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Matthias Maass (Hrsg.): The World Views of the Obama Era

11.04.2018
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Autorenprofil
Frank Kaltofen, M.A.
Basingstoke, Palgrave Macmillan 2018

Von der Hoffnung zur Desillusion. Rund um den Globus: Der Blick auf die Ära Obama

Die Botschaften Barack Obamas von „Hope“ und „Change“ wirken heute eine halbe Ewigkeit entfernt – und tatsächlich liegen sie, ob man es glaubt oder nicht, schon nahezu ein Jahrzehnt zurück. Während inzwischen eine Art Gegenentwurf zu ihm vom Oval Office aus die Welt mit Tweets in Atem hält, versuchen sich US-amerikanische und internationale Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche längst daran, die acht Jahre der Obama-Präsidentschaft geschichtlich einzuordnen und im Hinblick auf verschiedene Politikfelder und Reformvorhaben zu bilanzieren. Unabhängig von Themenfokus und Betrachter fällt dabei das Resümee in der Regel eher gemischt, häufig sogar enttäuscht aus.

Eine solche Bilanzierung ist auch das Anliegen des Sammelbandes „The World Views of the Obama Era“, kompiliert von Matthias Maass, Experte für Internationale Beziehungen an der Yonsei University in Südkorea. Der Buchtitel verweist dabei darauf, dass es sich um den Nachfolgeband zu „The World Views of the US Presidential Election“ (erschienen 2010, ebenfalls bei Palgrave Macmillan und herausgegeben von Matthias Maass) handelt. Auch diesmal werden in mehr als einem Dutzend Beiträge jeweils länderspezifische Perspektiven auf Barack Obama und seine Amtszeit – in diesem Fall freilich rückblickend – präsentiert. Überraschen wird bereits der Blick in das Inhaltsverzeichnis: Üblicherweise betrachtete, weil wichtige Partnerländer der USA (wie Großbritannien, Japan oder auch Deutschland) fehlen hier; dafür liegt der Fokus auf Ländern, die in derartigen Kompendien sonst oft keinen Eingang finden.

Wenig überraschen wird dagegen der Grundtenor, da dieser im Zusammenhang mit Obama bereits seit Jahren in der wissenschaftlichen Literatur und der Publizistik immer wieder auftaucht: hohe Erwartungen an den ersten schwarzen US-Präsidenten, nicht zuletzt als eine Art kollektiver Erleichterung über das Ende der Bush-Administration; erhebliche Ambitionen Obamas sowie Vorschusslorbeeren (man denke an den Friedensnobelpreis für ihn nach nicht einmal einem Jahr im neuen Amt) und schließlich die Enttäuschung über das selbst- oder fremdverschuldete Nichterreichen großer Ziele. Dieses Narrativ zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und ist an sich weder eine neue noch eine bahnbrechende Erkenntnis.

Besondere Hoffnungen machte man sich auf dem afrikanischen Kontinent – Herausgeber Maass spricht einleitend von einer „hope for a pivot to Africa“ (3) –, da Obamas Vater aus Kenia stammte. Ein eigenes Kapitel zur Bilanz aus Sicht Kenias macht deutlich, dass die Erwartungen für einen „Bonus“ sicher enttäuscht wurden, aber dennoch eine intensivierte Kooperation, insbesondere im Energiesektor, durch US-amerikanische Investitionen stattfand: „[Obama] delivered for Kenya in traditional expectations on investment, trade expansion and security cooperation“ (61).

Auch aus Sicht Nigerias müsse festgehalten werden: „It became clear shortly after Obama was sworn in that the US relations with Africa let alone Nigeria would not fundamentally change.“ (34) – unter drei verschiedenen nigerianischen Präsidenten während Obamas Zeit im Weißen Haus standen jeweils Sicherheitspolitik und Terrorismusbekämpfung im Vordergrund. Cassandra Veney beschreibt in ihrem Kapitel auch die enttäuschten Erwartungen der nigerianischen Regierung beim Kampf gegen die Miliz Boko Haram, da die USA hier wenig Enthusiasmus zeigten, das ihrer Ansicht nach korrupte Militär Nigerias zu unterstützen.

Während es bei diesen beiden afrikanischen Ländern also insgesamt eher moderate Veränderungen im Verhältnis zu den USA während Obamas Amtszeit gab, kam es im Falle Ägyptens zu einer akuten Krise der bilateralen Beziehung, wie Nael Shama in seinem Beitrag darlegt. Dennoch blieb Ägypten von hoher strategischer Bedeutung für die US-amerikanische Außenpolitik – ein Umstand, der für das regional- und sicherheitspolitisch enorm wichtige NATO-Partnerland Türkei ebenso zutrifft, für das Müge Kınacıoğlu und Aylin G. Gürzel Aka wiederum das zerrüttete Verhältnis zu Washington zusammenfassen.

Die meisten der Aufsätze beschreiben also die bilateralen Beziehungen und bilden die länderspezifische Sicht auf die Bilanz der Obama-Administration ab. Eine echte gemeinsame Fragestellung oder Struktur haben sie jedoch nicht; manche sind nicht viel mehr als eine Nacherzählung der bilateralen Ereignisse, andere legen den Fokus mehr auf das jeweilige Land selbst und dessen politische Entwicklung statt auf die Beziehungen. In diesen Fällen scheint Obama eher der Aufhänger als der Fokus zu sein.

Einige Beiträge rufen grundlegendere Entwicklungen der acht Obama-Jahre (und der Zeit davor) in Erinnerung, etwa das lesenswerte Kapitel von Ivan Kurilla und Victoria I. Zhuravleva zu Russland. Selbstverständlich steht auch hier zunächst der vielbeschworene „Reset“ des russisch-amerikanischen Verhältnisses im Zentrum. Dieser habe sich jedoch schnell zu einer ausgewachsenen Krise der Beziehungen gewandelt. Die beiden Autoren betrachten Stimmungen in der russischen Bevölkerung, und das keineswegs nur in der Obama-Zeit, sondern stellen wiederkehrende Einstellungsmuster seit dem Ende der Blockkonfrontation heraus. Ihre durchaus theorielastige Prämisse lautet: „The American ‚other’ continues to be significant for the creation of post-Soviet Russian identity.“ (115) Diese binden sie jedoch eng an die Empirie an und beschreiben mehrere Phasen der russischen Wahrnehmung Amerikas, darunter die geradezu bösartigen russischen Darstellungen Obamas im Zuge der diplomatischen Krisen rund um die Krim- und Syrienpolitik.

Dass nicht alle Beiträge des Sammelbandes Post-Obama-Momentaufnahmen sind, zeigt auch Ronnie Olesker. Seine Analyse zu Israel ist eine gewinnbringende Lektüre, da sie Trends über die einzelne Präsidentschaft hinaus beleuchtet, nämlich die demografischen Veränderungen in den USA, im Speziellen im Judentum: „American Jews, a majority of whom vote Democrat, are becoming more critical of Israel, while becoming less religious“ (172), erläutert Olesker, weswegen Kritik an Israels Politik, etwa hinsichtlich des Siedlungsbaus, für einen demokratischen Präsidenten tendenziell einfacher zu äußern war. Eine Verschlechterung des Verhältnisses – vor allem aufgrund des Iran-Atomabkommens und der persönlichen Differenzen der beiden Führungspersönlichkeiten Barack Obama und Benjamin Netanjahu – lässt sich dennoch konstatieren. Olesker zeigt aber auch, dass dies der sehr umfangreichen Sicherheitspartnerschaft beider Länder, auch aus strategischen Interessen, keinen Abbruch getan hat.

Obamas veränderte Politik im Nahen Osten, aber auch gegenüber Europa haben zahlreiche Beobachter als Ausdruck eines „shift to Asia“ gedeutet. Das Austarieren des Verhältnisses zur aufstrebenden VR China war dabei wohl eine der größten Herausforderungen – die aus Sicht Südkoreas, so beschreibt Mason Richey, keineswegs zufriedenstellend gelungen sei. Diese fehlende Strategie habe in dem ostasiatischen Land, das sich in einer alles andere als spannungsfreien geopolitischen Lage befindet, zu Enttäuschungen geführt – dennoch war Obama als Person bis zum Schluss seiner Amtszeit sehr populär. „Perhaps ROK support for Obama was informed by the melancholy realization that any US president would have foundered given the circumstances.“ (259) – Diese Einschätzung Richeys greift an diesem speziellen Länderbeispiel das Grundnarrativ des Sammelbandes wieder auf. In seinem Abschlusskapitel bilanziert Herausgeber Matthias Maass: Obamas „major achievement lies in the recovery and repair of America’s standing“ (327). Inwiefern dies tatsächlich der Fall ist, wird sich aber wohl erst mit einigem historischen Abstand zu seiner Amtszeit beurteilen lassen.

 

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