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Alan I. Abramowitz: The Great Alignment. Race, Party Transformation, and the Rise of Donald Trump

03.12.2018
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Autorenprofil
Vincent Wolff, M.P.P.
Yale, Yale University Press 2018

Die Zuspitzung. Was Donald Trump zum Aufstieg verholfen hat

„The famous remark [...] that all politics is local has been turned on its head” (118) – der US-amerikanische Politikwissenschaftler Alan I. Abramowitz erklärt die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten als Teil einer größeren politischen, kulturellen und sozialen Entwicklung in den Vereinigten Staaten. Anhand von Langzeitstudien wird sowohl das Erstarken der Republikaner als auch die Polarisierung der politischen Eliten erläutert. Abramowitz‘ Ansatz ist dabei keinesfalls neu, die Erläuterungen eines Cultural War und von weißer Zurückweisung schwarzer Gleichberechtigung haben sich bereits in den vergangenen beiden Jahren zunehmend als Erklärungsmuster durchgesetzt. Das Buch erhält seinen Mehrwert durch die Analyse zugrundeliegender Entwicklungen, zur Stärkung der Polarisierungsthese zieht der Autor die Erhebungen der American National Election Studies (ANES) heran – dies schwächt sein Werk allerdings aufgrund methodischer Probleme.

Zurecht weist Abramowitz bei der Einordnung der Wahl Trumps darauf hin, dass die Präsidentschaftswahl von 2016 klassischen Mustern folgte: Demokraten wählten Clinton, Republikaner bevorzugten an der Wahlurne Trump. Diesem Argument hängt Abramowitz komplett an und unterschlägt so den nicht unerheblichen und wissenschaftlich interessanten Teil der Wähler, die zuerst Barack Obama und anschließend Donald Trump gewählt haben. Der Autor schlägt sich subtil auf die demokratische Seite, was den wissenschaftlichen Wert des Buches schmälert. Zwar weist er zurecht darauf hin, dass Trumps Kampagne einen harten Anti-Clinton-Wahlkampf fuhr, verschweigt allerdings, dass dies auf demokratischer Seite gegenüber dem Gegenkandidaten nicht anders gehandhabt wurde. Auch werden die Argumente von Trumps Wählerschaft als irrational von der Hand gewiesen, was Abramowitz‘ politischer Überzeugung entspricht. Allerdings sind einige genannte politische Emotionen wie die Furcht vor islamistischen Terroranschlägen keine reinen Einbildungen, sondern eine reale Gefahr. Die Tatsache, dass die demokratische Basis in den vergangenen 50 Jahren politisch weiter nach links als die republikanische Basis nach rechts gewandert ist (im Gegensatz zu gewählten Parteivertretern allerdings), findet sich nur in einem Nebensatz auf Seite 109. Die demokratische Wählerschaft wird idealisiert dargestellt, während die Republikaner als staatsfeindlich umschrieben werden.

Abramowitz‘ zentrale These ist, dass eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft zu den heutigen Entwicklungen führt, was auf die Polarisierung von politischen Themen zurückverweise. Er widerspricht damit auch der Studie von Morris Fiorina, in der der Anstieg der Anzahl unabhängiger Kandidaten bei gleichem Rückgang der offiziellen Parteibindung als eine Depolarisierung interpretiert wird. Abramowitz verweist dagegen auf stabile Wahlmuster und die Polarisierung selbst unabhängiger Politiker. Hier liegt der einzige bedeutende methodische Fehler: Aktuelle Studien zeigen, dass politisch polarisierte Menschen eher einer Fragebogen-Erhebung zustimmen als unpolitische Menschen. Dadurch ist das Sample jeder Umfrage bereits im Vorfeld verzerrt. Außerdem ist die Aussagekraft der Wähler in einem Land mit durchschnittlich 50 Prozent Wahlbeteiligung ebenfalls zweifelhaft. Das bedeutet freilich nicht, dass sich die Bevölkerung depolarisiert. Richtig ist: Wir wissen es nicht.

Der historische Abriss stärkt hingegen das Werk. Die lange Dominanz der Demokratischen Partei im Kongress – für über vierzig Jahre im Repräsentantenhaus und fast eben solange im Senat – sowie die landesweite Popularität sind heute oftmals vergessen. Geändert hatte sich diese aus Abramowitz‘ Sicht mit Lyndon B. Johnsons Wahl zum Präsidenten und dem Vorantreiben der Bürgerrechte schwarzer US-Amerikaner. Die Unterzeichnung des Civil Rights Act von 1964 markiere das Ende der demokratischen Stärke im Süden und ziehe sich bis heute als definierendes Element durch die gegenwärtige politische Lage der Vereinigten Staaten. Dies führe zu einer politischen Polarisierung im Wahlverhalten und weniger Stimmen-Splitting als in den 1960er- und 1970er-Jahren. Wer nun Republikaner sei, wähle nicht nur den Präsidenten, sondern auf allen Ebenen republikanisch. Die Strategie, jede Wahl zu einer Präsidentenwahl zu machen, sei die Strategie von Newt Gingrich im Jahr 1994 gewesen – und habe die Republikaner landesweit gestärkt.

Die Unfähigkeit der Demokraten, die letzte Präsidentenwahl zu gewinnen, schreibt Abramowitz der Schwäche zu, Wählergruppen zusammenzubringen – und übersieht dabei einen Kernpunkt seiner eigenen These. Denn wie Drew Westen bereits vor zehn Jahren in seinem Hauptwerk „The Political Brain“ darlegte, kamen die demokratischen Wahlsieger der vergangenen Jahrzehnte (Johnson, Carter, Clinton) fast alle aus den Südstaaten und die Wahlverlierer (Dukakis, Mondale, Gore, Kerry) aus den liberalen Bundesstaaten.

Prinzipiell ist das Buch etwas für Datenliebhaber – so wird eindrucksvoll belegt, dass Wahlveranstaltungen von Politikern kaum das Wahlergebnis beeinflussen. Die knapp 200 Seiten umfassen gefühlt mehr Zahlen als Text und zusätzlich werden alle Zahlen noch grafisch dargestellt. Im Anhang hätten diese Darstellungen vermutlich mehr Sinn ergeben und den Lesefluss weniger unterbrochen. Der Verweis auf eine einzige Studie durch das ganze Buch hindurch schafft eine methodische Abhängigkeit, von der sich die Grundthese nicht erholt. Der Analyseteil erstreckt sich zudem über drei Viertel des Werkes, Zusammenfassung und Ausblick fallen jeweils sehr kurz aus. Auch das wortgleiche Kopieren von Passagen der Einleitung in den Schlussteil lassen stellenweise an der Sorgfalt des Autors zweifeln. Dennoch hat Abramowitz ein wichtiges Buch für all jene verfasst, die die gesellschaftlichen Veränderungen in den Vereinigten Staaten in ihrer Tiefe verstehen möchten.

 

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