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Das nächste Projekt. Eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik

21.01.2020
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Dr. Thomas Jansen

Federica Mogherini Foto Lukasz Kobus EU Kommission audiovisueller Dienst P 03592300 22 httpswwwconsiliumeuropaeuenmeetingseuropean council20171214 15Die Stärkung der Verteidigungszusammenarbeit stand im Dezember 2017 auf der Agenda der EU-Staats- und Regierungschefs, die die Einführung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) begrüßten. Im Bild ist die damalige Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini. Foto: Lukasz Kobus, EU-Kommission, audiovisueller Dienst, P-035923/00-22.

 

Die Einigung Europas ist kein Zustand, sondern eine Bewegung. Solange diese Bewegung anhält, solange besteht Hoffnung, dass sie ihr Ziel erreicht, nämlich die politische Einheit des Kontinents. Die auf dieses Ziel ausgerichtete Bewegung wurde im Laufe der zurückliegenden 70 Jahre ihrer Geschichte immer wieder angeschoben und angetrieben von Projekten, die einzelne Sektoren des politischen und wirtschaftlichen Lebens der an diesem Prozess beteiligten Staaten und Völker zusammenbrachten, um sie in einer neuen demokratischen Ordnung einem gemeinschaftlichen Regime zu unterwerfen. Dabei ging es immer um solche Sektoren, von denen aufgrund der Interessen der Partner und der Dringlichkeit der jeweiligen Probleme ein möglichst großes Maß an Konsens und an Bindewirkung erwartet werden konnte.

Schon die Anfänge der Einigungsbewegung standen unter dem Zeichen der Sektor-Integration. Kohle und Stahl waren nach den Erfahrungen des Krieges, der zu Beginn des Integrationsprozesses erst vor wenigen Jahren zurücklag, entscheidend für die Kriegsführung. Es entstand die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, durch die auf Dauer verhindert werden sollte, dass die Mitgliedstaaten noch einmal gegeneinander in den Krieg ziehen konnten. Das war ein Stück institutionalisierter Friedenssicherung.

In den Sechzigerjahren war es die gemeinschaftliche Landwirtschaftspolitik, die im Hinblick auf die Versorgungsicherheit, aber auch wegen ihrer Bedeutung für große Teil der Bevölkerung angesichts der diesem Bereich erfolgten Umbrüche eine neue, zuverlässige Grundlage für ihre Arbeit bringen sollte.

Ein prominentes Beispiel aus den Neunzigerjahren ist die Währungsunion. Dazwischen liegen weitere, nicht immer geglückte oder zu Ende gebrachte Bemühungen, unter anderem die Vergemeinschaftung der Regional-, Umwelt-, Verkehrs- Industriepolitik usw.

Und heute? Welches ist das nächste Projekt, das der Europäischen Union einen neuen Schwung und zusätzliche politische Stabilität geben könnte? Es ist wohl nicht der „Green Deal“, den die Kommission als Antwort auf die Herausforderung des Klimawandels angekündigt hat, denn dabei handelt es sich um ein politisches Programm, das ohne grundlegende Weiterentwicklung der Institutionen und Verfahren zu bewältigen sein wird. Das nächste Projekt betrifft wahrscheinlich die Sicherheit und Verteidigung, die den europäischen Staaten aus unterschiedlichen Gründen auf den Nägeln brennt.

Solange die Europäer die Vereinigten Staaten von Amerika als zuverlässige Schutzmacht und als gleichgesinnte Bündnispartner wahrnehmen konnten, haben sie es ertragen, dass ihre Souveränität in Sachen Sicherheit und Verteidigung stark eingeschränkt war. Die Schwächung der NATO durch die Abkehr der Vereinigten Staaten von ihren multilateralen Überzeugungen und Verpflichtungen hat jedoch zu einer Verunsicherung geführt, die in Europa den Wunsch nach Emanzipation und den Ehrgeiz sowie auch die Bereitschaft beleben, für die eigene Sicherheit mehr Verantwortung zu übernehmen.

Es kommen neue Bedrohungen hinzu, die von der expansiven Politik Chinas und des aggressiven Verhaltens Russlands ausgehen. Auch die hohen Kosten der Verteidigung verlangen eine gemeinschaftliche Vorgehensweise beim Einsatz der personellen und materiellen Ressourcen.

Die neue Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat in ihrer früheren Funktion als deutsche Verteidigungsministerin in Zusammenarbeit mit ihrer französischen Kollegin verschiedene Initiativen in diesem Sinn auf den Weg gebracht: die Errichtung einer militärischen Planungs- und Führungskapazität, die Errichtung eines europäischen Verteidigungsfonds und insbesondere auch die Einführung der permanenten strukturellen Zusammenarbeit. Das sind wichtige Elemente einer eigenständigen europäischen Verteidigungsverfassung.

Es ist ganz unwahrscheinlich, dass von der Leyen diese Ansätze in ihrem europäischen Amt nicht weiterverfolgen wird. Dabei wird sie auch auf die Erfahrungen mit dem Projekt der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft aus dem Beginn der Fünfzigerjahre zurückgreifen müssen, das damals allerdings gescheitert war, da die Zeit dafür noch nicht reif war.

 

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