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Henning Fischer / Uwe Fuhrmann / Jana König / Elisabeth Steffen / Till Sträter (Hrsg.)

Zwischen Ignoranz und Inszenierung. Die Bedeutung von Mythos und Geschichte für die Gegenwart der Nation

Münster: Westfälisches Dampfboot 2012; 205 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-89691-897-0
An den Beispielen der deutschen und spanischen Geschichts- und Mythenschreibung nähern sich die Autorinnen und Autoren des Bandes dem Thema ganz im Sinne Walter Benjamins, der wiederholt anmerkte, Geschichtsschreibung habe mindestens ebenso viel mit der Gegenwart zu tun wie mit der Vergangenheit, die sie eigentlich beschreiben soll. Anders formuliert geht es um die Frage, „wie Vergangenheitsrepräsentationen oder Mythen herangezogen werden, um die Gesellschaft der Gegenwart zu legitimieren“ (8), sowie um die „Betonung der Gegenwart als Ausgangsort der Erkenntnis der Vergangenheit“ (21). Henning Fischer analysiert am Beispiel des „Mythos Dresden“ (32), wie Erinnerungskultur als Teil einer nationalen Sinnstiftung konstruiert wird und dabei zwar wichtige Themen im kollektiven Gedächtnis verankert werden, zu diesem Zweck aber die eigentliche Geschichte auch massiv verkürzt und verfälscht wird. Till Sträter beschäftigt sich in seinem Beitrag mit dem spanischen Mythos der friedlichen „transición“ (60) nach dem Ende der Franco-Diktatur und zeigt, dass von einem radikalen politischen Umbruch nur ansatzweise die Rede sein kann, denn die offizielle Erinnerungskultur dient auch dazu, die zahlreichen personellen Kontinuitäten in der Politik des Landes vergessen zu machen. Uwe Fuhrmann analysiert die Geschichte der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland und erinnert daran, dass – entgegen der mittlerweile jedem geläufigen Version – das bundesrepublikanische Wirtschaftsmodell nicht als persönlicher Erfolg von Ludwig Erhard zu sehen ist. Vielmehr sei es auf Erhards Scheitern zurückzuführen – ein Scheitern seiner ursprünglichen marktradikalen Vorstellungen angesichts heute kaum mehr vorstellbarer gesellschaftlicher Proteste gegen dieses Vorhaben. Jana König und Elisabeth Steffen schließlich untersuchen in ihrem Beitrag die Geschichtsschreibung zur DDR und Wiedervereinigung als Teil der Neuerrichtung einer nationalen deutschen Identität. Eingerahmt wird der Band durch zwei übergreifende Beiträge des Autorenkollektivs, die zum Nach- und Weiterdenken anregen.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35 | 2.314 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Henning Fischer / Uwe Fuhrmann / Jana König / Elisabeth Steffen / Till Sträter (Hrsg.): Zwischen Ignoranz und Inszenierung. Münster: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35334-zwischen-ignoranz-und-inszenierung_42557, veröffentlicht am 07.02.2013. Buch-Nr.: 42557 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken