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Chinas Aufstieg zur Weltmacht. Politische und wirtschaftliche Entwicklungen im „Reich der Mitte“

28.08.2019
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Christoph Nuschko, M.A.

Foto: Peggy und Marco Lachmann-Anke / PixabayShanghai ist neben Hongkong die wichtigste Wirtschaftsmetropole in China und ein Zeichen für dessen wirtschaftlichen Aufschwung. Foto: Peggy und Marco Lachmann-Anke / Pixabay

 

Erschienen am 28. August 2019, zuletzt aktualisiert Dezember 2019

China entwickelte sich vom Agrarstaat zu der größten Volkswirtschaft der Welt. Diesen Status erreichte das „Reich der Mitte“, indem es das ökonomische System von der Plan- zu einer Marktwirtschaft reformierte. Zwischen den Jahren 2000 bis 2010 befand sich das Wirtschaftswachstum mehrfach im zweistelligen Bereich. Innenpolitisch hatte der Aufschwung die Entstehung einer neuen Mittelschicht zur Folge, während ländliche Bevölkerungsteile weiterhin von großer Armut betroffen sind. Das außenpolitische Bild Chinas ist insbesondere durch die wirtschaftliche Stärke bestimmt, das Land hat sich zu einer Wirtschaftsmacht entwickelt. Die bedeutende Position im internationalen System will die Regierung durch die „Belt-and-Road“-Initiative manifestieren, mit der internationale Handelsbeziehungen in Asien, Afrika und Europa auf- und ausgebaut werden sollen. Hierdurch sehen sich die USA als bisher dominierende Wirtschaftsmacht zunehmend herausgefordert und betrachten die Exportnation China als ernsthafte Gefahr. So zielt Donald Trump mit seiner China-Politik auf eine stärkere Unabhängigkeit der USA von Importen. Doch auch politisch entwickelt sich das Reich der Mitte zu einer Weltmacht. Mit einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat und durch die wirtschaftlichen Verflechtungen gewinnt es auch außenpolitisch an Gewicht.

Mit diesem Digirama stellen wir online verfügbare Berichte, Studien und Analysen vor, die Einschätzungen über die wirtschaftliche und (außen)politische Entwicklung Chinas und deren Wahrnehmung in der westlichen Welt vermitteln.

Die Beiträge sind in absteigender chronologischer Reihenfolge sortiert.


Hanns Günther Hilpert / Frédéric Krumbein / Volker Stanzel
Chinas gelenkte Erinnerung. Wie historische Ereignisse erinnert, glorifiziert, umgedeutet und verschwiegen werden
SWP-Aktuell 2019/A 70, Dezember 2019

„Im Jahr 2019 erinnert China in mehreren runden Jahrestagen an politisch bedeut­same Ereignisse seiner jüngeren Geschichte: die 4.‑Mai-Bewegung (100 Jahre), die Grün­dung der Volksrepublik China (70 Jahre), den Tibetaufstand (60 Jahre), den Beginn der Reform- und Öffnungspolitik (40 Jahre) und das Massaker auf dem Tiananmen-Platz (30 Jahre). Wie China dieser Ereignisse offiziell gedenkt – oder eben nicht gedenkt –, wiegt für das Land innen- und außenpolitisch schwer. Die staat­licherseits konstruierte Deutung der Geschichte richtet sich als Macht­anspruch nicht nur an die eigene Gesellschaft, sondern auch an die mit China inter­agieren­den aus­ländischen Partner, insbesondere Regierungen und Unternehmen. Das Ver­schweigen problematischer Geschehnisse der Vergangenheit ist nicht zuletzt des­halb bedenk­lich, weil es die Gefahr erhöht, dass sich historische Fehler wiederholen.“ (Abstract)

 

Adrian Zenz
China Didn’t Want Us to Know. Now Its Own Files Are Doing the Talking
The New York Times, Opinion, 24. November 2019

Die veröffentlichten internen Dokumente der chinesischen Regierung stellen einen bedeutenden Einblick in die Regierungstätigkeit der Kommunistischen Partei in der westchinesischen Provinz Xinjiang dar. Sie würden nun beweisen, was von der offiziellen chinesischen Seite stets bestritten wurde: Die ethnischen Minderheiten in der westchinesischen Provinz Xinjiang würden zu Hunderttausenden in Internierungslager gesperrt. Adrian Zenz, Senior Fellow in China Studies an der Victims of Communism Memorial Foundation in Washington, nennt hierzu Zahlen: Zwischen 900.000 und 1,8 Millionen Menschen seien verhaftet und in Lager oder Gefängnisse gebracht worden. Betroffen sei vor allem die größte ethnische Minderheitengruppe in der Provinz: die Uiguren, doch auch Kasachen und andere ethnische Volksgruppen seien der Diskriminierung ausgesetzt. In den Umerziehungslagern werde während der Unterrichtseinheiten Gehirnwäsche betrieben und den inhaftierten Personen sei es entgegen offizieller Angaben nicht möglich, sich frei zu bewegen. Durch diese Praktiken würden Familien auseinandergerissen und mehrere Beispiele zeigten, dass den Familien durch den Verlust der Versorger Armut und knechtartige Arbeitsverhältnisse drohten.

 

Peter Rudolf
Der amerikanisch-chinesische Weltkonflikt
SWP-Studie 2019/S 23, Oktober 2019

„Das amerikanisch-chinesische Konfliktsyndrom setzt sich aus mehreren Elementen zusammen. Ihm zugrunde liegt eine regionale, aber auch zunehmend globale Statuskonkurrenz. Diese Konkurrenz um Einfluss mischt sich mit einem ideologischen Antagonismus, der auf amerikanischer Seite inzwischen stärker in den Mittelpunkt gerückt ist. Da sich die USA und China als potentielle militärische Gegner sehen und die Planungen danach ausrichten, prägt auch das Sicherheitsdilemma die Beziehungsstruktur. Die strategische Rivalität ist besonders an der maritimen Peripherie Chinas ausgeprägt, dominiert von militärischen Bedrohungsvorstellungen und der amerikanischen Wahrnehmung, China wolle in Ostasien eine exklusive Einflusssphäre etablieren. Die globale Einflusskonkurrenz ist aufs engste mit der technologischen Dimension der amerikanisch-chinesischen Rivalität verwoben. Es geht dabei um die Vorherrschaft im digitalen Zeitalter. Für die internationale Politik birgt die sich intensivierende strategische Rivalität zwischen den beiden Staaten die Gefahr, sich zu einem strukturellen Weltkonflikt zu verdichten. Dieser könnte eine De-Globalisierung in Gang setzen und zwei Ordnungen entstehen lassen, die eine von den USA dominiert, die andere von China.“ (Abstract)

 

Schmitz, Andrea
Anti-chinesische Proteste in Kasachstan: Was steckt dahinter?
SWP kurz gesagt, 10. September 2019

In Kasachstan nehmen anti-chinesische Proteste zu und in mehreren Städten kam es bereits zu Kundgebungen. Auslöser hierfür waren die Meldungen, China würde Fabriken und chinesische Arbeitskräfte in der kasachischen Provinz Mangystau ansiedeln. In der Region befinden sich die größten Öl-Reserven des Landes, die mithilfe ausländischer – auch chinesischer – Investoren gefördert werden. Gleichzeitig stehen die Arbeitsbedingungen der kasachischen Arbeitskräfte in der Kritik, die schlechter als die der chinesischen Facharbeiter seien. Auf die gesamte Wirtschaft Kasachstans blickend zeichne sich eine zunehmende Verflechtung mit der chinesischen Wirtschaft ab. Besonders für die Seidenstraßeninitiative sei Kasachstan als Energielieferant und Transportkorridor von enormer Bedeutung. Dies bringe zwar auch viele Vorteile, wie die wirtschaftliche Modernisierung durch chinesische Investitionen, jedoch müsse sich die kasachische Politik der Aufgabe des Verlusts der politischen Autonomie und der wirtschaftlichen Abhängigkeit stellen.

 

Eswar Prasad
Which country is better equipped to win a US-China trade war?
Brookings Institution, 12. August 2019

Die USA und China unternehmen weiterhin wenig, um den derzeitigen Handelskrieg zu entschärfen. Eswar Prasad analysiert deshalb, welcher der beiden Staaten besser für den Handelskonflikt gewappnet ist. China besitze hierbei den Vorteil, dass die Wirtschaft in hohem Maße gesteuert und die politische Führung gegen Krisen resistenter sei. Zusätzlich dominierten Staatsunternehmen die chinesische Wirtschaft und die Mehrheit der Banken gehöre dem Staat. Chinas Führung habe somit einen leichteren Zugang zu günstigen Krediten und könnte die Wirtschaft durch Investitionen ankurbeln. Dagegen sei die Wirtschaft der USA ungefähr um 50 Prozent größer als die Chinas und sei zudem weniger von Exporten abhängig. Diesbezüglich exportiere China mehr Waren in die USA als die Vereinigten Staaten importierten. Kurzfristig seien die Schäden somit in China höher als in den USA. Prasad resümierend, verfügten somit beide Seiten über Vorteile, die letztlich dazu führen könnten, dass keines der beiden Länder als Gewinner aus dem Handelskrieg hervorgehen werde.

 

Holger Görg / Halou Mao
Friends like this: The Impact of the US – China Trade War on Global Value Chains
Kiel Centre for Globalization Working Papers Nr. 17, August 2019

Holger Görg vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel und Halou Mao untersuchen den Einfluss des Handelskrieges zwischen den USA und China auf die Weltwirtschaft. Die immer stärker steigenden Zölle haben dabei einen indirekten Einfluss auf Güter in anderen Ländern, die dadurch einen erheblichen Kostenanstieg zu verzeichnen haben. Dies liege daran, dass die US-amerikanischen und chinesischen Produkte weiter verarbeitet und in Drittländer exportiert werden, wodurch sich deren neue Produkte verteuern. Über mehrere Exportschritte könnten sich die Zölle somit erhöhen und zu steigenden Kosten beitragen. Dies betreffe besonders die Zölle auf chinesische Produkte, weshalb Mexiko und Kanada in erheblichen Maße von dem Handelskrieg betroffen sind. Somit bestehe ein dringender Anreiz für Drittländer, vermittelnd in den Handelskrieg einzugreifen.

 

Heribert Dieter
Chinas Verschuldung und seine Außenwirtschaftsbeziehungen. Peking exportiert ein gefährliches Modell
SWP-Studie 2019/S 18, August 2019

Das wirtschaftliche Wachstum Chinas beruhe seit 2008 in erheblichem Maße auf der Verschuldungspolitik des Landes. Durch diese Politik bestehe eine Gefahr für die wirtschaftliche Stabilität in China, die Folgen einer Wirtschaftskrise hätten dagegen gravierende Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft. Laut Heribert Dieter, Experte für globale wirtschaftliche Fragen, müsse sich China entweder für die wirtschaftliche Stabilität oder für das Wachstum entscheiden, da beides nicht gleichzeitig erreicht werden könne. Durch das Projekt „Neue Seidenstraße“ werde jedoch dieses gefährliche Modell in viele Länder exportiert, denen dadurch neue Schulden aufgelastet würden. Europäische Länder, insbesondere Deutschland, könnten auf die chinesische Strategie mit einer eigenen Initiative antworten und sich an die Länder richten, die von Chinas Politik betroffen sind. Präsident Xi Jinping habe letztlich nur die Wahl zwischen zwei Übeln: die Verschuldung zu reduzieren und Wachstumseinbrüche hinzunehmen oder die Verschuldung weiter wachsen zu lassen.

 

Eswar Prasad
Which country is better equipped to win a US-China trade war?
Brookings Institution, 12. August 2019

Die USA und China unternehmen weiterhin wenig, um den derzeitigen Handelskrieg zu entschärfen. Eswar Prasad analysiert deshalb, welcher der beiden Staaten besser für den Handelskonflikt gewappnet ist. China verfüge dabei über den Vorteil, dass die Wirtschaft in hohem Maße zentral gesteuert werde und die politische Führung gegen Krisen resistenter sei. Zusätzlich dominierten Staatsunternehmen die chinesische Wirtschaft und die Mehrheit der Banken gehöre dem Staat. Chinas Führung habe somit einen leichteren Zugang zu günstigen Krediten, um die Wirtschaft durch Investitionen anzukurbeln. Dagegen sei die Ökonomie der USA ungefähr 50 Prozent größer als die Chinas und sei zudem weniger von Exporten abhängig. Dabei exportiere das Reich der Mitte mehr Waren in die USA als es aus den Vereinigten Staaten importiere. Kurzfristig seien die Schäden somit in China höher als in den USA. Prasad resümiert, dass somit beide Seiten ihre Vorteile haben, die letztlich darin münden werden, dass keines der beiden Länder als Gewinner aus dem Handelskrieg hervorgeht.

 

Holger Görg / Halou Mao
Friends like this: The Impact of the US – China Trade War on Global Value Chains
Kiel Centre for Globalization, Working Papers Nr. 17, August 2019

Holger Görg vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel und Halou Mao widmen sich dem Einfluss des Handelskrieges zwischen den USA und China auf die Weltwirtschaft. Die immer stärker steigenden Zölle übten dabei einen indirekten Einfluss auf Güter in anderen Ländern aus, die dadurch einen erheblichen Kostenanstieg zu verzeichnen haben. Dies liege daran, dass die US-amerikanischen und chinesischen Produkte weiter verarbeitet und in Drittländer exportiert werden, wodurch sich deren neue Produkte verteuerten. Über mehrere Exportschritte könnten sich die Zölle somit anhäufen und zur Verteuerung beitragen. Besonders betreffe dies die Zölle auf chinesische Produkte, weshalb Mexiko und Kanada in erheblichem Maße von dem Handelskrieg betroffen sind. Somit bestehe ein dringender Anreiz für Drittländer, vermittelnd in den Handelskrieg einzugreifen.

 

Max J. Zenglein / Anna Holzmann
Made in China 2025. Wie weit China auf dem Weg zu globaler Technologieführerschaft bereits gekommen ist
Mercator Institute for China Studies, 2. Juli 2019

„Als die chinesische Führung vor vier Jahren ihre Industriestrategie Made in China 2025 (MIC25) vorstellte, sorgte sie damit weltweit für Irritationen. Die Blaupause für Chinas Weg zur Industriesupermacht hat auf Seiten ausländischer Unternehmen, Verbände und Regierungen die Sicht auf China verändert. Die Volksrepublik gilt seitdem als systemischer Wettbewerber und nicht länger nur als Partner. Made in China 2025 ist zwar inzwischen aus der offiziellen Rhetorik der chinesischen Führung verschwunden. An den Zielen aber hält Beijing fest und setzt die Industriestrategie bereits um: Bis 2025 will China in zehn Schlüsseltechnologien weltweit führende Unternehmen hervorbringen. Bis 2049 soll das Land zur technologischen Supermacht aufsteigen.
Die beiden MERICS-Autoren Max J. Zenglein und Anna Holzmann charakterisieren Made in China 2025 als Versuch, den hybriden chinesischen Staatskapitalismus zu optimieren. In ihrer Studie „Evolving Made in China 2025: China‘s industrial policy in the quest for global tech leadership“ skizzieren sie, wie Beijing seine Industriestrategie in den vergangenen Jahren immer wieder angepasst, auf Rückschläge reagiert, Pilotprojekte ins Leben gerufen und massiv in Forschung und Entwicklung strategisch wichtiger Industrien investiert hat.“ (Zusammenfassung)

 

Rana Mitter
How the one-party state may shape our future
Chatham House, The World Today, Juli 2019

China strebe derzeit danach, die Zukunft nach seinem Verständnis zu formen. Während auf nationaler Ebene die Partei-Maxime der sozialistischen Werte im Vordergrund stehe, ringe das Land außenpolitisch nach ökonomischem, politischem und militärischem Einfluss. Dafür benötige China jedoch die Dynamik, die es erst in eine wirtschaftliche und politische Machtstellung gebracht habe. Hierzu müsse sich das Land laut Rana Mitter, Professor für die Geschichte und Politik Chinas an der University of Oxford, besonders im sozialen und im wirtschaftlichen Bereich öffnen. Die Redefreiheit und die wirtschaftlichen Aktivitäten wären hierbei besonders betroffen. Wahrscheinlich ist solch eine Entwicklung jedoch nicht, da Xi Jinping bisher keine Liberalisierung des Landes vorangetrieben habe. Die demografische ‚Zeitbombe‘ der Ein-Kind-Politik könne dagegen ein politisches Umdenken erwirken.

 

Jonathan D. Pollack / Jeffrey A. Bader
Looking before we leap: Weighing the risks of US-China disengagement
Brookings Policy Brief, Juli 2019

In den vergangenen Jahren habe es eine zunehmend gegensätzliche Entwicklung der amerikanischen Ansichten über China (insbesondere in elitären Meinungskreisen) gegeben. Auch wenn dies zum Teil auf Chinas Verhalten und die Politik der Trump-Administration zurückzuführen sei, würden diese Veränderungen im US-Denken ein größeres Unbehagen über die Auswirkungen von Pekings Aufstieg als Weltmacht widerspiegeln. Jonathan Pollack und Jeffrey Bader, Fellows am John L. Thornton China Center der Brookings Institution, sind der Meinung, dass China als eine immer größere Gefahr für die US-amerikanischen kommerziellen, politischen und Sicherheitsinteressen angesehen wird. Bei vielen dominiere deshalb die Frage, wie der chinesische Aufstieg gestoppt werden könne und weniger, wie die neue Beziehung zu gestalten sei. Dies sei jedoch der falsche Weg, da China keineswegs die neue Position als Weltmacht leichtfertig wieder hergeben werde. Aus diesem Grund sollten die USA die Beziehung behutsam aufbauen und die Nachteile der Globalisierung im eigenen Land mildern, um erneut in einer offenen globalisierten Welt eine vorteilhafte Stellung einzunehmen.

 

Annegret Bendiek / Nadine Godehardt / David Schulze
Das Zeitalter der digitalen Geopolitik
IPG-Journal, 5. Juli 2019

Die Autorengruppe sieht den derzeitigen Konflikt zwischen den USA und China um den Technologiekonzern Huawei als Beginn eines neuen Zeitalters der digitalen Geopolitik. Neben Huawei seien noch weitere chinesische Firmen der Supercomputer-Industrie auf die Sanktionsliste des US-Handelsministeriums gesetzt worden, was einem Embargo gleichkomme. Während die politische Führung Chinas von protektionistischen Maßnahmen absehe, erkenne sie in dem Ausschluss vom US-Markt einen feindlichen Akt. Digitale Geopolitik meine in diesem Kontext das Zusammenspiel von territorialer Machtpolitik wie durch die USA oder China und dezentraler transnationaler Netzwerke, die sich unabhängig von den politisch fixierten Standorten bewegen. Ein neuer Trend sei hierbei die Verflechtung der beiden Entwicklungen, die sich besonders deutlich durch den Streit um Huawei zeigten. Der europäische Binnenmarkt drohe in diesem Verlauf zu einem Ort eines technologischen Stellvertreterkrieges zwischen den USA und China zu werden.

 

Tim Rühlig / John Seaman / Daniel Voelsen
5G and the US-China Tech Rivalry – a Test for Europe’s Future in the Digital Age
SWP Comment, 29. Juni 2019

Lange Zeit war Huawei für viele Europäer nur einer von vielen Smartphone-Herstellern, aber in den zurückliegenden Monaten hat sich der Tech-Riese zu einem Symbol für einen hochrangigen Konkurrenzkampf zwischen den Vereinigten Staaten und ihrem immer ehrgeizigeren und leistungsfähigeren Herausforderer China entwickelt. Wie die Autoren zeigen, gestaltet sich der bevorstehende Ausbau der 5G-Infrastruktur zu einem wichtigen Schlachtfeld in einem breiteren Kampf um die Kontrolle über die Zukunftsbranchen. Europa sei inzwischen auf dem Rückzug und müsse dringend eine Strategie entwickeln, die es nicht nur durch die aktuelle 5G-Debatte, sondern auch durch die noch kommenden technologischen Rivalitäten führt.

 

Sebastian Horn / Carmen Reinhart / Christoph Trebesch
China’s Overseas Lending
Institut für Weltwirtschaft, Kieler Arbeitspapiere 2132, Juni 2019

„Das Kiel Working Paper Nr. 2132 ‚China’s Overseas Lending‘ zeigt erstmals ein umfassendes Bild der von China ins Ausland vergebenen Kredite und anderer Finanzströme. Dafür führten die Wissenschaftler Sebastian Horn (Universität München, IfW Kiel), Carmen Reinhart (Harvard University) und Christoph Trebesch (IfW Kiel) Daten aus über sechs Jahrzehnten aus zahlreichen öffentlichen und nicht-öffentlichen Quellen zusammen. Erfasst sind tausende Kredite an 152 Länder und daraus entstehende Zins- und Tilgungsverpflichtungen.“ (Medieninformation IfW)

 

Tarun Chhabra et al.
Rethinking US-China competition: Next generation perspectives
Brookings Institution Interview, Juni 2019

Dieses Transkript eines Interviews zwischen dem Vizepräsidenten und vier China-Experten der Brookings Institution beschäftigt sich mit dem Verhältnis der USA zu China und greift Annahmen heraus, die bereits nach Ende des Kalten Krieges getroffen wurden. Es wird hierzu unter anderem diskutiert, inwiefern China die ehemalige Position der Sowjetunion in einem Kalten Krieg einnehmen könnte. Das wachsende Gewicht Chinas und seine Auswirkungen werden in Asien und der ganzen Welt zunehmend deutlicher. Aufgrund der Verflechtung sind deshalb immer mehr Themenbereiche auch von den Beziehungen zwischen den USA und China betroffen. Dieser strategische Wettbewerb zwischen der alten und der neuen Weltmacht würden von den USA konzentrierte Bemühungen abverlangen, die weit über Sicherheitsfragen hinausgehen. Aus diesem Wettbewerb müsse kein Konflikt entstehen, jedoch mahnen die Autoren in dieser Hinsicht zur Aufmerksamkeit und langfristigen Sorgfalt.

 

Janis Kluge
Sino-Russian Chimera
Berlin Policy Journal, 27. Juni 2019

Im Zuge der westeuropäischen Entfremdung von Russland durch die Krim-Krise habe sich die Beziehung zwischen Russland und China enorm verbessert. Ein wichtiger Faktor bestehe hierbei durch die Personalisierung des Verhältnisses beider Länder mit den Staatschefs Waldimir Putin und Xi Jinping. Janis Kluge, Experte für Osteuropa und Eurasien, sieht eine auf besonders personenfixierte Länderfreundschaft jedoch auch als Risiko, da die bilaterale Beziehung durch einen Führungswechsel unmittelbar in eine andere Richtung verlaufen könnte. Ein weiterer Bestandteil der Beziehung Russlands nach Fernost bestehe in der wirtschaftlichen Kooperation und in der Sibirien-Pipeline, mit der China durch russisches Erdgas versorgt werden soll. Kritische Sachverhalte existieren jedoch auch vor allem im Bereich der chinesischen Investitionen. Chinesische Firmen würden wegen der stagnierenden Wirtschaft in Russland Investitionen meiden, weshalb das chinesische Investitionsvolumen derzeit nur 0,9 Prozent aller Direktinvestitionen in Russland ausmache. Kluge schließt mit einem Rat für die EU, die in dieser außenpolitischen Entwicklung analysieren müsse, an welcher Stelle ihre Interessen gefährdet sind. Beteiligt an der neuen russisch-chinesischen Freundschaft sind die westlichen Staaten jedenfalls dadurch, dass China enorm von den schlechten Beziehungen des Westens zu Russland profitiere.

 

Joel Sandhu
What’s at Stake Amid Hong Kong’s Extradition Protests?
Global Public Policy Institute Interview, 15. Juni 2019

Joel Sandhu, Projektmanager beim GPPI in Berlin, forscht zu Chinas Sicherheitspolitik und erklärt in diesem Interview die Hintergründe zu den Protesten über das Auslieferungsgesetz in Hongkong. Besonders kontrovers an dem wahrscheinlich aus Peking stammenden Entwurf sei die daraus folgende Möglichkeit zur Auslieferung nach Festlandchina. Betroffen von den Folgen seien Bürger aus Hongkong, Geschäftspersonen und sogar Touristen. Unterstützung würden die Protestierenden dabei von Richtern erhalten, welche die Unabhängigkeit und die Integrität Hongkongs in Gefahr sehen. Daneben könne die Wirtschaft erhebliche Schäden durch die Freiheitseinschränkungen nehmen, indem Hongkong nicht mehr als sicherer und freier Markt wahrgenommen wird.

 

Frédéric Krumbein
China im Wettstreit mit den USA um globalen Einfluss
SWP-Aktuell 2019/A 27, April 2019

„Seit dem Machtantritt von Staats- und Parteichef Xi Jinping 2012/2013 hat sich in Chinas Innen- und Außenpolitik ein fundamentaler Wandel vollzogen. Zwei zentrale Motive bestimmen Xis Kurs: zum einen die Konzentration der Macht auf die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) und seine Person, verbunden mit intensiver Kontrolle der Gesellschaft; zum anderen die Stärkung des chinesischen Nationalismus. In der Außenpolitik hat Xi ambitionierte Ziele gesetzt: Der regionale und globale Einfluss der Volksrepublik soll weiter ausgebaut werden. 40 Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Peking und Washington sehen die USA in China zunehmend eine Bedrohung für ihre globale Macht und ihre demokratischen Werte.“ (Zusammenfassung)

 

Michael Paul
Allianz auf hoher See? Chinas und Russlands gemeinsame Marinemanöver
SWP-Aktuell 2019/A 24, April 2019

„Anlässlich des 70. Gründungsjubiläums der nationalen Marine findet am 23. April 2019 vor der Küste von Qingdao eine Flottenparade mit mehr als dreißig chinesischen Schiffen statt. Chinas Marine hat sich – auch dank jahrzehntelanger russischer Rüstungshilfe – zur größten Asiens entwickelt; Moskau hat ‚den Drachen gefüttert‘. Aus Sicht Pekings haben die chinesischen Streitkräfte aber ein schwerwiegendes Manko: mangelnde Einsatzerfahrung. Auch hier unterstützt der Kreml. Seit dem ersten gemeinsamen Manöver im Jahr 2005 hat die Zusammenarbeit auf vielen Ebenen zugenommen. Sino-russische Seemanöver dienen inzwischen auch als Drohkulisse für Chinas Besitzansprüche im Südchinesischen Meer oder bei den sino-japanischen Streitigkeiten im Ostchinesischen Meer. Moskau und Peking nutzen die gemeinsamen Marineübungen, um geopolitische Signale zu setzen. Allem Misstrauen zum Trotz scheint die Kooperation auf einem relativ stabilen Fundament partnerschaftlicher Beziehungen zu ruhen. Aber handelt es sich deshalb schon um eine Allianz?“ (Zusammenfassung)

 

Michael Paul
Chinas nukleare Abschreckung. Ursachen, Mittel und Folgen der Stationierung chinesischer Nuklearwaffen auf Unterseebooten
SWP-Studie 2018/S 17, September 2018

„Im Vergleich zu den großen Kernwaffenmächten USA und Russland hat China ein bescheidenes nukleares Abschreckungsdispositiv. Peking strebt keine Fähigkeit zur nuklearen Kriegsführung an, sondern sucht auf geringem Niveau mit einer gesicherten Zweitschlagsfähigkeit vor einer Aggression abzuschrecken. Anders als im Falle der rapiden konventionellen Aufrüstung hat China seine Atomwaffensysteme in der Vergangenheit nur langsam und in kleinen Stückzahlen modernisiert. Dies legt die Vermutung nahe, dass Peking prinzipiell keine Gleichrangigkeit mit der Nuklearwaffenkapazität der USA oder Russlands anstrebt und einen symmetrischen Rüstungswettlauf vermeiden will. Allerdings betreibt die chinesische Führung in jüngster Zeit eine immer ambitioniertere asymmetrische Nuklearrüstung. So werden mittlerweile auch Unterseeboote mit strategischen Nuklearwaffen ausgerüstet. Die Stationierung von Nuklearwaffen auf Unterseebooten ist mit einem großen Aufwand, komplexen Herausforderungen und hohen Kosten verbunden. Warum hat sich China für diese Lösung entschieden und welche weiteren Folgen sind damit verbunden? Stellt sie unter Umständen eine Zäsur in der chinesischen Nuklearstrategie dar? Wie kann China insbesondere unter den Bedingungen der Verwundbarkeit strategischer Systeme an der Politik des Nichtersteinsatzes von Kernwaffen festhalten? Da die strategischen, mit ballistischen Langstreckenraketen bestückten Unterseeboote im Südchinesischen Meer stationiert sind, erhält der international ausgetragene Streit um den chinesischen Besitzanspruch auf dieses pazifische Randmeer zusätzliche politische Brisanz.“ (Zusammenfassung)

 

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Rezensionen

Mischa Hansel / Sebastian Harnisch / Nadine Godehardt (Hrsg.)

Chinesische Seidenstraßeninitiative und amerikanische Gewichtsverlagerung. Reaktionen aus Asien

Baden-Baden, Nomos Verlag 2018

Es müsse sich erst noch herausstellen, welcher Art die Belt and Road Initiative, die ein zentrales Element der Außenpolitik des chinesischen Präsidenten Xi Jinping bilde, sein werde, so Rezensent Rainer Lisowski. Einige sehen wirtschaftliche Chancen in ihr, andere den Versuch, eine chinesisch geprägte Einflusssphäre zu schaffen. Oftmals werde übersehen, wie die USA mit dem Pivot to Asia versuchten, dagegenzuhalten. Zu eruieren, welchen Einfluss die beiden Initiativen auf die Außen- und Sicherheitspolitik der asiatischen Staaten ausüben, sei das Ziel des Sammelbandes.
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Theo Sommer

China First. Die Welt auf dem Weg ins chinesische Jahrhundert

München, C. H. Beck 2019

Theo Sommer (langjähriger Herausgeber der ZEIT) blickt in dieser Analyse Chinas nicht nur auf über vier Jahrzehnte Erfahrungen als China-Kenner zurück. Vielmehr berichtet er auch über den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes, analysiert die (geo-)politische Rolle des Reichs der Mitte und zeigt die Spannungslinien Chinas mit den Nachbarn und dem Westen auf. Nach Meinung des Rezensenten Rainer Lisowski zeichnet sich die Publikation durch sorgsames Abwägen und viele Details aus. Besonders der erste Abschnitt „China erwacht" sei spannend zu lesen.

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Kerry Brown

Die Welt des Xi Jinping. Alles, was man über das neue China wissen muss

Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2018

Kerry Brown bietet keine kritische Besprechung der chinesischen Regierungspolitik oder der neuen Ideologisierung, sondern interpretiert Xi Jinpings Handlungsmotive und erläutert so dessen Politik. Gefragt wird nach seinen Absichten, aber auch, welche Erfolge er vorweisen kann. Das Fazit fällt nüchtern aus: Brown sieht die einzige Aufgabe Xis aktuell darin, die bis dato erfolgreiche Entwicklung der Volksrepublik „nicht kaputt“ zu machen. So plausibel die Darstellung insgesamt ist, fehlt dennoch eine Problematisierung der Gefahren durch den erstarkenden Nationalismus – für China selbst, aber auch für dessen internationale Rolle.
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Aus der Forschung

Sarah Kirchberger, Institut für Sicherheitspolitik Kiel (ISPK)
Forschungsprojekt: Die Bedeutung von Chinas Aufstieg zur Großmacht

Chinas Aufstieg hat politische, wirtschaftliche und militärische Auswirkungen auf die internationale Ordnung. Das Ziel des Forschungsprojektes ist es, die „vielfältigen Veränderungen, Herausforderungen und Chancen im Hinblick auf ihre strategischen Implikationen für Deutschland und Europa zu untersuchen. Mehrere Teilprojekte der Abteilung Strategische Entwicklung in Asien-Pazifik widmen sich dieser Aufgabe mit jeweils unterschiedlichen Fragestellungen und Methoden.“ (Projekt-Website)

 

Ruth Achenbach / Stefan Schmid
Überblick über das Forschungsprojekt AFRASO „Afrikas Asiatische Optionen“


Aus den Medien

Süddeutsche Zeitung, Projekt über die Lage in der Provinz Xinjiang
Überblick über die Recherche zu den China Cables

 

Interview mit Adrian Zenz
"Es handelt sich um kulturellen Genozid"
Tageschau.de, 24.November 2019

 

Austin Ramzy / Chris Buckley
‘Absolutely No Mercy’: Leaked Files Expose How China Organized Mass Detentions of Muslims
The New York Times, 16. November 2019

 

M. Taylor Fravel
Active Defense. China’s Military Strategy Since 1949
Video, in dem M. Taylor sein Buch über Chinas Sicherheitsstrategie vorstellt.

 

The China NGO Project
Shanghai Newspaper Accuses American NGOs of Supporting Hong Kong Protests
ChinaFile, 17. Juli 2019

 

Adrian Zenz
Adrian Zenz über Umerziehungslager in Xinjiang
Merics Podcast, 11. Januar 2019


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