macht waren, bis schließlich die Merkel-CDU deren Ideen aufsaugte und sich anverwandelte. [...] Zum ersten Mal seit Langem“ werde „die kulturelle Hegemonie der Linksliberalen und Grünen massiv herausgefordert.“ Erst jüngst wieder, erklärt Wefing, habe Alexander Gauland in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erklärt, „wir versuchen, die Grenzen des Sagbaren auszuweiten“5 Besonders die in den neuen Bundesländern stark gewordene Alternative für Deutschland (AfD) begreift sich, so der Politologe Wolfgang Kraushaar, „in programmatischer Hinsicht als eine regelrechte Anti-68er-Partei“.6 Dass es den Rechtspopulisten um eine fundamentale Kehrtwende in der Politik geht, hat Jörg Meuthen 2016 auf dem Stuttgarter Programmparteitag der AfD erklärt: „Wir wollen weg vom links-rot-grün-versifften 68er-Deutschland und hin zu einem friedlichen, wehrhaften Nationalstaat“.7 Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat sich zwei Jahre später zu Wort gemeldet und gehofft, den längst abgefahrenen AfD-Zug einzuholen, indem er eine „Konservative Revolution“ forderte. Dobrindt beklagte wie die Neue Rechte eine „linke Meinungsvorherrschaft“ sowie „selbsternannte Volkserzieher“ in Politik und Medien, die eine „bürgerliche Mehrheit“ zu ertragen hätte.8


Ethnopluralismus – das Recht und die Pflicht zur Differenz in Chemnitz

Aktualisiert wird der völkische Kulturbegriff angesichts der globalen Wanderungs- und Fluchtbewegungen am Beispiel Chemnitz. Zur Vorgeschichte gehört, dass Gauland 2015 die Flüchtlingskrise in zynischer Weise als „Geschenk für uns“ wertete. In dieser Situation fällt die neurechte Propaganda vom „Recht auf Differenz“ auf fruchtbaren Boden. Verschieden zu sein, sei ein Schutzrecht für traditionelle Gesellschaften und gleichzeitig ein Abwehrrecht für Völker.

Unter Ethnopluralismus versteht die Neue Rechte das „Recht auf kulturelle Differenz“ von unterschiedlichen Ethnien und Nationen auf getrennten Territorien. Das demokratische Subjekt wird hier vom Volk und nicht von Individuen konstituiert. Diese Ideen von Alain de Benoist, die nicht direkt durch NS-Verbrechen belastet erscheinen, werden von der Neuen Rechten für ihre Politik der kulturellen Homogenität eingesetzt. Sie eignen sich, wie der Soziologe Roland Eckert bemerkt, zur Argumentation „gegen Einwanderung, ‚Vermassung‘, ‚Amerikanisierung‘“ und insbesondere gegen den Liberalismus und Individualismus in der Tradition der Menschenrechte.9 Bei dieser ethnopluralistischen Kulturtheorie standen Carl Schmitt mit seinem Freund-Feind-Theorem und Konrad Lorenz mit seiner Annahme eines Aggressionstriebes (ungefragt) Pate.


Chemnitz: Sonntag, 26. August 2018

Wer rassistische Hetze und Menschenjagden zu einem „Recht auf Differenz“ und zur „Notwehr“ erklärt, handelt nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern legitimiert gewalttätige Ausschreitungen und Hetzjagden gegen Menschen wie in Chemnitz. Wieder ein „Geschenk“ für die Neue Rechte? In Chemnitz geht es um mehr als um einen Toten. Die brutale Messerattacke ist für die Neue Rechte eine willkommene Gelegenheit, dem gesellschaftlichen Diskurs ihren Stempel aufzudrücken. Am Sonntag, den 26. August 2018, wurden in Chemnitz die „Feinde“ schnell benannt: Flüchtlinge, Ausländer und Angela Merkel. Seit Daniel H., ein Tischler mit kubanischen Wurzeln, eher links eingestellt, am Sonntagmorgen durch fünf Messerstiche starb, die Tatverdächtigen, zwei Asylbewerber, wovon einer mehrfach vorbestraft ist, in Haft sitzen, andere sich noch auf freiem Fuß befinden, ist Chemnitz zum Aufmarschgebiet der inzwischen gut vernetzen Neonazis, Rassisten sowie besorgten und verängstigten Bürger geworden. Nachdem der rechtsextreme militante Fußballclub Hooligan-Gruppe Kaotic Chemnitz und zuvor die AfD bei Facebook zu einer Versammlung um 16:30 Uhr „vorm Nischel“10 aufgerufen hatten, standen schnell 800 Neonazis zur Hassparade bereit und zogen durch die Innenstadt. Sie konnten für Stunden die Herrschaft über die Straße übernehmen und einige von ihnen Migranten und die, die so aussahen, jagen. Auch „besorgte Bürger“ ließen die Nazis gewähren oder klatschten. Die Menge skandierte: „Wir sind das Volk“, „Das ist unsere Stadt“ und „Das System ist am Ende, wir sind die Wende“, „Merkel muss weg!“. Die unterbesetzte und überraschte Polizei war oft hilflos und überfordert.


Chemnitz: Montag, 27. August 2018

Am Montag waren zu einem Protestmarsch von „Pro Chemnitz“, einer rechten Bürgerbewegung mit engen Verbindungen zur NPD und der örtlichen Hooligan-Szene, über 6.000 Rechtsextreme und gewaltbereite Hooligans aus Berlin, Brandenburg, Thüringen, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen angereist. An einer Gegendemonstration nahmen etwa 1.500 Menschen teil. „An der Magistrale, die den Namen Brückenschlag trägt“, notiert die Journalistin Ulrike Nimz, „stehen sich zwei Lager gegenüber, schreien sich Verwünschungen entgegen. Auf der einen Seite die Bürgerschaft mit Blechkuchen und Regenbogenfahne. Auf der anderen, am Fuße des Marx-Kopfes“, habe „sich alles eingefunden, was rechts ist: NPD, Dritter Weg, Hooligans, Pegida.“ Aber scheinbar auch „normale Bürger“. Es wirke „wie eine Aufstellung zum letzten Gefecht, Chemnitz, die geteilte Stadt."11 Rechte Demonstranten marschieren unbehelligt von der unterbesetzten Polizei durch die Stadt und setzen den Rechtsstaat außer Kraft. Erneut kommt es zu Gewalttaten, der Hitlergruß wird gezeigt. Wer den rechten Arm hebt, muss sich darüber im Klaren sein, was er damit zum Ausdruck bringt: dass er den industriell organisierten Massenmord an Millionen Menschen für einen Schritt in die richtige Richtung hält. Gut eine Woche nach den Ausschreitungen wird bekannt, so berichtet die Süddeutsche Zeitung, dass am Abend des 27. August das koschere Restaurant „Schalom“" von etwa einem Dutzend Menschen angegriffen worden sei. Die vermummten, schwarz gekleideten Täter hätten „Hau ab aus Deutschland, du Judensau“ gerufen.12


Götz Kubitschek zu Chemnitz: Mittwoch, 29. August 2018

Am Mittwoch, den 29. August, formuliert einer der Wortführer der Neuen Rechten, der Verleger Götz Kubitschek, auf seinem Blog Sezession unter der Überschrift „Chemnitz – zehn Punkte für die nächsten Tage“:

„1. Die Tat von Chemnitz und der als Reaktion darauf hochkochende Zorn haben den Riß zwischen Regierungshandeln und Volk, zwischen Realitätsverweigerung und gesundem Menschenverstand, zwischen Medienlügen und Augenzeugenberichten, zwischen Ost und West weiter vertieft. [...]“
„6. Was ist überhaupt passiert am Sonntag und am Montag in Chemnitz? Aus dem Büro Kohlmann heißt es:

Der Fall Chemnitz ist ein exemplarischer Fall, vor allem für die Funktionsweise der Medien in Deutschland. Selbst der unbelehrbarste Charakter kann daran studieren, daß die allermeisten Medien nicht mehr die Wahrheit schreiben oder senden: Es gab keine eindeutig belegbaren ‚Menschenjagden‘ am Sonntag. Keines der Videos läßt diesen Schluß zu. Es sind alles Vermutungen. Es gab so gut wie keine Übergriffe am Montag, und von denen, die es gab, kamen die allermeisten von links.“

Unter Punkt 7 zitiert Kubitschek weiter die Stellungnahme des Büros Kohlmann. Er bezeichnet sie als „klar und ausgereift“. Ihr Verfasser ist Martin Kohlmann, 41, Rechtsanwalt und Wortführer von „Pro Chemnitz“, Verteidiger der rechten Terrorgruppe Freital, der die Demonstration am Montag angemeldet hatte:

„Die Demo war die größte in Chemnitz seit 1989. Wir hoffen, dass jetzt genau die Stunde schlägt, die historische Umbruchstimmung einsetzt. Diese kann nur von Sachsen ausgehen. Wir wollen, dass das Thema der Asylbewerberkriminalität wahr- und ernstgenommen wird. Wir wollen, dass die Bürger ihr Recht auf Mitsprache einfordern. Alle merken, dass das Schlaraffenland dem Ende zugeht. Jetzt geht es um die Töpfe. Es geht um das Fremde und das Eigene. Wir wollen die Deutschen dazu ermuntern, das Eigene zu verteidigen, solange es noch möglich ist. Wir erleben in Chemnitz gerade eine historische Situation. Die Stadt ist voller Medienvertreter und Polizei. Wir wollen, dass die Deutschen den Unterschied zwischen (herrschendem) Parlamentarismus und (vorgespiegelter) Demokratie verstehen.“
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Jörg Meuthen zu Chemnitz: Mittwoch, 29.August 2018

Auch die AfD gab zu den Ereignissen eine Stellungnahme ab. Jörg Meuthen, ihr Bundessprecher, seit Ende 2017 Mitglied im EU-Parlament, erklärte in einer Video-Botschaft aus Brüssel unter der Überschrift „Hass der Linken auf Sachsen“, dass in den „deutschen Medien ein Ton über die Sachsen“ verbreitet werde, der „tief abstoßend, teilweise geradezu widerwärtig“ sei und der „an den Realitäten dieses bemerkenswerten Bundeslandes komplett“ vorbeigehe. Der „üble Salonbolschewist Jacob Augstein“ würde die „mutigen Bürger“ von Sachsen auf die „abscheulichste „Art und Weise beleidigen und schulmeistern“.

Augstein twitterte nach den Ereignisse in Chemnitz: „In Sachsen kann man den ganzen niedrigen Hass, der sich im Netz Bahn bricht, auf der Straße sehen. Die Videos aus Chemnitz zeigen sie, die dicken, stiernackigen Männer, die mit ihren Glatzen aussehen wie Pimmel mit Ohren – Pimmel mit Sonnenbrillen.“

Es stellte sich für Meuthen die Frage, ob nicht dieser Hass, „angesichts der Wortwahl“, nicht bereits in den Bereich eines psychopathologischen Befundes hineinreiche. Das Bild, „das weite Teile des linken Journalismus sich bemühten über Menschen in Sachsen zu verbreiten“, sei völlig falsch. „Die Menschen in Sachsen“ widersetzten sich „wie immer […] den katastrophalen Folgen der europäischen, speziell der deutschen Migrationspolitik unter Noch-Kanzlerin Angela Merkel, für die sie hier in Brüssel immer mehr Gegenwind“ ernte. Wenn Augstein schreibe, „Sachsen sei das neue deutsche Ungarn“, dann habe er nur „darin“ [...] „vielleicht nicht ganz unrecht“. Denn „das ungarische Volk“ habe eine deutlich mehrheitlich ablehnende Haltung zu der fatalen Politik der offenen Grenzen, wie es die Sachsen deutlich mehrheitlich auch hätten. Diese Politik müssten die Sachsen noch ertragen, eine Politik, die einen so grauenhaften Vorgang wie die Tötung eines noch jungen Mannes und die massivste Verletzung zweier weiterer in Chemnitz überhaupt erst möglich mache. Es sei kein Einzelfall. Dagegen stünden „Bürger von Sachsen“ auf, die „ihren beträchtlichen Mut“ nicht „zum ersten Mal beweisen“, und „fordern demonstrierend die Veränderung, die unser ganzes Land so bitter nötig“ habe. „Solange dies strikt friedlich und unter Wahrung unserer Gesetze“ geschehe, „deren Einhaltung seine Partei nicht müde“ werde „für alle Menschen einzufordern“, verdiene dies „nicht unsere Kritik, sondern unseren Respekt und Dank an die Bürger Sachsens für deren Einsatz für wahre Bürgergesellschaft und Demokratie.“14


Chemnitz: Samstag, 1. September 2018 – Schulterschluss von AfD, Pegida und Pro Chemnitz

Bei der AfD-Demonstration am 1. September 2018 gab es 18 Verletzte und 37 Straftaten; Reporter und eine SPD-Gruppe wurden angegriffen und überfallen, Polizisten von rechten Demonstranten beschimpft. Abseits der Demonstrationen wurde ein 20-jähriger Afghane von vier vermummten Menschen angegriffen und geschlagen, er erlitt leichte Verletzungen. Es waren diesmal 1.800 Beamte im Einsatz, die immer wieder massiv einschritten, um die Lager auseinanderzuhalten. Nach Polizeigaben nahmen etwa 8.000 Menschen an einem gemeinsamen Marsch von AfD und Pegida teil, dem sich auch Demonstranten der rechtsnationalen „Bürgerbewegung Pro Chemnitz“, die gute Kontakte zur NPD sowie zur militanten Naziszene pflegt, anschlossen. Der als „Trauermarsch für die Toten der Herrschaft des Unrechts“15 angekündigte Zug wurde angeführt von dem Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke und dem Pegida-Gründer Lutz Bachmann. Die Demo-Teilnehmer trugen mehrheitlich weiße Rosen – eine Provokation, gilt diese Blume doch als Symbol des Widerstands der Geschwister Scholl gegen die Nazi-Herrschaft. Deutlich wurde, dass die AfD, die in Sachsen die CDU bei der Bundestagswahl bereits als stärkste Kraft abgelöst hat, mehr will: Ihr Ziel ist die konservative bürgerliche Mitte. Und die ist unter den Demonstrationsteilnehmern auch vertreten.

Zeitgleich demonstrierten 4.000 Menschen für Frieden und gegen Ausländerfeindlichkeit. Zu der Gegendemonstration unter dem Motto „Herz statt Hetze“ bei der Johanniskirche war am Nachmittag neben Bundes- und Landespolitikern auch die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig gekommen. „Von Sachsen und Chemnitz muss heute die klare Botschaft ausgehen: Wir werden mit allen Mitteln des Rechtsstaates den rechten Hetzern entgegentreten“, sagte die SPD-Politikerin laut dpa.16

Aber an diesem Samstag, den 1. September, wurde ein Traum von Björn Höcke wahr: Die Vereinigung der immer noch nach außen bürgerlich erscheinenden AfD mit dem harten Hooligan-Spektrum. Jürgen Kasek, der zu Protesten am Samstag gegen die rechten Demonstrationen aufgerufen hatte, hält in einem taz-Interview die Vereinigung mit den Nazihooligans für ein strategisches Kalkül der AfD. Man habe „am Ende eine Partei, die offen in den Parlamenten gegen die Minderheiten“ hetze und „die auf der Straße von Schlägertrupps unterstützt“ werde. Beunruhigt habe ihn, „wie sich bürgerliche Menschen mit organisierten Neonazis und Hooligans offensiv aufeinander zu bewegen, zusammen stehen, keine Annäherungsprobleme und Zweifel“ hätten – „nicht einmal, wenn der Hitlergruß gezeigt“ werde. „Gemeinsam mit den Identitären und auch dem neurechten Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek“ steckten sie „den Rahmen“ ab. Dieser sehe vor, „die AfD halbwegs bürgerlich erscheinen zu lassen, aber auf der Straße alle anderen Spektren einzubeziehen.“17


Bewertungen der Ereignisse von AfD, CSU und FDP

Der AfD-Vorsitzende Gauland hat die Ausschreitungen in Chemnitz am 29. August verteidigt. „Wenn eine solche Tötungstat passiert, ist es normal, dass Menschen ausrasten“, sagte er der Tageszeitung Die Welt. Am gleichen Tag notierte Kubitschek auf seinem Blog: „In Chemnitz jedoch war der Grund so schwerwiegend, daß man jede andere Reaktion als unnormal bezeichnen müßte: Überfremdung ist immer eine Form von Gewalt. Was also ist eine Überfremdung, die mit einer weit überproportionalen Gewalttätigkeit durch die Fremden einhergeht?“18 Zehn Tage später äußerte sich auch Seehofer. Er verstehe, so der CSU-Politiker, „dass die Bevölkerung aufgewühlt ist, dass sie empört ist über dieses Verbrechen“. Das mache die Demonstrierenden aber noch lange nicht zu Nazis und dass er – wäre er nicht Minister – auch auf der Straße in Chemnitz demonstriert hätte. Mit Blick auf die AfD soll er nach Teilnehmerangaben gesagt haben, berichtet unter anderem die Süddeutsche Zeitung, die Migration sei „die Mutter aller Probleme“19 und meinte wohl Merkel, aber nicht den Krieg in Syrien und andere Fluchtursachen oder die rechtsextremen Provokationen, auch nicht die zu hohen Mieten, die soziale Schieflage oder den Klimawandel. Von Gauland und Christian Lindner bekam er in „der Analyse“ und „in Teilen recht.“


Die AfD will den Ausnahmezustand (nach Carl Schmitt)

Gauland sah auch keinen Anlass, sich von einem Tweet des AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier zu distanzieren. Dieser hatte geschrieben: „Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selber. Ganz einfach! Heute ist es Bürgerpflicht, die todbringende ‚Messermigration‘ zu stoppen!“ Gauland erklärte: „Selbstverteidigung ist mit Sicherheit nicht Selbstjustiz. Nichts anderes ist gemeint.“ Inzwischen distanzieren sich sächsische AfD-Abgeordnete von dem Tweet. Der Abgeordnete Jens Maier, vormals Richter in Dresden, sagte: „Wir sind da nicht besonders glücklich drüber.“ Die AfD sei eine „Rechtsstaatspartei“, die das Gewaltmonopol des Staates nicht infrage stelle. Die AfD-Fraktion Hochtaunuskreis, die am Montag schon die Systemfrage stellte, postete laut der Zeit aber auf Facebook: „Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser sowie die Pressehäuser gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt – darüber sollten die Medienvertreter hierzulande einmal nachdenken, denn wenn die Stimmung endgültig kippt, ist es zu spät.“ Der Beitrag wurde inzwischen gelöscht bzw. geändert.20 Der Deutsche Journalisten-Verband DJV nimmt das Posting zum Anlass, den Verfassungsschutz aufzufordern, die AfD künftig zu beobachten. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall bezeichnet es in der Frankfurter Rundschau als „bisherigen Gipfel an Journalistenhass und Widerwärtigkeit, der einmal mehr zeigt: Für die AfD sind wir Journalisten der Gegner.“21 Geht es nach Benjamin Jahn Zschocke, Sprecher und Fraktionsgeschäftsführer von „Pro Chemnitz“, die mit drei Sitzen im Stadtrat vertreten ist und die Versammlung am 27. August angemeldet hat, ist „Sachsen ein braunes Gallien“. Und er wird zitiert: Das Ende des Systems Merkel könne nur im Osten eingeläutet werden, das habe der Montag gezeigt, „als ganz normale Menschen“ auf die Straße gingen. „Genau wie damals, ʼ89.“22 Zschocke ist Mitbegründer der „Blauen Narzisse“ und hat für Kubitscheks „Sezession“ geschrieben, heute schreibt er für „Tumult“. Er sei gewiss „nicht rechtsextrem“, eher der „klassische Libertäre“.23


Ziel der Konservativen Revolution: Die Spaltung des bürgerlichen Regierungslagers

In der persönlichen Fragerunde mit Ministerpräsident Michael Kretschmer während der „Sachsen-Gespräche“ wurde nicht über rechtsradikale Hetze und Menschenjagden und deren Folgen für das Zusammenleben aller Menschen in Chemnitz und anderswo diskutiert, sondern über das, was viele der Anwesenden als die Ursache einer Tat wie die Tötung von Daniel H. ansahen: eine misslungene Einwanderungs- und Integrationspolitik.24 Ein solches Verbrechen rechtfertigt Angst, Sorge und vielleicht auch Wut, aber keinesfalls, es für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Der Tod von Daniel H. rechtfertigt weder menschenfeindliche Ausschreitungen, noch die Diskriminierung von Menschen, die „anders“ aussehen und auch nicht, dem Staat das „Gewaltmonopol“, wie Frohnmaier meint, streitig zu machen. Der Tod von Daniel H. rechtfertigt nicht, mit Neonazis in einer Reihe zu stehen und dann zu sagen: „Ich bin kein Nazi!“ Er erlaubt es nicht, den Rechtsextremismus kleinzureden, ihm mit einer mangelhaften Polizeitaktik entgegenzutreten und die Menschenjagden zu leugnen, wie es unter anderem Kretschmer tat: „Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd“. Merkel bekräftigte am Mittwoch, es habe aus Chemnitz Bilder gegeben, die „sehr klar Hass und damit auch die Verfolgung unschuldiger Menschen“ gezeigt hätten. Vor einigen Tagen hatte Merkel bereits mitgeteilt: „Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab, dass es Hass auf der Straße gab.“ Und der Innenminister? Erst schwieg er tagelang zur rechtsextremistischen Randale, äußerte dann Verständnis für „die Wut der Bürger“ und sprach einen Tag später dem Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen sein Vertrauen aus, nachdem dieser Zweifel an den Informationen über Hetzjagden während der Demonstrationen in Chemnitz äußerte, ohne dies belegen zu können. „Nach meiner vorsichtigen Bewertung“ so äußerte sich Maaßen, „sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken.“25 Indes bekräftigte Sachsens Vizeministerpräsident Martin Dulig (SPD), dass „Geflüchtete durch die Stadt getrieben wurden“. „Das ist passiert, das ist real. Und es ist beklemmend, weil man wirklich sieht, wie viel Hetze dabei ist und wie aus Hass auch Gewalt wird“, hob Dulig am Mittwochabend in der Sendung Stern TV hervor. „Man spürt richtig die Gewalt, die dort von den Leuten ausgegangen ist. Das betrifft Journalisten und Polizisten, aber auch viele Menschen, die als Fremde wahrgenommen oder so gesehen werden“, so Dulig weiter.26 Auch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden bestätigt nicht nur, dass es Ausschreitungen gegeben hat, sondern hat auch keine Zweifel an dem Video, das Maaßen bemängelt. Die sächsische Justiz ermittelt wegen der Übergriffe in Chemnitz in 120 Fällen. Es geht um Landfriedensbruch, Körperverletzung und das Zeigen des Hitlergrußes.27 „Für ein Fake spricht nichts“, schreibt die SZ vom 10. September. Noch am Montag, den 3. September, hätten alle 16 Landesämter für Verfassungsschutz in einer Telefonkonferenz, bei der Maaßen sich habe vertreten lassen, diese Auffassung geteilt. „Von Maaßens Statement in der Bild hinterher“ waren „die Teilnehmer überrascht“. Maaßen habe offenbar versucht, für das „Team Seehofer ein Tor zu schießen.“28 Seehofer macht dort weiter, wo er seit September 2015 begonnen und vor den Sommerferien aufgehört hat, mit dem Frontalangriff auf Merkels Integrität, Politik und Macht.

Kann man den Ereignissen in Chemnitz und Merkels Flüchtlingspolitik einen direkten kausalen Zusammenhang unterstellen? Steht die Kanzlerin dabei in der Haupt- und Mitverantwortung, wie die Neue Rechte gebetsmühlenartig behauptet und neuerdings auch der FDP-Vize Wolfgang Kubicki, oder sind diese Ereignisse nicht auf vielfältige Faktoren zurückzuführen, die es genauestens zu untersuchen gilt? Sind nicht die, die eine solche monokausale, schwer zu beweisende Deutung bevorzugen, der neurechten Propaganda, die in allen Medien seit Jahren verbreitet wird, auf den Leim gegangen? Kollektivschuldvorwürfe stehen in Widerspruch zum Strafrecht moderner Demokratien und zum Artikel 33 Genfer Abkommen IV, die grundsätzlich von der individuellen Verantwortlichkeit ausgehen. Nicht nur in Kriegen und bewaffneten Konflikten hat Kollektiv- und Sippenhaftung wiederholt zu Menschenrechtsverletzungen geführt, vor allem während des NS-Regimes. Warum wird die Tat eines Flüchtlings kollektiviert und mit mangelhafter Integration erklärt? Ein Flüchtling ist ein Mensch mit eigener Verantwortung. Sind denn alle Deutschen „integriert“, begehen sie keine Straftaten? In einem demokratischen Rechtsstaat macht es in Hinblick auf die rechtliche Beurteilung einer Straftat keinen Unterschied, ob ein Flüchtling einen Deutschen oder ob ein Deutscher einen Deutschen tötet.


Framing von Wirklichkeit: der Kampf um die Deutungshoheit

Was ist wahr, was ist objektiv oder gibt es nur „gefühlte Wahrheiten“? Sind Wahrheit und Objektivität dasselbe? Ist alles – Moral und Wissenschaft – relativ und nur eine Frage der Perspektive? Mit Kant wurde Objektivität zum ersten Leitprinzip der Philosophie und der Wissenschaften. Wer die rationalistische Objektivität infrage stellt, zweifelt an der Moderne. Die Idee der Objektivität wird von Karl Popper mit dem „sozialen Aspekt der Methode“ eng verbunden, also mit dem Umstand, dass die Objektivität der Zusammenarbeit vieler Wissenschaftler entspringt. Nur wenn eine öffentliche und freie Kritik möglich ist, kann es objektive Wissenschaft geben. Die „Unparteilichkeit des individuellen Wissenschaftlers ist, sofern sie existiert, das Ergebnis dieser sozial oder institutionell organisierten Objektivität der Wissenschaft“.29

„Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd!“ Mob oder nicht. Hetzjagd oder nicht. Es geht hier mehr als um Begriffe. Es geht um die Frage, wie wehrhaft sich unsere Demokratie gegenüber ihren Feinden erweist. Begriffe setzen der Wirklichkeit einen Deutungsrahmen, sie „rahmen“ die Wirklichkeit: „Ausländer“, „Flüchtlingskrise“, „Asylantenflut“, „Staatsversagen“, „Asyltourismus“, „Messer-Epidemie“, „Umvolkung“, „Lügenpresse“, „Euro-Rettungsschirm“, „Scheindemokratie“ oder „Merkeldiktatur“. Der inzwischen auch im Deutschen geläufige sprachwissenschaftliche Begriff dafür ist das „Framing“. Manche Politiker meinen, ihre Aufgabe bestehe allein darin, zu sagen, „was ist“. Dies unterstellt, dass es einen direkten Zugang zu dem gibt, was wir Wirklichkeit nennen. Wenn es allein um Fakten geht, trifft das zu. Sobald Fakten im Rahmen von naturwissenschaftlichen oder sozialen und politischen Sachverhalten einer Deutung unterzogen werden müssen, tritt Evidenz vor dem Streit um Interpretation zurück. Vordenkerin der Popularisierung des Erklärungsmodells des Framings ist die Kognitionsforscherin Elisabeth Wehling. Sie erforscht, wie Debatten durch das Setzen von Frames politisch gelenkt werden können. Bereits in den 1970er-Jahren entwickelte der Soziologe Erving Goffman die Grundlagen der Deutungsrahmenanalyse, indem er Wahrnehmungstheorien aus der Gestaltpsychologie übernahm. Auch der US-amerikanische Linguist George Lakoff hat dieses Konzept aufgegriffen und verweist auf die Bedeutung des „Framings“ für politische und weltanschauliche Überzeugungen.30

Verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel der Bezeichnung „Ausländer“. Der Lyriker und Essayist Max Czollek hat darauf hingewiesen31, dass der Begriff „eine ausschließende, distanzierende Funktion“ enthält: „Ich würde dagegen sagen, der rechte Mob attackiert ein Viertel der deutschen Bevölkerung.“ Dies sei „die ungefähre Zahl derjenigen, die einen sogenannten Migrationshintergrund“ hätten, stellt Czollek fest. „Angriffe auf ‚Ausländer‘“, das sei „ein Framing, das die Vorkommnisse von Chemnitz in einen gemeinsamen Rahmen mit den Redeweisen über die Pogrome von Rostock und Hoyerswerda in den Neunzigerjahren“ stelle. „Unterschwellig“ würden sie „damit auch eine Kontinuität der politischen Lösungen“ nahelegen: „die Verschärfung der Asylgesetze und eine Restriktion der Einwanderung von ‚Ausländern‘“. Seehofer hat seit Jahren an dieser Agenda kaum Zweifel gelassen. Seine Aussagen, wonach die Migration die Mutter aller politischen Probleme im Land und er „froh über jeden“ sei, „der bei uns in Deutschland straffällig wird und aus dem Ausland“ stamme, weil diese Menschen dann das Land verlassen müssten, zeigt, auch er will nicht, wie Gauland, dass wir es schaffen. Was völlig harmlos daherkommt ist das Wort „Integration“. Im Kontext des hier verwendeten Framings steht es nach Czollek für eine Pflicht zur Assimilation an eine als homogen gedachte Gesellschaft.


Die „Hetzmasse“ (Elias Canetti) als Opfer der Biedermänner und als Brandstifter

„Die ‚Hetzmasse‘ in Chemnitz“, notiert die Publizistin und Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels Carolin Emcke „brauchte auch nicht mehr als eine Aufforderung, wen es treffen sollte: Menschen, die als ‚Andere‘ konstruiert werden: das ‚Die‘, das nicht ‚Wir‘ sein darf. Menschen, die mal als ‚Ausländer‘, mal als ‚Migranten‘ tituliert werden, die aber in Wahrheit nichts anderes sind als Menschen, die durch den Blick der Hassenden rassifiziert werden. Menschen, die ausgeschlossen werden sollen aus der universalen Gemeinschaft derer, denen Menschenrechte zustehen.“32

Nur wenige der 243.521 Bürger aus Chemnitz (Stand 2015) haben mit Rechtsnationalisten und Neonazis demonstriert. Niemand hat behauptet, dass alle Chemnitzer Nazis sind, obgleich Vertreter der AfD nicht müde werden, genau dies der „Lügenpresse“ zu unterstellen. Aber sind Menschen, die mit Neonazis demonstrieren, ganz „normale, besorgte Bürger“? Jeder in der Chemnitzer Hetzmasse ist freiwillig hineingegangen, wollte teilhaben und hat moralische Schuld auf sich geladen. Manche wollten nur dabei sein, andere wollten jagen, manche zuschlagen. Auch die, meint Emcke, „die nicht selbst treffen konnten“, hätten sehen wollen, „wie das nächste Opfer von anderen getroffen“ werde. „Die Meute“ brauche „das Spektakel“ und „ein Publikum“, das vielleicht nicht mittue, „aber eine Arena“ biete, „in der es sich mächtig und gerecht fühlen lässt.“ Das Publikum, das nicht eingreife, spende „Anerkennung.“ Es legitimiere, so Emcke weiter, „die Jagd auf Menschen mit voyeuristischer Lust oder Gleichgültigkeit – und vermittelt den Opfern erneut ihre Wertlosigkeit.“33

Schuld ist immer ein individuelles Phänomen. Die kriminelle Schuld wird vor Gericht geahndet. Von der politischen und moralischen Schuld können sich mündige Bürger nicht freisprechen, wenn es zur Machterschleichung durch Usurpatoren oder zum Abfackeln von Flüchtlingsunterkünften kommt und sich Menschen mit Migrationshintergrund in Chemnitz und anderswo nicht mehr auf die Straße trauen. „Der Rassenwahn“, schreibt Harald Seubert, Philosoph und Religionswissenschaftler, „war von vornherein Aushebelung und Pervertierung von Moral. Wer ihm folgte, musste bei klarem Nachdenken wissen, dass er in eine außer- und antimoralische Gespenstergesellschaft eintrat, in eine dunkle Gegen-Moral aus den Quellen des Bösen, [...] Dass der Spuk zu einem deutschen Massenphänomen wurde, dass die Blasen nicht von selbst platzten, bleibt stets unheimlich.“34 Auch den „Mitläufern“ und den „besorgten Bürgern“ in Chemnitz ist, um ein Zitat von Ingeborg Bachmann zu aktualisieren, „die Wahrheit zumutbar“.

In ihrem mit dem deutschen Friedenspreis prämierten Buch „Gegen den Hass“ unterscheidet Emcke zwischen „berechtigter Sorge“, etwa über die „wachsende soziale Ungleichheit“, und pervertierter Sorge, die sich als „projektive Abscheu“ zeigt – „also die bloße Abwehr von anderen Menschen unter dem Vorwand, sich schützen zu müssen“.35 Diese Art Sorge ist keine Sorge im republikanischen Sinn. Sie ist vielmehr Ausdruck eines verdeckten Rassismus, wie sich dies in einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung bestätigt: „Die große Mehrheit der AfD-Anhänger tendiert ganz eindeutig zu menschenfeindlichen Einstellungen“.36 Emcke entlarvt diese pervertierte Sorge als „diskursiven Schild“, als Etikettenschwindel und als „unreflektiertes Gefühl“. Der besorgte Bürger wolle sich abschirmen, von allem, was sich politisch oder moralisch kritisieren ließe, als dürfe es keine Normen des Akzeptablen oder Inakzeptablen geben, die seine Egozentrik einschränken könnten. Wahr ist, was man fühlt und den ‚gesunden Menschenverstand‘ meint. Die Parole „Wir sind das Volk“ scheint dem „besorgten Bürger“ das Recht zu geben, sich über die Rechte des Rechtsstaates zu erheben und sein von den Vordenkern der Neuen Rechten verbürgtes „Recht auf Differenz“ wahrzunehmen. Kubitschek zitierte, siehe oben, in seinem Blog, worum es konkret geht: „Alle merken, dass das Schlaraffenland dem Ende zugeht. Jetzt geht es um die Töpfe. Es geht um das Fremde und das Eigene. Wir wollen die Deutschen dazu ermuntern, das Eigene zu verteidigen, solange es noch möglich ist.“37

Heribert Prantl notiert in seiner „politischen Wochenschau“ am 29. September: “[...] es gibt Leute in Sachsen, die den Hitlergruß für das sächsische ‚Grüß Gott‘ halten. Es gibt Leute in Sachsen, die ‚elendes Viehzeug‘ sagen, wenn sie von Flüchtlingen reden.“ Solche „Leute“ gibt es auch anderswo. Es gibt auch überall Menschen, die an Fakten nicht interessiert sind, die aber Gründe sehen, ihren Hass auf die Straße zu tragen: Prekarisierung, Unzufriedenheit mit dem Leben, Gefühl mangelnder Wertschätzung und Zurückgesetztheit gegenüber Fremden, Neid, Verteidigung von Besitzständen und Territorium, Angst vor der Zukunft, zu große Erwartungen in die Politik, Gefühl mangelnder Sicherheit und Kontrollverlust über das eigene Leben, aber auch politische Fehlentscheidungen. „Das ist die Stimmung“, schreibt Wolfram Ette, habilitierter Literaturwissenschaftler an der Technischen Universität Chemnitz „der man, latent oder offen, überall“ begegne; „dass sie sich nun in Chemnitz herauskristallisierte“, habe „vor allem den einen Grund, dass die neue Rechte, die sich zum Organ dieser Gefühle macht, in Sachsen mehr Entfaltungsspielraum als irgendwo anders bekommen“ habe.38


Neurechte Biedermänner

„Der Extremismus“, schreibt Emcke nach den Ereignissen in Chemnitz, „ist in die Nähe gerückt. Hass und Ressentiment mögen ausagiert werden von rechten Kadern und pathologischen Schlägern, die nicht einmal eine Ideologie brauchen. Aber Hass und Ressentiment“ würden „geschürt und normalisiert von vielen, die sich zur bürgerlichen Mitte zählen oder im Parlament sitzen.“ Es seien „Zulieferer des Hasses, die begründen“ wollten, „was sich nicht rechtfertigen“ lasse: „Verachtung für Menschen und den Rechtsstaat.“39 Die Vergiftung des Denkens und der massenhaft verbreitete Hass werden nach Überzeugung der Autorin „ideologisch geformt“ und gezüchtet, vor allem in und mithilfe der sogenannten sozialen Medien. Die These, Hass sei etwas Natürliches, lässt Emcke nicht gelten, es gebe Strukturen, die Hass und Gewalt erst ermöglichten. Hass werde gemacht wie Gewalt vorbereitet werde. Auch Cem Özdemir von den Grünen hat den Eindruck, dass in der öffentlichen Debatte viel zu oft der AfD-Wähler als der Kern des Problems dargestellt werde – dabei liege die eigentliche Gefahr in fremdenfeindlichen Funktionären wie Björn Höcke.40 Diese findet man nicht nur bei der AfD.


Der Vormarsch der Konservativen Revolution und die Spaltung des bürgerlichen Lagers in Nationalisten und Weltbürger

Seehofers Satz, „Die Migration ist die Mutter aller politischen Probleme“, trifft auf die auch medial erzeugte Stimmungslage in Deutschland zu. Sie macht die neue politische Konfliktlinie angesichts des Aufstiegs der Rechtsnationalen und des in der medialen Debatte immer wieder angenommenen Niedergangs des liberalen Westens deutlich und verläuft nicht mehr zwischen links und rechts, sondern zwischen den Befürwortern einer offenen Gesellschaft und den Anhängern einer nationalen Volksgemeinschaft, zwischen Weltbürgertum und Nationalismus und zwischen einer liberalen und einer autoritären Politik. Diese Konfliktlinie verläuft quer durch die Bevölkerung wie auch durch die Parteien und das Regierungslager, durch die Bundespolizei, einschließlich der obersten Verfassungsschutzbehörde. Auf der einen nationalistischen Seite stehen die Neuen Rechten mit einem erklärten Ziel: Hass säen, den Diskurs bestimmen, übermächtig erscheinen, die Gesellschaft spalten und den Ausnahmezustand herstellen, die „friedliche Revolution“ (Gauland).

Diese Taktik hat nicht allein in Chemnitz die erwünschten Früchte getragen. Es wurde nicht nur der Hass gegen Fremde und Bundeskanzlerin Merkel befeuert und so die Spaltung in der deutschen Bevölkerung weiter vertieft, sondern Menschen mit Migrationshintergrund in Angst und Schrecken versetzt. Das Ergebnis ist ein riesengroßer Kollateralschaden für die bisherigen Integrationsbemühungen, nicht nur der Menschen mit Migrationshintergrund. Wie sagte Gauland: „Wir wollen es gar nicht schaffen.“ Der AfD geht es nicht um konstruktive Kritik, sondern um die Sabotage der Politik der liberalen Mitte.


Säuberungsphantasien hochrangiger Vertreter der AfD

Dass Oppositionsparteien vom Sturz der jeweiligen Regierung träumen, gehört zum parlamentarischen System. Die AfD will aber eine andere Republik. Dass sie mit „dem System“ nicht zufrieden ist, machte Gauland in einem am Mittwoch, den 4. September in der FAZ erschienenen Interview deutlich. Die AfD wolle zwar die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht abschaffen. Aber das politische System müsse weg. Es gehe um „das System Merkel“. Zu diesem rechnet Gauland „eine Menge Leute in der CDU, die ihre Politik fortsetzen wollen“, aber auch „diejenigen, die die Politik mittragen“, das seien „auch Leute aus anderen Parteien und leider auch aus den Medien. Die möchte ich aus der Verantwortung vertreiben“. „Früher nannte man das Säuberung“, kommentiert Berthold Kohler (FAZ). „Schließlich“ behaupte Gauland, so Kohler weiter, „dass es einen politisch-medialen Komplex mit Merkel an der Spitze“ gebe, „der nichts mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu tun“ habe – „nur dann“ könne „man das eine beseitigen, ohne das andere anzutasten.“ Es handelt sich um eine Argumentation, die man auch von anderen Vertretern einer sogenannten illiberalen Demokratie, wie Recep Tayyip Erdoğan, Viktor Orbán, Lech Kaczyński oder Donald Trump, kennt. Gauland habe von einem „politischen System, das sich überholt“ habe, gesprochen. Schon die Nationalsozialisten sprachen vom „System“, von den Systemparteien, Systempolitikern, Systemjournalisten und auch von der „Lügenpresse“, gemeint war die erste deutsche Demokratie der Weimarer Republik. Die „Vertreibung“ aller aus Politik und Presse, die nach Meinung der AfD Merkels Politik „mittragen“, bezeichnet der AfD-Vorsitzende mit dem Begriff „friedliche Revolution.“41 Derartige Säuberungsphantasien sind in der AfD nicht neu und kein Spezifikum des von Gauland unterstützen völkischen Flügels. Schon am 29. Dezember 2017 twitterte der deutsche Offizier Uwe Junge, Mitglied des Landtags von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der AfD-Fraktion: „Der Tag wird kommen, an dem wir alle Ignoranten, Unterstützer, Beschwichtiger, Befürworter und Aktivisten der Willkommenskultur im Namen der unschuldigen Opfer zur Rechenschaft ziehen werden. Dafür lebe und arbeite ich. So wahr mir Gott helfe“.42

Franziska Schreiber, eine ehemalige AfD-Funktionärin, notiert in ihrem Buch „Inside AfD“ über diese: „Sie lehnt ‚das System‘ ab, und die maßgeblichen Führungsfiguren betreiben den Umsturz.“43 Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hat der Verfassungsschutz in Thüringen nun den dortigen Landesverband der AfD zum ‚Prüffall‘ erklärt. Das sei die Vorstufe zur Beobachtung, wird Thüringens Verfassungsschutz-Präsident Stephan Kramer zitiert. Damit sei Höcke angezählt. Der Verfassungsschutz verweise auf ein Buch, das Höcke im Juli unter dem Titel „Nie zweimal in denselben Fluss“ herausgebracht habe. Es sei ein Werk der Demokratieverachtung: Höcke gehe „darin mit Machiavelli und Polybios von einem Verfassungskreislauf aus“. Dabei spiele die dem Modell zugrundeliegende These vom Phänomen der Dekadenz die entscheidende Rolle: Der Verfall der Tugenden innerhalb der Stadtstaaten, etwa in Gestalt einer nachlassenden Orientierung am Gemeinwohl. Die Herrschaftsformen würden über ihre Verfallsformen zu neuen Herrschaftsformen führen: Alleinherrschaft, dann Herrschaft der Vielen, dann Herrschaft des Volkes, dann wieder Alleinherrschaft. Aktuell befinde sich Deutschland ‚im letzten Degenerationsstadium‘ der Demokratie. [...]“ Höcke antworte darauf auf Seite 286 mit Machiavelli: Nur ein uomo virtuoso könne „als alleiniger Inhaber der Staatsmacht ein zerrüttetes Gemeinwesen wieder in Ordnung bringen.“44

Ist das die „wahre Bürgergesellschaft und Demokratie“, die Meuthen sich vorstellt? Walter Reese-Schäfer, Politikwissenschaftler mit einem Lehrstuhl für politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Göttingen und seit Oktober 2013 Dekan der Göttinger Sozialwissenschaftlichen Fakultät, notiert dazu: „Polybios entwickelt nun etwas, was er für ein Naturgesetz für die Verfassungsentstehung und Verfassungsfolge hält. In Wirklichkeit handelt es sich um ein geschichtsphilosophisches Schema der zeitlichen Abfolge verschiedener Verfassungen [...]. Sie ist scharfsinnig gedacht [...]. Sie hat nur einen Nachteil: Sie ist empirisch falsch. Die Lehre ist nicht generalisierbar.“45 Im Unterschied zu Höcke dachte Polybios weiter. Um diesem Kreislauf zu entgehen und die politische Ordnung zu stabilisieren, plädierte Polybios wie schon Aristoteles für eine Mischverfassung zwischen Demokratie und Oligarchie46, die auch den späteren Vorstellungen der Theoretiker des Republikanismus entsprach und für die modere Demokratie wegweisend werden sollte. Und Machiavelli, der dem uomo virtuoso in seiner Schrift Il Principe politisches Machtkalkül und Skrupellosigkeit jenseits von Ethik und Moral zur Stabilisierung der Ordnung empfahl, schwärmte in den Discorsi von der Römischen Republik, der bürgerlicher Freiheit und dem Gemeinwohl als Garanten politischer Beständigkeit.


Demokratie und offene Gesellschaft verteidigen!

Eine lautstarke medienwirksame rechtsradikale Minderheit meint, den Willen „des Volkes“ zu repräsentieren. Das Ergebnis der Bundestagswahlen spricht eine andere Sprache, noch ist die Zivilgesellschaft größer als der Hass. chemnitz wir sind mehr Konzert flickr Auf dem „Wir-sind-mehr“-Konzert gegen rechte Hetze und Rassismus in Chemnitz am 3. September 2018, Foto: Stefan Müller, (flickr, Lizenz CC BY-NC-ND 2.0)Acht Tage nach den Ausschreitungen in Chemnitz hat sie reagiert: Mit einem Gratis-Konzert „Wir sind mehr“ – keine Gewalt, dafür Musik. Sie kamen von überall her, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Das Konzert begann mit einer Schweigeminute. Anwesend waren 65.000 junge Menschen, die ihre Zukunft noch vor sich haben. Sie wissen, dass sie etwas zu verlieren haben, wenn sie den Gegnern der offenen Gesellschaft das Feld überlassen. Emotionen waren schon einmal der Anfang eines großen jungen Aufbruchs für Frieden, Demokratie und Freiheit. 1968 gehörten die musikalische und die kulturelle Revolution zusammen wie Brüder und Schwestern. Nach dem Konzert wandte sich die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch auf Twitter an die Besucher und schrieb: „Ihr seid nicht mehr. Ihr seid Merkels Untertanen, ihr seid abscheulich – und ihr tanzt auf Gräbern.“ Dieser Tweet wiederum löste zahlreiche empörte Reaktionen aus. Wird hier wieder der Tod über die Freude am Leben gestellt? Anders als der freiheitlich und optimistisch gesinnte Mensch scheint der Rechtskonservative eher pessimistisch gestimmt. Fehlt ihm der Wille und der Mut, zum Leben „Ja“ zu sagen mit all seinen Widersprüchen und Schwierigkeiten und ihm immer wieder ein „Trotzdem“ abzuringen, um verborgene Möglichkeiten, Perspektiven und Kräfte zu erkennen? Woher kommt es, dass er nicht in der Lage ist, sich von der Lebensfreude und Offenheit der Jugend aus aller Welt anstecken zu lassen und in ihnen das universale Menschsein zu entdecken, das, trotz aller kulturellen Unterschiede und Schwierigkeiten, sichtbar ist? Dem Optimismus der Aufklärung setzen die Neuen Rechten Nietzsches Wille zur Macht entgegen.


Spaltprodukte der Neuen Rechten – Gefahren der Selbstzerstörung von Demokratie und Rechtsstaat

Es sei „nicht überraschend“, führt der Soziologe Sighard Neckel aus, „dass der Rechtspopulismus überall dort in den unteren Einkommensschichten Erfolge erzielt, wo er Migranten und Flüchtlinge zu unliebsamen Nutznießern staatlicher Wohlfahrt stilisiert und ihnen als leibhaftige Repräsentanten des weltweiten Wandels die Verwerfungen der Globalisierung als Sündenböcke anzudichten vermag“.47 Die „Unbeschützten“ (Peggy Noonan) aus Stadt und Land fühlen sich nicht gesehen. Ihre Kränkungen verwandeln sich in Wut und Rachegefühle gegen Minderheiten und sogar gegen „das System“, das diese Minderheiten angeblich bevorzuge. Diese Sichtweise wird nicht nur von der AfD, sondern auch von Vertretern anderer parlamentarischer Parteien, aktuell von der neuen Plattform „Aufstehen“, befeuert. Diese kritisiere, meint der Journalist Johannes Simon, unter Führung von Sahra Wagenknecht, Wolfgang Streeck und Bernd Stegemann, eine angebliche „Hypermoral“ der Mitte und der Eliten und kopiere damit rechtspopulistische Sprachmuster. Der Vorwurf, die liberalen Eliten würden in einem hypermoralischen Taumel Deutschland an die Wand fahren und jede Kritik daran als „böse“ diffamieren, gehört zur Standardrhetorik des Rechtspopulismus.48 Sie zielt direkt auf die Demontage von liberaler Demokratie und Rechtsstaat.

In diesem Kontext entdecken nun auch Linke die alte neurechte Kritik an der sogenannten Hypermoral des Liberalismus, einem Begriff, der von Arnold Gehlen in seinem 1969 erschienenen Buch „Moral und Hypermoral“ entwickelt wurde und sich gegen eine normative Ethik in Politik und Medien richtet, wie sie sich in den Menschenrechten ausdrückt. Der neurechte Vordenker Armin Mohler habe dies in einem Artikel der Zeitschrift Criticón, schreibt Karlheinz Weißmann in Sezession, „zu der Auffassung geführt, es handele sich bei Moral und Hypermoral um eine ‚Wegmarke‘“, und Criticón habe „über sehr lange Zeit die Funktion gehabt, der gehlenschen Rechten ein Forum zu bieten“.49 Längst gehört der Begriff zum ideologischen Arsenal der Neuen Rechten in ihrer Kritik am Liberalismus.

„Der antimoralistische Affekt der Rechtspopulisten“ sei, so Johannes Simon in der Zeit, „keine Reaktion auf den Hypermoralismus der Eliten, denn diesen gibt es überhaupt nicht.“ Was es durchaus gibt in unserer Gesellschaft, so seine Argumentation, ist ein Konsens über gewisse liberale Grundsätze. Zum Beispiel soll jeder Mensch vor Diskriminierung geschützt werden und möglichst gleiche Chancen erhalten, etwas aus seinem Leben zu machen. Auch allgemeine Menschenrechte und das grundsätzliche Recht, Asyl zu beantragen, gehören noch zu diesem gesellschaftlichen Übereinkommen.50 Gegenwärtig wird, so die Diagnose, im Namen sogenannter hart arbeitender Menschen die Revision dieses Universalismus vollzogen. Diejenigen, die auf die nationalistische Karte oder gar auf eine „konservative Revolution“ (AfD, Neue Rechte, CSU) setzen, behaupten, Einwanderung, Globalisierung, Klimaschutz, Identitätspolitik und der Liberalismus der 68er seien Ursprung allen Übels. Prominenter Gegner dieser Meinung ist der französische Soziologe und Philosoph Didier Eribon („Rückkehr nach Reims“, 2016). Er insistiert, man dürfe die Kämpfe der Identitätspolitik nicht dem sozialen und wirtschaftlichen Kampf entgegenstellen. Die Hauptgefahr für Demokratie und Rechtsstaat sei nicht der linke Liberalismus oder der Kapitalismus, sondern der rechtsnationale Fundamentalismus. Die nationale und soziale Fokussierung von „Aufstehen“ führt nach Michael Bittner auf die „schiefe Ebene der Volksgemeinschaft“. „Aufstehen“ habe – „wie Syriza in Griechenland und Fünf Sterne in Italien – das Potenzial, eines Tages mit einer rechtsnationalen Partei zu paktieren.“51


Abschied von der ethnischen Nation bei gleichzeitiger Gestaltung einer republikanischen Verfassungsnation – „Wir schaffen das!“

Rechte Gewalt in Hoyerswerda, Clausnitz, Heidenau und Chemnitz: Bei der Zahl der rechten Gewalttaten liegt Sachsen bundesweit weit vorn. Die Amadeu Antonio Stiftung und Pro Asyl dokumentieren für 2017 bundesweit 1.713 flüchtlingsfeindliche Straftaten.52 In Sachsen hatte der NSU sein Hauptquartier. „Viele Wissenschaftler meinen, der Rechtsextremismus habe sich seit Jahren in einigen Regionen längst etabliert. Der Rechtsextremismus-Experte David Begrich betont dabei die Bedeutung von gewaltsamen Aktionen – und beschreibt eine ‚Generation Hoyerswerda‘.53 Es sei „eine bittere Wahrheit, dass die Fundamente für den heutigen Rassismus und Rechtsextremismus von der ‚Generation Hoyerswerda‘ gelegt wurden“. Seit Mitte der 1990er-Jahre hätten sich in Ostdeutschland stabile und bis heute reproduzierende rechte Milieus entwickelt: „Wer vor mehr als 20 Jahren vor den Asylbewerberheimen randalierte und Migranten angriff, teilt die kollektive biographische Erfahrung, seinen rassistischen Auffassungen mittels Gewalt nicht nur Gehör verschafft, sondern vielerorts auch zum Durchbruch verholfen zu haben. Skepsis und Ablehnung gegenüber den Regularien und Instituten der Demokratie haben in dieser Generation zugenommen.“ Begrich warnt, all dies bleibe nicht ohne Folgen. Zwar seien die heute gut 40-jährigen nicht mehr als Gewaltakteure aktiv. „Aber als Eltern geben sie Einstellungen und Haltungen an jene Generation weiter, die nun auf der Straße handelt."54

Der Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler erklärt, warum die aktuellen Proteste in Chemnitz dennoch anders als damals sind. In Chemnitz seien verschiedene rechte Gruppierungen auf die Straße gegangen: von bekennenden Neonazis, die den Hitlergruß zeigten, über rechtsextreme Hooligans und Anhänger der Identitären Bewegung bis hin zu AfD-Anhängern und Bürgern, die sagten: „Ich bin nicht rechtsextrem, aber das, was die Merkel mit den Flüchtlingen macht, das kann so nicht weitergehen.“ In den 1990er-Jahren sei das anders gewesen: „Zwar“ habe „es auch damals rechte Mischmilieus“, gegeben, aber diese Gruppen seien „meist nicht zusammen, sondern getrennt voneinander auf die Straße gegangen.“ Ein wichtiger Grund für das nun gemeinsame Auftreten sei die AfD: Die Partei verharmlose „rassistisches und völkisch-nationalistisches Gedankengut“, indem sie behaupte, „es sei nicht rassistisch, sondern lediglich Ausdruck von Meinungsfreiheit.“ „Viele Leute“ würden dann denken, „es gehöre zum normalen Ton, sich so zu äußern.“ Die AfD sei „zum parteipolitischen Dach für Rechtsextremisten, Rechtspopulisten und sogenannte besorgte Bürger geworden.“ Darin sieht Häusler „eine neue und sehr gefährliche Entwicklung.“55

Der Politikwissenschaftler Dieter Oberndörfer, der vor 20 Jahren mit dem Historiker Klaus J. Bade den „Rat für Migration“ gründete, weist in der Süddeutschen Zeitung darauf hin, dass die deutsche Gesellschaft „unumkehrbar eine Einwanderungsgesellschaft geworden“ ist. Und kein „noch so rechtsradikaler Politiker in Deutschland, in Europa oder in den USA“ werde die demografisch gegebenen Veränderungen ihrer Bevölkerung verhindern“ können. „Streit und Spaltung“ könnten „die Rechten schaffen, einen ethnisch reinen Volkskörper nicht.“ Deutschland ist längst ein Zuwanderungsland. 2017 hat jeder vierte Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund, das sind fast 20 Millionen Menschen. Im öffentlichen Leben spielen sie aber kaum eine Rolle. Viele kommen aus EU-Staaten und anderen europäischen Ländern. Die Hälfte sind deutsche Staatsbürger, ein Drittel ist hier geboren. Auffällig sind die Unterschiede zwischen Ost und West: In Frankfurt, Augsburg und München liegt ihr Anteil bei fast 50 Prozent, in Dresden oder Leipzig bei knapp über zehn Prozent. „Heimat“, so Oberndörfer, „ist in modernen pluralistischen Gesellschaften individuell und vielfältig“; sie beziehe sich auf „sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen und Werte.“ Der Begriff „Heimat“ werde oft missbraucht, um „von echtem Bedarf abzulenken: Einkommen, Beschäftigung, bezahlbares Wohnen, Gesundheit“. In Chemnitz habe man sehen können, wie „Demagogen mit absurden Wahnideen viele Menschen gegen alle Wirklichkeit verhetzen können.“ Heimat ethnisch durchzusetzen, geht nur unter hohen menschlichen Kosten. Diese Revolution wäre nicht friedlich, sondern blutig. Aber Monokultur war vorgestern. Deutschland ist heute kosmopolitisch, was manche Menschen verunsichert, aber es ist eine Tatsache.

Die Globalisierung lässt die Bedeutung des Bezugsrahmens des Nationalstaates immer mehr in den Hintergrund treten. Am weitesten ist die Wirtschaft globalisiert. Noch kann man, trotz US-amerikanischem Protektionismus, von einem Weltwirtschaftssystem sprechen. Die anderen gesellschaftlichen Teilsysteme, internationale multilaterale Institutionen und Organisationen, befinden sich erst auf dem Weg zur Etablierung auf weltgesellschaftlicher Ebene. Das betrifft auch die Kultur und erzeugt Konflikte und Spannungen. Deutschland ist kosmopolitisch geworden. Was manche Menschen verunsichert, ist eine Tatsache, der man ins Gesicht schauen muss. Eine Festung Europa ist keine Alternative. Wir müssen Flucht und Migration auf der Basis des Asyl- und Völkerrechts gestalten, vor allem die Fluchtursachen bekämpfen. „Wir müssen uns“, fordert Oberndörfer, „von der ethnischen Nation verabschieden und einer republikanischen Verfassungsnation Gestalt geben.“ Bürger der Republik könnten „prinzipiell alle Menschen werden, die sich zur republikanischen Verfassung und ihren Werten bekennen.“ Das sei zwar rechtlich längst der Fall, aber in den „Köpfen vieler Menschen noch nicht angekommen.“56

Deutschland ist kulturell und religiös vielfältig. Migration nicht als soziale und politische Tatsache der globalisierten Welt zu begreifen, geht an der Realität vorbei. Es gibt das Versprechen auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, das Recht, „verschieden“ zu sein, das jedem Einzelnen, jeder Gemeinschaft und jeder Kultur laut Grundgesetz zugestanden wird. Das schließt auch vielfältige sexuelle Orientierungen ein. Menschen können in Gemeinschaften ihre Heimat finden und „Wurzeln“ schlagen, ob in Bayern oder Thüringen. Das steht nicht in Widerspruch zu den Menschenrechten. Diese bilden geradezu die rechtliche Grundlage für das Recht, von anderen verschieden zu sein. So können und werden sie auch von Minderheiten in Anspruch genommen werden. Ob links, liberal, konservativ, christlich oder grün. In dem demokratischen Projekt findet jeder seinen Platz. Konfliktreich wird dieses „Recht auf Ungleichheit“, wenn es nicht für Individuen, sondern für Gemeinschaften und Nationen gelten soll. Kollektive haben sich über die Zustimmung von Individuen zu legitimieren und nicht umgekehrt. „Das Recht auf kulturelle Differenz“, schreibt Roland Eckert, „ist nämlich nicht mehr gewährleistet, wenn aus ihm eine Pflicht zur Differenz abgeleitet wird und die Menschen dadurch zur Assimilation an eine Gemeinschaft gezwungen werden.“57 Auch Ehrenmorde sind Ausdruck eines verwandtschaftlichen Eigenrechts gegenüber den geltenden Menschenrechten. Das Recht auf Differenz muss von Individuen ausgeübt werden und nicht von Gemeinschaften oder Kollektiven. Diese Konsequenz des Ethnopluralismus ist, das zeigt auch Chemnitz, kein Gedankenspiel. Die Zivilgesellschaft in Deutschland ist stark, Demokratie fällt aber nicht vom Himmel, wir müssen dafür kämpfen und dafür, dass Deutschland nicht wieder in eine Barbarei zurückfällt. In Abwandlung des Satzes von Horst Seehofer könnte man sagen, nicht die Migration, sondern der Vormarsch des völkischen Denkens ist die Mutter vieler Probleme.

Seehofer scheint nur noch daran zu denken, wie er vor den Wahlen in Bayern der AfD Wähler abgewinnen kann, indem er Merkel und Andrea Nahles möglichst großen politischen Schaden zufügt. Maaßen muss nun zwar gehen, aber nicht in den Ruhestand. Zunächst sollte er zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium befördert werden und somit weiterhin entscheidenden Einfluss in Sicherheitsfragen haben. Diese Entscheidung ist revidiert worden, nun wird er bei gleichbleibender Besoldung Sonderberater im Innenministerium. Die Koalition ist durch den erzwungenen Kompromiss zunächst gerettet. Ihr Bestand scheint aber nur noch durch die Angst vor der AfD gewährleistet zu sein. Der Fall Maaßen hat aber nicht nur die Regierungskoalition, sondern auch die Demokratie weiter geschwächt. Während Martin Dulig (SPD) nach Information der Süddeutschen Zeitung das erste Verhandlungsergebnis „eine dreiste Lösung“ nennt, beklagt Alice Weidel (AfD), dass in Maaßen „der nächste kritische Kopf rasiert“ worden sei, der auf „die fatalen Folgen der Einwanderungspolitik“58 der Bundeskanzlerin aufmerksam gemacht habe.

Ob Deutschland sich an einer „Wegscheide“ befindet, ist Deutung, ist Framing. „Die sozialen Medien machen es“ nach Meinung von Heinrich Wefing „fast unmöglich, einigermaßen präzise zu sagen, wer im Moment den Diskurs“ beherrsche und die Begriffe setze. Vieles spreche dafür, „dass die Hegemoniefrage in Deutschland aktuell einfach offen ist.“ Dennoch gebe es „keinen Grund zur Entwarnung.“ Wenn „die liberale Mitte auch weiter“ standhaft bleibt, „wenn sie sich nicht hysterisieren“ lasse, sondern „gelassen auf die eigene Kraft“ vertraue, dann könne sie sich „den Polarisierern von rechts und von links entgegenstellen.“59

 

Anmerkung: Dieser Text ist ein leicht veränderter Auszug aus dem Buch des Autors mit dem Titel „Wohin geht unsere offene Gesellschaft? 1968 – Sein Erbe und seine Feinde“, Logos Verlag Berlin 2019.

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1 Johanna Dürrholz: „Chemnitz, was soll ich nur halten von dir?“, FAZ 09.09.2018, http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/nach-demos-und-protesten-was-soll-ich-von-dir-halten-chemnitz-15778341.html
2 Anna-Lena Ripperger: „Die alte Bundesrepublik ist vorbei“, FAZ 11.09.2018, http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/renate-kuenast-kann-horst-seehofer-nicht-mehr-ernst-nehmen-15781341.html
3 Ruth Wodak: Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse, Wien 2016, S. 18.
4 Ebd.
5 Heinrich Wefing: Haltet den Rand, Die Zeit Nr. 33, 08.08.2018, https://www.zeit.de/2018/33/hegemoniefrage-rechtsruck-afd-debatte-europa
6 Wolfgang Kraushaar: 1968. 100 Seiten, Stuttgart 2018. S. 18.
7 Jörg Meuthen: Rede auf dem AfD Parteitag in Stuttgart vom 30.04.2016.
8 Alexander Dobrindt: „Wir brauchen eine bürgerlich-konservative Wende“, 04.01.2018, https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus172133774/Warum-wir-nach-den-68ern-eine-buergerlich-konservative-Wende-brauchen.html
9 Roland Eckert: Kulturelle Homogenität und aggressive Intoleranz. Eine Kritik der Neuen Rechten, Aus Politik und Zeitgeschichte 44/2010; bpb, 28.10.2010, http://www.bpb.de/apuz/32421/kulturelle-homogenitaet-und-aggressive-intoleranz-eine-kritik-der-neuen-rechten?p=all
10 siehe https://www.watson.de/sport/interview/204855438--kaotic-das-sind-die-rechten-ultras-die-zum-aufmarsch-in-chemnitz-aufriefen
11 Ulrike Nimz: “Der sächsische Staat ist handlungsfähig“, SZ 29.08.2018, S. 2.
12 SZ: 08.09.2018: Landeskriminalamt ermittelt wegen antisemitischen Angriffs in Chemnitz, https://www.sueddeutsche.de/politik/sachsen-medienbericht-auch-angriff-auf-juedisches-restaurant-in-chemnitz-1.4121891
13 Götz Kubitschek: Chemnitz – zehn Punkte für die nächsten Tage, 29. August 2018,
https://sezession.de/59342/chemnitz-zehn-punkte-fuer-die-naechsten-tage
14 Jörg Meuthen: Der Hass der Linken auf die Sachsen, https://www.afd.de/
15 Iris Mayer: Die lautstarke Minderheit, SZ, 03.09.2018, S. 5.
16 Dpa: Tausende bei Protesten gegen rechts und gegen Flüchtlinge, 01.09.2018, https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/brennpunkte_nt/article181385392/Tausende-bei-Protesten-gegen-Rechts-und-gegen-Fluechtlinge.html
17 Christian Jacob: Interview mit Jürgen Kasek: „Höckes Traum ist aufgegangen“, 02.09.2018, http://www.taz.de/Anwalt-ueber-Demos-in-Chemnitz/!5532742/
18 Götz Kubitschek: a.a.O.(siehe FN 13)
19 Horst Seehofer: Als Innenminister unhaltbar, SZ 06.09.2018, https://www.sueddeutsche.de/politik/seehofer-kritik-1.4118914
20 Zeit Online: Chemnitz. Alexander Gauland bezeichnet Übergriffe in Chemnitz als normal, 29.08.2018, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-08/chemnitz-alexander-gauland-ausschreitungen
21 Sonja Thomaser: AfD warnt vor Sturm auf die Pressehäuser, FR, 29.08.2018.
22 Ulrike Nimz: Kapitalfehler, SZ 1./2. September 2018, S. 3.
23 Ebd.
24 https://www.n-tv.de/politik/Dialog-mit-einer-gespaltenen-Stadt-article20600084.html
25 dpa: SZ Seehofer: „Maaßen hat mein volles Vertrauen“, SZ 07.08.2018, https://www.sueddeutsche.de/politik/ausschreitungen-in-chemnitz-seehofer-herr-maassen-hat-mein-volles-vertrauen-1.4120315
26 Martin Dulig: dpa: Horst Seehofer äußert Verständnis für Demonstranten, SZ, 06.09.2018, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/bundesinnenminister-horst-seehofer
27 SZ: Viele Ermittlungsverfahren nach Ausschreitungen von Chemnitz, 06.09.2018, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-09/generalstaatsanwaltschaft-dresden-ermittlungsverfahren-chemnitz
28 Ronen Steinke: Ich weiß etwas, was Du nicht weißt, SZ 10.09.2018, S. 2.
29 Karl R. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. 2., München 1980, S. 270.
30 Houssam Hamade/Viola Nordsieck: Jedes Wort setzt einen Rahmen, SZ 11.09.2015, https://www.zeit.de/kultur/2018-09/framing-deutung-hetzjagd-chemnitz-hans-georg-maassen
31 Max Czollek: Wer überrascht ist, hebe den rechten Arm, SZ 03.09.2018, https://www.zeit.de/kultur/2018-09/chemnitz-rechtsextremismus-rechtes-denken-deutschland
32 Carolin Emcke: Der Extremismus ist in die Nähe gerückt, SZ, 31.08.2018, https://www.sueddeutsche.de/politik/ausschreitungen-in-chemnitz-der-extremismus-ist-in-die-naehe-gerueckt-1.4111911
33 Ebenda.
34 Harald Seubert: Das Elend des deutschen Konservatismus, in: Aufklärung und Kritik, 1/2018, Nürnberg S. 114.
35 Carolin Emcke: Gegen den Hass, Frankfurt a. M. 2016
36 Studie: Gespaltene Mitte – feindselige Zustände. Rechtextremistische Einstellungen in Deutschland, Friedrich-Ebert-Stiftung, https://www.fes.de/gespaltene-mitte-rechtsextreme-einstellungen-2016/
37 Götz Kubitschek: a.a.O. (siehe FN 13)
38 Wolfram Ette: Eine Macht, kein reiner Mob, Der Freitag, 35/2018, https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/eine-macht-kein-reiner-mob
39 Carolin Emcke: a.a.O. (siehe FN 32)
40 Lara Marie Müller: Die Spaltung liegt in Chemnitz in der Luft, 02.09.2018, https://www.welt.de/politik/deutschland/article181391726/Demonstrationen-Die-Spaltung-liegt-in-Chemnitz-in-der-Luft.html
41 Berthold Kohler: Phantasien der AfD: Früher nannte man das Säuberung, FAZ
05.09.2018 http://www.faz.net/aktuell/politik/afd-phantasien-von-alexander-gauland-man-nannte-es-saeuberung-15773410.html?GEPC=s5
42 Uwe Junge, MdL, @Uwe_Junge_MdL, Twitter.com/RLP_AfD/status... 23.24.-29.Dez. 2017.
43 Zit. bei: Detlef Esslinger: Systemfeinde, SZ 03.09.2018, S. 4.
44 Sebastian Pittelkow, Katja Riedel und Ronen Steinke: Verfassungsschutz überprüft die Thüringer AfD, 06.09.2018, https://www.sueddeutsche.de/politik/afd-thueringen-verfassungsschutz-1.4119095
45 Walter Reese-Schäfer: Antike politische Philosophie zur Einführung, Hamburg 1998, S. 147 ff.
46 Polybios, Hostorien 6, 1 ff.; zit. nach: W Lautermann/M. Schlenke (Hrsg.), Geschichte in Quellen, Altertum, München1989, S. 417 ff.
47 Sighard Neckel: Populismus. Aus Scham wird Rache. Universität Hamburg, https://www.wiso.uni-hamburg.de/.../neckel/.../neckel-aus-scham-wird-rache-sz-22-11...
48 Johannes Simon: Die eigenen Privilegien stressfrei genießen, Die Zeit 08.09.2018, https://www.zeit.de/kultur/2018-09/sammlungsbewegung-aufstehen-sahra-wagenknecht-bernd-stegemann-moral-rhetorik
49 Karlheinz Weißmann: Moral und Hypermoral – Gehlens politische Wirkung, Sezession 4/2004, https://sezession.de/7647/moral-und-hypermoral-gehlens-politische-wirkung
50 Johannes Simon: a.a.O. (siehe FN 46)
51 Michael Bittner: „Warum ich bei ‚Aufstehen‘ nicht mitmache.“ – Eine Absage von links, Zentrum liberale Moderne, 04.09.2018, https://libmod.de/michael-bittner-warum-ich-bei-aufstehen-nicht-mitmache-eine-absage-von-links/
52 Gewalt gegen Flüchtlinge 2017, Amadeo Antonio Stiftung, https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/aktuelles/2017/gewalt-gegen-fluechtlinge-2017-bundesweit-kein-grund-zur-entwarnung/
53 Patrick Gensing: Sachsen. Hochburg des Rechtsextremismus, ARD, 28.08.2018, http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/rechtsextremismus-sachsen-101.html
54 David Begrich: „Wir sind das Pack“: Von Hoyerswerda nach Heidenau, Blätter für deutsche und internationale Politik, Oktober 2015, https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2015/oktober/%C2%BBwir-sind-das-pack%C2%AB-von-hoyerswerda-nach-heidenau
55 Alexander Häusler: „Es gibt viele Parallelen zu den 90er Jahren", Mediendienst Integration, 07.09.2018, https://mediendienst-integration.de/artikel/interview-alexander-haeusler-chemnitz-rechtsextremismus-90er-jahre.html
56 Dieter Oberndörfer: Monokultur war gestern, SZ 07.09.2018, S. 2
57 Roland Eckert: a.a.O. (siehe FN 9)
58 Robert Rossmann/Mike Szymanski: “Es ist eine Frechheit“, SZ 19.09.2018, S. 2
59 Heinrich Wefing a.a.O. (siehe FN 5)

 

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