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Das Ende der liberalen Demokratie (?) Aktuelle Entwicklungen in Ostmitteleuropa

27.10.2017
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Natalie Wohlleben, Dipl.-Politologin

Freuds SofaNach Krieg, Diktatur, Systemumbruch: Eine Region auf der Couch. Das Geburtshaus von Sigmund Freud im mährischen Freiberg, heute Přibor. Foto: Natalie WohllebenMit der großen Flüchtlingsbewegung in Richtung Europa war der Bruch endgültig nicht mehr zu übersehen: Die Aufforderung der westeuropäischen Staaten – und Geberländer innerhalb der EU – an diejenigen in Ostmitteleuropa – die substanziell von Transferleistungen profitieren –, auch Flüchtlinge aufzunehmen und damit den westlichen Partnern zur Seite zu stehen, traf auf Abwehr. Damit zeige sich eine demonstrative moralische Verantwortungslosigkeit, wie Helmut Fehr in seiner Analyse „In geschlossener Gesellschaft“ schreibt. Von der Rückkehr nach Europa und zu seinen Werten, 1989 das Ziel dieser ostmitteleuropäischen Staaten, sei nichts übriggeblieben. Vorausgegangen waren in Warschau und Budapest Regierungsübernahmen durch Rechtspopulisten und Rechtskonservative, die durch Eingriffe in die Unabhängigkeit von Justiz und Medien darauf zielen, die liberale Demokratie zu demontieren. Die Entwicklung wird in ausgewählten Analysen gespiegelt, diese sind in absteigender Chronologie sortiert. Neben Polen und Ungarn bildet dabei Tschechien einen weiteren Schwerpunkt: Der Wahlerfolg des Populisten Andrej Babiš wirft Fragen zur weiteren politischen Entwicklung des Landes auf. Der Betrachtungszeitraum reicht bis Herbst 2018.
 

Irene Hahn-Fuhr
Die Ergebnisse der polnischen Kommunal- und Regionalwahlen
Heinrich-Böll-Stiftung, 26. Oktober 2018

„Am 21. Oktober 2018 fand in Polen die erste Runde der Kommunal- und Regionalwahlen statt. Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter Führung von Jarosław Kaczyński hat vor allem in den 16 Regionalparlamenten (sog. Woiwodschaftstage) gemäß dem allgemeinen landesweiten Trend mit 34,3 Prozent das beste Ergebnis erzielt und wird in sechs der 16 Regionen direkt regieren können. Allerdings hat sie damit ihr selbstgestecktes Ziel nicht erreicht, ein Erdrutschsieg und die Übernahme einer Mehrheit der Regionen über ihre Bastionen im Osten und Süden des Landes hinaus bleibt auch wegen der geringen Koalitionsfähigkeit der PiS aus.“ (Textauszug)

Ivan Krastev
Eastern Europe's Dangerous Authoritarian Trend
Foreign Affairs, Mai/Juni 2018

Der bulgarische Politologe Ivan Krastev erhellt die sich überlappenden Entwicklungen, die in Osteuropa zu einer nationalen Revolte gegen den Liberalismus geführt haben. Im Hintergrund steht dabei die These von Samuel Huntington, dass es dann zu einer dritten Gegenbewegung gegen die Demokratisierung der Welt kommen wird, wenn die USA ihre Führungsrolle und Vorbildcharakter verlieren. Eine besonders alarmierende Entwicklung sei derzeit im Herzen Osteuropas, in Ungarn und Polen, zu beobachten. Krastev zeigt, dass das Diktum Viktor Orbans, wonach eine Demokratie nicht zwangsläufig eine liberale sein müsse, seine Wurzeln in der spezifischen Natur der Revolutionen von 1989 hat – deren Ziel kein Utopia gewesen sei, sondern die Normalität. Nach dem Fall der Mauer seien vor allem diejenigen, die gut ausgebildet gewesen seien, in den Westen gegangen, während der Westen in Gestalt internationaler Akteure aus der EU und den USA in den Osten gekommen sei, als personifizierter Liberalismus. Und alle enttäuschten Erwartungen machten sich nun an diesem fest. So erscheint es nicht zufällig, dass Orban 2010 gewählt wurde, nachdem im Jahr zuvor die ungarische Wirtschaft um 6,6 Prozent geschrumpft ist. Nach Ansicht von Krastev gilt für andere Länder dieses Erklärungsmuster nicht in gleicher Weise, in Polen hat demnach (auch) die Angst vor Russland dazu geführt, dass eine sich selbst als stark darstellende Führung Zustimmung gefunden hat. Aber überall habe sich ein „paranoider Politikstil“ (Richard Hofstadter) etabliert, angereichert durch Verschwörungstheorien und ein striktes Freund-Feind-Denken sowie geprägt durch ein ambivalentes Verhältnis zur EU und die Ablehnung einer Hilfe für Flüchtlinge.

Ellen Bos
Mit der Mehrheit zur Mehrheit. Die Parlamentswahl in Ungarn 2018
Osteuropa 3-5/2018, S. 215-228

„In Ungarn hat das Parteienbündnis Fidesz-KDNP im April 2018 zum dritten Mal die Parlamentswahlen gewonnen. Besonders erfolgreich war Viktor Orbáns Partei auf dem Land, die Oppositionsparteien haben sich durch Uneinigkeit selbst geschwächt. Internationale Beobachter erklärten, die Regierung habe im Wahlkampf administrative Ressourcen missbraucht und die Grenze zwischen Staat und Partei verwischt. Das Wahlsystem, dessen mehrheitsbildende Wirkung Fidesz-KDNP 2014 verstärkt hat, sorgte erneut dafür, dass die Regierung unter Orbán über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügt. Sie sieht sich ermächtigt, ihre antipluralistische Politik fortzusetzen.“ (Abstract)

Silviu Mihai
Die „moralische Revolution“ des Viktor Orbán
Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2018

„Viktor Orbáns Fidesz erhielt gut 48 Prozent der Stimmen, was im derzeitigen, von der Regierungspartei jüngst reformierten ungarischen Wahlsystem für eine komfortable Zweidrittelmehrheit im Parlament reicht – und damit auch für die nötige Mehrheit bei Verfassungsänderungen. […] Nach seinem Wahlsieg droht Orbán nun nicht nur seine autoritäre Politik im Innern weiter zu vertiefen – auf Kosten von Oppositionellen, der Zivilgesellschaft und vor allem der Migranten. Er wird auch seine sogenannte moralische Revolution weiter vorantreiben, die sich im Kern gegen die Ärmsten innerhalb Ungarns richtet, aber nach dem Willen Orbáns auf ganz Europa ausstrahlen soll.“ Armut gelte in den Augen der Regierung als moralisches Versagen, was sich unter anderem an der Kriminalisierung der Obdachlosigkeit zeige. Einer der Kernaspekte der angestrebten illiberalen Ordnung sei zudem der „‚arbeitsbasierte‘ Staat“, der den sozialen Wohlfahrtsstaat ersetzen solle. „Damit rechtfertigte der offizielle ungarische Diskurs in erster Linie die massive Einschränkung des Streikrechts, des Kündigungsschutzes und weiterer arbeitsrechtlicher Garantien sowie den Umgang mit den Arbeitslosen, die seit einigen Jahren im Rahmen von staatlichen Programmen teilweise unter zwangsarbeitsähnlichen Bedingungen diszipliniert werden.“


Patrick Kingsley / Benjamin Novak
An Economic Miracle in Hungary, or Just a Mirage?
The New York Times, 3. April 2018

Die Autoren prüfen, welche Substanz die auf den ersten Blick gute wirtschaftliche Entwicklung unter der Regierung von Viktor Orbán hat. Tatsächlich sei die Verschuldung gesunken und die Einkommen seien gestiegen. Aber die Gesundheitsversorgung habe sich im europäischen Vergleich verschlechtert, ebenso das Bildungssystem. Als bedenklich wird außerdem geschildert, dass sich unter Orbán die Korruption deutlich ausgeweitet habe: „During Mr. Orban’s first six years in power, five of his closest friends were awarded roughly 5 percent of public procurement contracts, a total of $2.5 billion, according to an analysis by the Corruption Research Center Budapest.” Als ein zentraler negativer Faktor in dieser wirtschaftspolitischen Zwischenbilanz wird außerdem die Situation auf dem Arbeitsmarkt herausgestellt: So hätten 2017 mehr als 200.000 Menschen am staatlichen Beschäftigungsprogramm teilgenommen (und damit vier Prozent der Erwerbsbevölkerung), die Arbeitslosenquote sei wahrscheinlich doppelt so hoch wie offiziell angegeben und schätzungsweise 350.000 Ungarinnen und Ungarn hätten nur in anderen EU-Ländern eine Arbeit gefunden.


Jan Niklas Engels
Der sichere Sieger wird nervös. Warum die Wahlen in Ungarn noch nicht entschieden sind
Friedrich-Ebert-Stiftung, März 2018

Jan Niklas Engels, Landesvertreter der FES in Ungarn, blickt auf die Parlamentswahlen am 8. April 2018. Zwar würden den Regierungsparteien Fidesz-KDNP je nach Umfrage 49 bis 54 Prozent der Stimmen prognostiziert (im großen Abstand gefolgt von der rechtsextremen Jobbik mit 16 bis 17 Prozent). Auch dominiere die Regierung die Medienlandschaft, sodass der Wahlkampf nicht fair verlaufe. Aber die Unzufriedenheit im Land über die sozialen Zustände, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, sowie über die Bereicherungen regierungsnaher Oligarch*innen sei groß. „Deshalb ist davon auszugehen, dass die Oppositionsparteien, die sich zum Teil bereits auf Kooperationen geeinigt haben, mehr Direktmandate als bei den letzten Wahlen 2014 erringen können. Zudem könnte es vermehrt zu taktischen Wahlentscheidungen hinsichtlich Erst- und Zweitstimme kommen, sodass Viktor Orbán am Wahlabend trotz erneuter Regierungsmehrheit als Verlierer dastehen könnte, wenn seine Partei einen größeren Verlust an Parlamentssitzen hinnehmen muss.“ (1) Eine Gruppe, die auf jeden Fall verlieren wird, steht laut Engels schon fest: die Frauen „Chancen auf aussichtsreiche Listenplätzen oder Direktmandate haben nur wenige Kandidatinnen. Daher wird der Frauenanteil auch in der nächsten Legislaturperiode bestenfalls knapp über zehn Prozent liegen und Ungarn im weltweiten Vergleich weiterhin einen Platz im hinteren Feld belegen.“ (6)

 

Klaus Bachmann
Zur Entwicklung der polnischen Demokratie
Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 10-11/2018), 2. März 2018

In dieser APuZ-Ausgabe, die Polen gewidmet ist, rekapituliert Klaus Bachmann die Politik der Regierungspartei PiS seit 2015 ausgehend von der Frage, wie sich unter deren Ägide die polnische Demokratie entwickelt. Ein zentraler Aspekt für die Beantwortung ist, dass das Verfassungsgericht kaltgestellt worden ist – jene Institution, die eigentlich über die Verfassungsmäßigkeit der Regierungspolitik zu wachen hat.

„Einen Vorwand lieferte das Vorgehen der gerade abgewählten Koalition aus PO und Polnischer Volkspartei (Polskie Stronnictwo Ludowe, PSL), mit deren Stimmen der Sejm Anfang Oktober 2015 fünf Verfassungsrichter gewählt hatte, obwohl zwei der fünf Richterstellen erst im Dezember, also nach der Parlamentswahl, frei wurden. Ermöglicht hatte dies eine entsprechende Gesetzesänderung im Juni. Die PiS hatte beim Verfassungsgerichtshof dagegen geklagt. Nach der Parlamentswahl zog die PiS die Klage zurück, worauf die PO, ahnend, was kommen würde, sie in eigenem Namen wieder einreichte. Erwartungsgemäß erklärte der Gerichtshof die Wahl von zwei Richtern für verfassungswidrig. Doch Präsident Duda weigerte sich, auch die drei übrigen Richter zu vereidigen. Fast gleichzeitig erklärte die Parlamentsmehrheit die gesamte Wahl der fünf Richter durch das Vorgängerparlament für ungültig und entsandte am 2. Dezember ihre eigenen fünf Richterinnen und Richter, die noch in der Nacht zum 3. Dezember im Präsidentenpalast vereidigt wurden. Doch Gerichtspräsident Andrzej Rzepliński teilte den betreffenden Richtern keine Fälle zu. Damit gab es im Gericht nun kein Quorum mehr für Urteile über Kompetenzstreitigkeiten zwischen Staatsorganen. Die Verfassungsmäßigkeit von geplanten Gesetzen, mit denen die Parlamentsmehrheit der PiS den Gerichtshof entmachten wollte, konnte so nur noch von einer Kammer oder einem unterbesetzten Plenum entschieden werden. Die Regierung um Szydło wiederum erkannte daraufhin mehrere Urteile nicht an und weigerte sich, sie zu veröffentlichen oder umzusetzen.“

Weitere Aspekte sind eine Justizreform sowie eine Zentralisierung, Polens Politik werde damit in einer Grauzone umgesetzt: „Werden all diese Reformen wie geplant umgesetzt, könnten sie Polen in einen Staat verwandeln, in dem mehrere in westlichen Demokratien institutionell verankerte Mechanismen auf den Kopf gestellt sind: Die Justiz kontrolliert dann nicht mehr die Exekutive und die Legislative, sondern wird von diesen kontrolliert; der Justizminister kann dann über seinen Einfluss auf Staatsanwaltschaften, die bei Ermittlungsverfahren gegenüber der Polizei weisungsbefugt sind, und Gerichte die Unschuldsvermutung de facto außer Kraft setzen. Wahlen werden dann von einem von der PiS neu besetzten Verwaltungsapparat organisiert, dessen Kommissare auch Wahlkreisgrenzen verändern können. Über Wahlbeschwerden und die Gültigkeit von Wahlen entscheiden dann anschließend das Oberste Gericht und gegebenenfalls der Verfassungsgerichtshof, deren politische Unabhängigkeit nicht mehr gewährleistet ist.“ Der Vergleich mit anderen Ländern zeige, dass damit der Diktatur der Weg geebnet werden könnte.


Anne Seyfferth
Tsche chien. Das Land ist nach den Präsidentschaftswahlen enorm gespalten
IPG, 2. Februar 2018

Anne Seyfferth, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Prag, kommentiert den Ausgang der direkten Präsidentschaftswahl im Januar, bei der sich Amtsinhaber Miloš Zeman knapp durchsetzen konnte. „Das Ergebnis macht deutlich, wie gespalten das Land ist: Auf der einen Seite eine aus dem ländlichen und den Industriegebieten stammende Bevölkerungsschicht mit einem eher niedrigen Bildungsabschluss, die Angst vor einer ungewissen Zukunft in einer zunehmend globalisierten und digitalisierten Welt hat und in Zeman einen starken Mann sieht, der ihnen Schutz verspricht. Auf der anderen Seite die eher im Dienstleistungssektor beschäftigte, besser ausgebildete urbane Bevölkerung. Diese schämt sich für die regelmäßigen verbalen Entgleisungen ihres alkoholkranken Staatspräsidenten, lehnt dessen Nähe zu Russland und China ab, wünscht sich einen engeren Anschluss an das westliche Europa sowie starke demokratische Strukturen mit einer entsprechenden Debattenkultur.“ Von dem Ausgang dieser Wahl werde nun vor allem der Rechtspopulist Andrej Babiš profitieren, der sich als geschäftsführender Ministerpräsident jetzt Zeit mit seiner Regierungsbildung lassen könne. Allerdings laufe gegen Babiš, dessen Immunität aufgehoben sei, ein Ermittlungsverfahren. „Zeman sitzt jetzt an einem wichtigen Hebel und gefällt sich in dieser Rolle. Er wird daher alles dran setzen, um seinen Einfluss zu maximieren. Kritiker warnen bereits vor einem Zerfall des politischen Systems in Tschechien und einer stark interessengeleiteten Politik.“

Weronika Priesmeyer-Tkocz
Nur die Spitze des Eisbergs
Göttinger Institut für Demokratieforschung, Blog, 10. November 2017

„Binnen weniger Monate hat sich Polen von einem Musterbeispiel der europäischen Integration zu einem Rebellen entwickelt, der die Grundwerte der EU – insbesondere Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus – infrage stellt und für eine Umgestaltung des europäischen Projektes gemäß der Vision eines Europas souveräner Staaten wirbt“, schreibt Weronika Priesmeyer-Tkocz, Studienleiterin an der Europäischen Akademie Berlin. Mit diesem Ansinnen – das durchaus in der eigenen Bevölkerung auf Widerspruch stoße – stehe das Land nicht alleine, der polnische Kurswechsel sei vielmehr „nur die Spitze des (ost- und mitteleuropäischen) Eisbergs. Die Autorin entwickelt fünf Thesen zu der Frage, ob Polen damit für Europa verloren ist – vollständig nachzulesen in der Zeitschrift INDES 2/2017 – und fordert die EU auf, in einem normativen Diskurs die Unstrittigkeit der gemeinsamen Werte zu bestätigen.


Volker Weichsel
Demokratie in der Schwebe. Die Parlamentswahlen in Tschechien 2017
Osteuropa 9-10/2017

„Sieger der Parlamentswahlen in Tschechien ist der Großunternehmer Andrej Babiš. Dieser konzentriert nun ökonomische Macht, Medienmacht und politische Macht in seinen Händen. Doch die Lage ist anders als in Polen oder Ungarn. Die traditionellen Parteien sind zwar deutlich geschwächt. Doch die Gewaltenteilung ist nicht gefährdet. Babiš hat kein ideologisches Programm und er hat keinen Systemwechsel versprochen. Auch hat die von ihm gegründete und gelenkte Partei ANO im Parlament keine Mehrheit und keine Koalitionspartner. Ob es unter einem Ministerpräsidenten Babiš, gegen den ein Verfahren wegen Subventionsbetrug anhängig ist, zu einer schleichenden Erosion der Rechtsstaatlichkeit kommt, hängt auch vom Ausgang der Präsidentenwahlen im Januar 2018 ab.“ (Abstract)

Eva van de Rakt
Nach der Wahl in Tschechien: Das Ende der liberalen Demokratie in „Osteuropa“?
Heinrich-Böll-Stiftung, 26. Oktober 2017

Die Autorin analysiert den Ausgang der Parlamentswahlen in Tschechien. Die Wahlbeteiligung habe bei 61 Prozent gelegen, deutlicher Wahlsieger sei „der Großunternehmer und ehemalige Finanzminister Andrej Babiš mit seiner Bewegung ANO, die erst seit 2013 im Parlament vertreten ist und damals aus dem Stand über 18 Prozent erhielt“. Jetzt erreichte die Partei 29,6 Prozent, obwohl ihr politisches Profil eher unklar ist: Trotz kritischer Töne in der Flüchtlingsfrage sei ANO keinesfalls mit den Regierungsparteien PiS (Polen) und Fidesz (Ungarn) zu vergleichen. Babiš orientiere sich grundsätzlich eher an Meinungsumfragen. Nach den Bürgerdemokratien wurden die Piraten drittstärkste Kraft, was die Autorin als Überraschung einstuft. „Alarmierend ist der Erfolg der neuen rechtsradikalen Bewegung Freiheit und direkte Demokratie von Tomio Okamura (SPD). Diese Bewegung fordert ein Verbot des Islams und ein Referendum über einen EU-Austritt Tschechiens. ‚Nein zum Islam, nein zum Diktat der EU!‘ sowie ‚Geld den Anständigen, nicht den Parasiten!‘ sind nur einige Beispiele ihrer menschenverachtenden Slogans. Die SPD wurde mit 10,6 Prozent und 22 Mandaten viertstärkste Kraft.“

David Frum
The Toxic Politics of Migration in the Czech Republic
The Atlantic, 23. Oktober 2017

David Frum berichtet von einer Begegnung mit Andrej Babis, der gerade mit seiner Partei die  Parlamentswahlen in Tschechien gewonnen hat – dieser erinnere ihn an Silvio Berlusconi, der ebenfalls seinen Einfluss auf die Medien habe politisch ummünzen können. Eigentlich habe das Land keine Anzeichen dafür gezeigt, für eine Anti-Institutionen-Bewegung anfällig zu sein. Dennoch sei es Babis gelungen, mit nur einem Thema – Flüchtlingsbewegung in Europa – zu reüssieren. Nun müsse sich zeigen, ob Babis Tschechien in die Nähe flüchtlingsfeindlicher Länder wie Ungarn oder Polen rücke.

Seongcheol Kim
Populism, Anti-Populism and Counter-Populism in the Czech Parliamentary Elections
WZB Democracy Blog, 20. Oktober 2017

Am 20. Und 21. Oktober 2017 finden in Tschechien Parlamentswahlen statt. Der Wahlkampf sei nicht wie zuvor durch die Gegenüberstellung von linken und rechten Positionen geprägt, der Gegensatz bestehe jetzt in Populismus und Antipopulismus. In dem Beitrag wird die aktuelle Parteienlandschaft dargestellt und eine Prognose hinsichtlich der nächsten Regierung abgegeben.

Heather Grabbe, Stefan Lehne
Defending EU Values in Poland and Hungary
Carnegie Europe, 4. September 2017

Die Werte der EU seien in der Krise, schreiben die Autoren, und würden mehr noch als durch den Brexit durch rechtspopulistische Regierungen in Ostmitteleuropa bedroht. Anders als die Gründungsstaaten der Gemeinschaft versuchten sich die neueren Mitglieder explizit gegen Einflüsse von außen und damit auch gegen den Einfluss der EU abzuschotten. An die anderen Regierungen der EU-Länder richten die Autoren die Vorwurf, die illiberale Politik in Ungarn und Polen zu lange als allein deren innenpolitische Angelegenheit betrachtet zu haben, auch die EU selbst habe zu zögerlich reagiert. Um den Zusammenhalt der EU aufrechtzuerhalten sowie die liberale Demokratie und den Rechtsstaat zu stützen, müsse diese Zurückhaltung aufgegeben werden.


Markus Ziener
Mit Trump und Gott fürs Vaterland. Was Polens anti-demokratische Wende antreibt
IPG, 24. Juli 2017

Markus Ziener, Professor für Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Berlin, analysiert, warum die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) weiterhin versuchen wird, die Unabhängigkeit der Gerichte zu beschneiden – die geplanten Gesetze, deren Unterzeichnung Präsident Andrzej Duda (ebenfalls PiS) bislang verweigerte, würden de facto die Gewaltenteilung, das zentrale Charakteristikum demokratischer Gesellschaftssysteme, abschaffen: „Als die Kaczynskis zum ersten Mal regierten, 2005 bis 2007, war es ausgerechnet die Justiz, die zahlreiche ihrer schon damals radikalen Vorhaben blockierte. Der Hass auf die Unabhängigkeit der Judikative speist sich aus dieser Zeit – und erklärt den Furor, mit dem sich die Partei nun auf die Richter stürzt.“ Bestätigt sehe sich die PiS-Führung in ihrem politischen Kurs durch Äußerungen des US-Präsidenten Donald Trump bei seinem Besuch im Land im Sommer 2017.

Marek Borowski
Es einfach besser machen. Was die Opposition in Polen jetzt tun muss, um die PiS bei den nächsten Wahlen abzulösen
IPG, 20. April 2017

„Die Erosion der Demokratie in Polen schreitet schnell voran“, schreibt Marek Borowski, Mitglied des polnischen Senats. In dieser Kurzanalyse fordert er daher die Opposition zu einer schonungslosen Bilanz ihrer eigenen, vorherigen Regierungsarbeit und alle oppositionellen Kräfte auf, sich auf wesentliche Ziele zu einigen. Die Kernpunkte seien Verfassungsgericht, öffentlicher Dienst, Staatsanwaltschaft, Gerichtsbarkeit, öffentliche Medien und Staatsbetriebe – es gelte all das in Ordnung zu bringen, „was die PiS zerstört hat“.

Barbara Lippert / Kai-Olaf Lang
Politisierung, Polarisierung, Populismus und die Zukunft der EU
in: Volker Perthes (Hrsg.): Ausblick 2017: „Krisenlandschaften“. Konfliktkonstellationen und Problemkomplexe internationaler Politik
SWP-Studien 2017/S 01, Januar 2017, S. 15-18

Das Autorenteam reflektiert die Herausforderungen an die EU, die sich durch eine neue Form der populistischen Politisierung in ihren Mitgliedsländern entwickelt haben. Die EU gelte „offenbar nicht mehr als das Integrationssystem, das nützt und schützt, also Unsicherheit absorbiert und Sicherheit schafft. Im Kern gefährdet ist die Union, wenn nicht nur ihre Effektivität schwindet, sondern sie mit breiter Resonanz als nicht demokratisch legitimierter Akteur diskreditiert wird“. (15)

Márton Gergely im Interview
Orbán, der gute Europäer
IPG, 27. Dezember 2016

Der Journalist spricht über die große Armut in Ungarn und darüber, dass auch jene Viktor Orbán wählten, die nicht von seiner Politik profitieren. Schwierig sei vor allem die Situation der Arbeitslosen geworden, die sich nur noch als gemeinnützige Arbeitnehmer – und nicht mehr als arbeitslos – melden können und für ihre Tätigkeit dann umgerechnet 150 Euro im Monat erhalten. Weitere Themen sind die Frage der Aufnahme von Flüchtlingen, wobei Gergely das entsprechende Referendum als Pseudodebatte einordnet, sowie die Kontrolle der Massenmedien durch die Regierung.

Irene Hahn-Fuhr / Gert Röhrborn
Verfassungsstreit in Polen: Weg ohne Wiederkehr?
Heinrich Böll Stiftung, 22. Dezember 2016

Die Autoren gehen auf den Versuch der von der PiS-Partei gestellten Regierung ein, das Verfassungstribunal zu entmachten. Auf den ersten Blick scheine die Regierung die politische Schlacht gewonnen zu haben, sei damit aber nicht nur in der EU in die Kritik geraten. Auch innenpolitisch zeichneten sich erste Friktionen ab: „Nicht nur in der Frage des Verfassungstribunals hat sie eine deutliche Mehrheit der polnischen Bevölkerung gegen sich. Bereits knapp die Hälfte der Polen (47%) ist der Ansicht, die politische Entwicklung des Landes gehe grundsätzlich in die falsche Richtung, Tendenz steigend. Gleichzeitig liegt die Regierungspartei in Umfragen vor allem wegen ihrer Sozialpolitik stabil bei ca. 35-38% und damit in der Gegend des Wahlergebnisses von 2015.“

Nicolai von Ondarza
EU-Skeptiker an der Macht. Die Rolle integrationskritischer Parteien in EU-Parlament und nationalen Regierungen
SWP-Aktuell 2016/A 23, April 2016

Skepsis gegenüber der europäischen Integration sei kein neues Phänomen. Allerdings seien zunehmend neben den Skeptikern auch populistische Parteien mit starker Anti-EU-Haltung in das Europäische Parlament gewählt worden. Diese hätten zwar auf die Gesetzgebung keine nennenswerte Wirkung entfalten können. Aber angesichts einer Regierungsbeteiligung von EU-Skeptikern in sieben Mitgliedstaaten sei nun doch endgültig zu konstatieren, schreibt Nicolai von Ondarza, dass die Konsenskultur über die europäische Integration auch unter den politischen Eliten aufgebrochen sei. Eine weitergehende Vertiefung der EU-Integration sei nicht mehr mehrheitsfähig.

Helmut Fehr
In geschlossener Gesellschaft. Ostmitteleuropa und die Rückkehr des Autoritären
Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2016

Helmut Fehr skizziert die flüchtlingsfeindliche Haltung ostmitteleuropäischer Politiker und erkennt einen Bruch mit der 1989 eingeleiteten Entwicklung: „Noch in den 1990er-Jahren verband die neuen politischen Eliten in Ostmitteleuropa eine Forderung: die der ‚Rückkehr nach Europa‘. Dieser Slogan war als Wiederbelebung europäischer Werte gemeint. Und dies in einem Sinn, der den ethischen Handlungsimperativen einer Zivilgesellschaft entsprach, wie die Selbstverständigungsdebatten der Bürgerbewegungen vor und nach 1989 dokumentieren. Davon ist heute – in der Flüchtlingskrise – nichts mehr übrig.“ Speziell die Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zeichne sich durch eine demonstrative moralische Verantwortungslosigkeit aus: „eine Politik des reinen nationalen Egoismus, der Konfrontation und der Geringschätzung der EU-Partner“.

Klaus Bachmann
Rebellen ohne Grund. Ursachen und Folgen des Wahlsieges der PiS
Osteuropa 1-2/2016

„Die Partei Recht und Gerechtigkeit hebelt seit ihrem Wahlsieg im Herbst 2015 mit revolutionärem Elan das Institutionensystem der Dritten Republik aus. Viele Beobachter vermuten, darin kämen größere soziale Verwerfungen zum Ausdruck. Doch weder sind sie das Ergebnis sozialer Ungerechtigkeiten nach 1989 noch einer rechtsradikalen Jugendrevolte oder einer nachholenden Abrechnung mit der kommunistischen Volksrepublik. Vielmehr speist sich die Auseinandersetzung in erster Linie aus dem Konflikt zwischen Stadt und Land, zwischen einer kleinen Avantgarde postmaterialistischer Individualisten in den Großstädten und einer größeren Schicht von kollektivistisch und materialistisch denkenden Traditionalisten. Beide behaupten, die Nation zu repräsentieren. Die Mehrheit schweigt.“ (Abstract)

Marta Bucholc / Maciej Komornik
Die PiS und das Recht. Verfassungskrise und polnische Rechtskultur
Osteuropa 1-2/2016

„In Polen hat die von der PiS eingebrachte Novelle des Verfassungsgerichtsgesetzes die Autorität des Verfassungsgerichts verringert und die Urteilsverkündung gelähmt. Daraus ist ein Streit über das Verhältnis von Legislative und Judikative entstanden, der in eine veritable Verfassungskrise eskaliert ist. Im Kern haben der Präsident, die Regierung und die PiS-Mehrheitsfraktion im Sejm ein anderes Verständnis von Gewaltenteilung, das sich auf eine neue Definition von Souveränität stützt, deren Quelle nicht die politische Gesamtheit, der demos, sondern die ‚Nation‘ ist. Dieses Denken speist sich aus der konservativen Utopie. Im Rechtsverständnis der PiS sind Traditionsbestände aus der Zwischenkriegszeit und der Volksrepublik Polen nachweisbar.“ (Abstract, Volltext frei zugänglich)

Kai-Olaf Lang
Zwischen Rückbesinnung und Erneuerung. Polens PiS und Ungarns Fidesz im Vergleich
Osteuropa 1-2/2016

„Mit PiS und Fidesz sind in Polen und Ungarn zwei Parteien an der Macht, die vieles gemeinsam haben. Beide streben einen neotraditionalistischen Umbau von Staat und Gesellschaft an. Demokratie verstehen sie als Mehrheitsherrschaft, Gewaltenteilung als Widerspruch zu dem Auftrag, den das Volk ihnen an den Wahlurnen gegeben habe. In der EU setzen PiS wie Fidesz auf die Markierung nationalstaatlicher Souveränität. Aufgrund außen- und europapolitischer Differenzen – insbesondere in der Russlandpolitik – wird dies nicht zum Entstehen einer nationalkonservativen Achse in Ostmitteleuropa führen. Mit einem antiliberalen und souveränistischen Zweckbündnis muss die EU jedoch rechnen.“ (Abstract)

Waldemar Wojtasik
Parlamentswahlen 2015 in Polen – Trends und Taktiken
Heinrich Böll Stiftung, 8. Februar 2016

Der Autor analysiert das Wahlergebnis, dessen erste Auffälligkeit darin besteht, dass zum ersten Mal keine linke Partei mehr im polnischen Parlament vertreten sein wird. Gewonnen wurde die Wahl dagegen von einer Partei, die eine ideologisch extreme Position einnimmt: Recht und Gerechtigkeit (PiS). „Der Sieg von PiS ist keine Überraschung, sondern Ergebnis einer konsequent verwirklichten Wahlstrategie. Ein genauerer Blick auf die Analysen hinsichtlich der Wählerunterstützung zeugt davon, dass die PiS in fast allen soziodemographischen Gruppen gesiegt hat. Die Bürgerliche Plattform (PO) hat nur bei den statistisch weniger relevanten Gruppen minimal besser abgeschnitten – unter den Unternehmern (um 0,8 Prozentpunkte besser) und Firmenchefs (um 2,9 Prozentpunkte). Acht Jahre in der Opposition haben dazu beigetragen, dass die Partei von Jarosław Kaczyński die wichtigsten demografischen Trends und Wahltrends verstanden und in den Wahlkampfdisziplinen gesiegt hat, in denen sie bis dahin unterlag.“


Viktor Orbán, interviewt von Boris Kálnoky
„Am Ende werden die Muslime mehr sein als wir“
Die Welt, 16. September 2015

Der ungarische Ministerpräsident erläutert seine Sicht auf die Flüchtlinge und rechtfertigt seine Politik.

Jan T. Gross
Die Osteuropäer haben kein Schamgefühl
Die Welt, 13. September 2015

„Seit 1989 – und insbesondere seit ihrem Beitritt zur EU im Jahr 2004 – haben sie [Polen und Ungarn] enorme finanzielle Transferleistungen durch die europäischen Struktur- und Zusammenhaltsfonds erhalten. Und heute sind sie nicht bereit, irgendetwas zur Lösung der größten Flüchtlingskrise Europas seit dem Zweiten Weltkrieg beizutragen.“ Jan. T. Gross, Professor an der Princeton University, kritisiert dieses Verhalten als beispiellos. „Haben die Osteuropäer kein Schamgefühl? Seit Jahrhunderten sind ihre Vorfahren massenweise ausgewandert, um materiellem Elend und politischer Verfolgung zu entkommen. Und heute spielen das herzlose Verhalten und die kaltschnäuzige Rhetorik ihrer Politiker dem Populismus in die Hände.“

Niklas Schröder
Die Geister, die Orbán rief
Göttinger Institut für Demokratieforschung, 22. Juni 2015

Eine Nachwahl zur Nationalversammlung habe offenbart, dass die rechtsextreme Partei Jobbik in der Wählergunst zur regierenden Fidesz fast aufgeschlossen habe – in diesem Fall habe der rechtsextreme Kandidat sogar gewonnen. Bei genauer Betrachtung sei festzustellen, dass damit das Wählervotum zugunsten des Originals ausgefallen sei: Das Budapester Institut Policy Solutions habe ermittelt, dass Fidesz wesentliche Teile der Jobbik-Programmatik übernommen habe, ein Beispiel sei das Mediengesetz.

Kai-Olaf Lang
Ungarn: Demokratischer Staatsumbau oder Autokratie? Innere Merkmale und außenpolitische Folgen des Systems Orbán
SWP-Aktuell 2015/A 06, Januar 2015

Viktor Orbán und seine Partei Fidesz verfolgen eine neotraditionalistisch-konservative Reform- und Modernisierungsagenda, lautet die Diagnose von Kai-Olaf Lang. Die Demokratie sei nicht abgeschafft, aber verändert worden und trage „Züge einer antagonistischen Mehrheitsdemokratie mit Hegemonialpartei und Exekutivdominanz“. Außenpolitisch bestehe die Gefahr, dass sich das EU-Land in Richtung Russland orientiere.

Klaudia Hanisch
Die ungarische Alternative
Göttinger Institut für Demokratieforschung, 19. Mai 2014

Die Autorin ordnet die Politik Viktor Orbáns als populistischen Sonderweg ein, der deutlich durch die Systemtransformation und das spezifische Verhältnis des Landes zur eigenen Vergangenheit geprägt sei. Von der rechtspopulistischen Politik der regierenden Fidesz profitiere vor allem aber die rechtsextreme Partei Jobbik – diese steige in der Wählergunst, trotz Antisemitismus, Antiziganismus und Europafeindlichkeit. Zugleich nähere sich Jobbik arabischen Ländern und islamistischen Fundamentalisten an.


György Dalos
Ungarn nach der Parlamentswahl 2014: Eine Diagnose
Heinrich Böll Stiftung, 17. April 2014

„Bei einer Beteiligung von knapp 62 Prozent der Stimmberechtigten gelang es der nationalkonservativen Regierung Viktor Orbáns mit 44 Prozent der Stimmen und einer knappen Zweidrittelmehrheit der Mandate im Parlament, ihre Amtszeit für weitere vier Jahren zu verlängern. Das Oppositionsbündnis der Sozialisten und Liberalen brachte es auf nur 25 Prozent, während die rechtsradikale Partei ‚Jobbik‘ beinahe 21 Prozent erzielte. Als vierte Partei zog die grüne Partei ‚Politik kann anders sein‘ (LMP) mit 5 Prozent der Stimmen in das ‚Haus des Landes‘ am Donauufer ein.“ Hinter diesen trockenen Zahlen stecke „ein mehrjähriges, in einer Atmosphäre des politischen Hasses ausgetragenes Kräftemessen“, konstatiert György Dalos und zeigt die politisch zugespitzte Atmosphäre im Land auf.


Karin Rogalska
Lippenbekenntnisse. Die Orbán-Regierung und der Rechtsradikalismus
Osteuropa 4/2013

„In Ungarn ist völkisches Gedankengut höchst populär. Die rechtskonservative Regierung unter Viktor Orbán hat Schriftsteller, Historiker und Journalisten in wichtige Ämter gebracht oder mit staatlichen Ehrungen bedacht, die immer wieder durch antisemitische und romafeindliche Äußerungen auffallen. Insbesondere Orbán distanziert sich nur dann, wenn weiterer Schaden für den Ruf Ungarns im Ausland abgewehrt werden soll. In den Reihen des Fidesz herrscht offenbar die Überzeugung, dass so der weitere Aufstieg des rechtsradikalen Jobbik eingedämmt werden könne. Indes breitet sich in der Gesellschaft eine ‚Kultur des Hasses‘ immer weiter aus.“ (Abstract)

Gábor Attila Tóth
Macht statt Recht. Deformation des Verfassungssystems in Ungarn
Osteuropa 4/2013

„Seit seinem Wahlsieg im Jahr 2010 baut der Fidesz unter Ministerpräsident Viktor Orbán nicht nur Ungarns politisches System, sondern auch das Verfassungssystem um. Anders als in Verfassungsstaaten üblich, integriert das neue Grundgesetz nicht die ungarischen Bürger über alle politischen, religiösen oder sozialen Differenzen hinweg. Vielmehr polarisiert es und schließt Teile der Bevölkerung aus. Das Grundgesetz verkörpert ein politisches Denken nach der Freund-Feind-Logik. Die mit dem Grundgesetz gebildete Institutionsstruktur ist auf einen Einparteienstaat zugeschnitten. Auch die jüngsten Verfassungsänderungen zeigen: An die Stelle der Herrschaft des Rechts über die Politik ist die Herrschaft der Politik über das Recht getreten. Der Aufbau eines autoritären Regimes ist im Gange. Die Opposition in Ungarn und die europäischen Institutionen sind gefordert.“ (Abstract, Volltext frei zugänglich)

Reinhold Vetter
Diffus, aber gefährlich. Rechtsradikalismus in Polen
Osteuropa 4/2013

„In Polen gibt es keine klare Grenze zwischen rechtsradikalen Gruppierungen und nationalkonservativen sowie katholisch-fundamentalistischen Parteien und Milieus. Die inhaltlichen und organisatorischen Querverbindungen sind vielfältig. Das erschwert die politische Auseinandersetzung mit den Rechtsradikalen. Anders als Jobbik in Ungarn sind diese Gruppen bislang kaum bereit, bei Wahlen anzutreten und im Parlament aktiv zu werden. Dem politischen Establishment fehlt es an Sensibilität für die Gefahren, die rechtsradikale Gruppen darstellen.“ (Abstract)

 

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EU-Vertragsverletzungsverfahren

 Vertragsverletzungsverfahren

Die Europäische Kommission „kann ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren einleiten, wenn ein EU-Land die Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung einer Richtlinie nicht mitteilt oder einen mutmaßlichen Verstoß gegen das EU-Recht nicht behebt. Das Verfahren läuft in mehreren Schritten ab, die in den EU-Verträgen festgelegt sind und jeweils mit einem förmlichen Beschluss enden.“ Kommt es zu einem Urteil des Gerichtshofes und diesem wird nicht Folge geleistet, werden finanzielle Sanktionen verhängt.

 

Vertragsverletzungsverfahren gegen Tschechien, Ungarn und Polen wegen Flüchtlingspolitik, gegen Deutschland wegen Abfallvorschriften
14. Juni 2017

 

Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen Hochschulgesetz und NGO-Gesetz
13. Juli 2017

 

Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen NGO-Gesetz und Hochschulgesetz
4. Oktober 2017

 

Rechtsstaat in Polen bedroht: EU-Kommission löst Artikel 7-Verfahren aus
20. Dezember 2017

„Die Europäische Kommission sieht in Polen die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit“, heißt es in der offiziellen Stellungnahme. „Deshalb hat sie [am 20. Dezember 2017] dem Rat einen begründeten Vorschlag zur Annahme eines Beschlusses nach Artikel 7 Absatz 1 des Vertrages über die Europäische Union unterbreitet. Die Kommission hat sich fast zwei Jahre lang immer wieder bemüht, einen konstruktiven Dialog mit der polnischen Regierung aufzunehmen. Infolge der Justizreformen in Polen steht die Justiz des Landes nun unter der politischen Kontrolle der regierenden Mehrheit. Die Europäische Kommission wird tätig, um die Rechtsstaatlichkeit in Polen zu schützen, bekräftigt aber gleichzeitig ihr Angebot eines konstruktiven Dialogs mit Polen, um eine Lösung herbeizuführen.“

 

Rechtsstaatlichkeit: Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ein
2. Juli 2018

„Wegen des polnischen Gesetzes über das Oberste Gericht hat die EU-Kommission heute (Montag) ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Hintergrund ist die unmittelbar bevorstehende Umsetzung der neuen Pensionsregelung für Richter am Obersten Gericht und die mangelnden Fortschritte im Rahmen des Dialogs über Rechtsstaatlichkeit. Da das Pensionsalter für Richter am Obersten Gericht mit dem neuen polnischen Gesetz über das Oberste Gericht von 70 auf 65 Jahre gesenkt wurde, könnten am 3. Juli 2018 27 der 72 Richter des Obersten Gerichts – also mehr als einer von drei Richtern – zwangsweise in den Ruhestand versetzt werden. Die polnische Regierung hat nun einen Monat Zeit, auf das Aufforderungsschreiben der Kommission zu antworten.“


Zeitschriften

OSTEUROPA

Die Zeitschrift OSTEUROPA bietet seit Jahrzehnten fundierte Analysen über „Politik und Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft im Osten Europas als Teil der globalisierten Welt“, so die Eigendarstellung. „Themenhefte rücken Probleme in eine vergleichende Perspektive; Länderhefte bieten Orientierung zur Osterweiterung des europäischen Denkens; handbuchartige Doppelhefte stellen als Referenzwerke die Grundlagen des Wissens zur Verfügung: von Beutekunst bis Zentralasien. Aufwendige Farbkarten gestatten ungewohnte Blicke. Das alles in einem Periodikum, frei von Jargon, thematisch breit, offen für Debatte.“ Die Zeitschrift wird von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) e. V. herausgegeben.

ostpol – Das Osteuropa-Magazin

„ostpol.de ist das Online-Magazin von n-ost. Es bietet täglich Reportagen, Hintergrundberichte und Bildstrecken aus dem halben Kontinent zwischen Polen und Sibirien. Für das Magazin arbeiten Journalisten und Fotografen in mehr als 20 osteuropäischen Ländern. Sie beobachten kontinuierlich das Geschehen in ihren Ländern.“ (Website)

 

Informationsdienst

Polen-Analysen

„Die Polen-Analysen bieten regelmäßig kompetente Einschätzungen aktueller politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Entwicklungen in Polen. Sie machen das Wissen, über das die wissenschaftliche Forschung in reichem Maße verfügt, Interessierten aus Politik, Wirtschaft, Medien und Öffentlichkeit zugänglich. Autoren sind internationale Fachwissenschaftler und Experten. Die Polen-Analysen werden gemeinsam vom Deutschen Polen-Institut, der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde herausgegeben.“ (Eigendarstellung)

 

Forschung und Bildung

Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e. V.

„Die DGO ist der größte Verbund der Osteuropaforschung im deutschsprachigen Raum. Sie ist ein Forum zur Diskussion von Politik, Wirtschaft und Kultur in Ostmittel- und Osteuropa. Sie vermittelt Wissen über und Kontakte nach Osteuropa und fördert den europäischen Dialog. Die Mitglieder der DGO kommen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur. Die DGO ist ein überparteilicher gemeinnütziger Verein, Hauptsitz ist Berlin, in mehr als 20 deutschen Städten ist die DGO mit Zweigstellen vertreten.“ (Eigendarstellung)

 

Deutsches Polen-Institut

„Das Deutsche Polen-Institut ist ein Zentrum für polnische Geschichte, Politik, Kultur und Gesellschaft und die deutsch-polnischen Beziehungen. Es pflegt die Beziehungen zu dem Nachbarland Polen durch sein Programmangebot vorwiegend in Deutschland. Dabei verbindet es mehrere Aufgaben: Es vereint praxisbezogene Wissenschaft und Forschung, Bildungsangebote für Schulen und Hochschulen, politische Foren, editorische Projekte und öffentliche Veranstaltungen. Das Institut besitzt eine einmalige Spezialbibliothek für polnische Literatur, deutsch-polnische Übersetzungen und Kulturbeziehungen in Geschichte und Gegenwart, die zugleich eine Universalbibliothek für Polen und die deutsch-polnischen Beziehungen ist. Besonderen Wert legt das DPI darauf, das deutsch-polnische Beziehungsgeflecht in den Kontext der Beziehungen zu anderen Nachbarstaaten und der europäischen Integration zu stellen. Gleichzeitig soll der polnische Beitrag für die europäische Geschichte, Kultur, Politik sowie europäisches Denken untersucht und vermittelt werden.“ (Eigendarstellung)

 

Forschungsstelle Osteuropa

„Die Forschungsstelle Osteuropa (FSO) ist als An-Institut eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung an der Universität Bremen. Sie wird gemeinsam von der Kultusministerkonferenz und dem Land Bremen finanziert. Im Jahre 1982 mitten im Kalten Krieg gegründet, versteht sich die FSO heute als ein Ort, an dem der Ostblock und seine Gesellschaften mit ihrer spezifischen Kultur aufgearbeitet sowie aktuelle Entwicklungen in der post-sowjetischen Region analysiert werden.“ (Eigendarstellung)

 

Hungaricum – Ungarisches Institut (HUI)

„Das 2015 in der Nachfolge des 2012 eingerichteten Ungarn-Zentrums der Universität Regensburg gegründete Hungaricum — Ungarisches Institut ist Teil des Ost-, Ostmittel- und Südosteuropaschwerpunktes am Wissenschaftsstandort Regensburg. [...] Ungarn und das Ungarische Institut München e. V. beteiligen sich mit vertraglich vereinbarten beziehungsweise zweckgebundenen Zuwendungen an das HUI an der Finanzierung.“ (Eigendarstellung)

 

Osteuropa-Institut

„Das 1951 gegründete Osteuropa-Institut ist ein interdisziplinäres Regionalinstitut der Freien Universität Berlin. Hier spiegelt sich in Lehre, Forschung und Beratung die Dynamik der vielfältigen Wandlungsprozesse im östlichen Teil unseres Kontinents wider. Dies ist eine heterogene, konfliktreiche und durch die Erweiterung der Europäischen Union sehr wichtige Region voller Fragen und Herausforderungen. Berlin ist der beste Ort, sie zu studieren. Hier treffen nicht nur Kulturen, Menschen und Märkte aus Ost und West zusammen. Der Standort Berlin bündelt auch eine große Zahl an Einrichtungen und Initiativen und damit die Osteuropakompetenz des Landes. In diesem Zusammenhang spielt das Osteuropa-Institut mit seinen Kooperationen und akademischen Netzwerken in Berlin/Brandenburg wie auch in Osteuropa eine wesentliche Rolle.“ (Eigendarstellung)

 

Ungarisches Institut München e.V.

Es handelt sich um ein „wissenschaftliches und kulturelles Institut mit Arbeitsschwerpunkten in den Bereichen Geschichte, Politik, Kultur, Landeskunde, Literatur, Musik, Kunst und Sprache“. In der Pressemitteilung vom 15. März 2000 heißt es: „Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat im Sinne eines entsprechenden Beschlusses des bayerischen Landtags zur finanziellen Absicherung dieser konzeptionellen Neuprofilierung die institutionelle Förderung des UIM durch den Freistaat Bayern im Wege der Fehlbedarfsfinanzierung ab 2000 erheblich aufgestockt. Aufgrund eines Kooperationsvertrages zwischen dem Budapester Ministerium für Nationales Kulturerbe und dem UIM trägt die Republik Ungarn im Jahre 2000 etwa 25% des Gesamthaushalts des Instituts vor allem zum Aufbau der kulturorganisatorischen Abteilung bei.“

 


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