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Wie viele Abgeordnete verträgt unser Parlament? Die Diskussion über die Größe des Bundestages

08.05.2017
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Anke Rösener, Diplom-Politologin

bundestag3 1775037 1280 hochkantGlaskuppel des Reichstagsgebäudes. Foto: Tascalo / pixabay

 

Mit der letzten vom Bundesverfassungsgericht geforderten Wahlrechtsreform von 2013 hat sich eine Debatte über die Praktikabilität und die Folgen des neu eingeführten Ausgleichs von Überhangmandaten entfacht. Befürchtet wird, dass sich der Deutsche Bundestag durch die Ausgleichsmandate enorm vergrößern wird, was zulasten der Effektivität und Legitimität des Parlaments gehen könnte. Bei der Bundestagswahl 2013 fielen vier Überhangmandate an, diese zogen 29 Ausgleichsmandate nach sich. Für die Bundestagswahl 2017 wurden daraufhin verschiedene Berechnungen und Schätzungen unternommen, die zum Teil mehr als 700 Mandate voraussagten. Diese Prognose bewahrheitete sich. Der 19. Deutsche Bundestag umfasst 709 Mandate und ist damit der bislang größte. Um die nächste reguläre Bundestagswahl im Herbst 2021 möglichst unter einem neuen Wahlrecht durchführen zu können, mahnte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble bis Januar 2020 eine Einigung an und eröffnete damit eine erneute Diskussion. Mit der folgenden Auswahl von Materialien sollen der Hintergrund und die wesentlichen Argumente der Debatte näher beleuchtet werden.

 

Gerd Grözinger
Sehr gut, Gut, Akzeptabel. Für ein besseres Wahlgesetz noch zur Bundestagswahl 2021
Verfassungsblog, 11. August 2020

„Kann es eine Lösung geben, die die Zahl der Wahlkreise prinzipiell konstant hält und trotzdem die Anzahl an Abgeordneten verringert? Die vielleicht dabei sogar noch die Treffsicherheit des Wahlprozesses erhöht?“ fragt Gerd Grözinger und erörtert einen Lösungsvorschlag (ExCumLex-Verfahren) mit dem „die Zahl der Direktmandate wenigstens formal nicht verringert und auch ihre Bedeutung einer direkteren regionalen Verankerung nicht [ge]schmälert“ wird.

 

Joachim Behnke
Bundestag: Ende des Wachstums? Vorschläge und Perspektiven für die Wahlrechtsreform
Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 38/2020

Die Entwicklung des deutschen Parteiensystems hat dazu geführt, dass der Bundestag durch Überhang- und Ausgleichsmandate stark gewachsen ist. Sämtliche Wahlrechtsreformvorschläge sind bisher gescheitert. Auch der jüngste Anlauf verspricht keine Besserung, schreibt Joachim Behnke. Er stellt mögliche Stellschrauben und drei Pfade einer Reform vor.

 

Ferdinand Otto / Tilman Steffen
Wahlrechtsreform: Wie der Bundestag kleiner werden könnte
Zeit online, 24. Januar 2020

Die Autoren informieren über den Hintergrund und die aktuellen Reformvorschläge und erläutern, warum eine Einigung so schwierig ist.

 

Patricia Hecht
Gleichberechtigung und Wahlrechtsreform: Frauen spielen keine Rolle
taz, 23. Januar 2020

Bei der anstehenden Reform des Wahlrechts ist Parität kein Thema. Patricia Hecht berichtet über das Scheitern der interfraktionellen Arbeitsgruppe von Frauen aller Bundestagsfraktionen außer der AfD, einen gemeinsamen Antrag für eine Kommission zum Thema „Mehr Frauen in den Bundestag“ zu formulieren.

 

Helmut Stoltenberg
Kein Konsens
Fraktionen können sich nicht auf Vorschlag zur Verkleinerung des Parlaments einigen
Das Parlament 15 / 8. April 2019

Aus Anlass des erneuten Scheiterns der Wahlrechtsreform gibt der Autor gibt einen kurzen Rückblick auf die bisherigen Beschlussempfehlungen und Regelungen zur Reduzierung der Abgeordnetensitze.

 

Robert Roßmann
Druck unter der Reichstagskuppel
Süddeutsche Zeitung, 8. März 2019

Robert Roßmann erläutert und kommentiert die verschiedenen Vorschläge zur Wahlrechtsreform und geht auf sich abzeichnende Allianzen im Entscheidungsprozess ein.

 

Robert Roßmann
Ramponiertes Haus
Süddeutsche Zeitung, 7. April 2019

Kommentar zum Scheitern der Wahlrechtsreform.

 

Albert Funk
Das Parlament braucht eine feste Größe
Der Tagesspiegel, 4. April 2019

Kommentar zum Scheitern der Wahlrechtsreform.

 

Deutscher Bundestag
Größe des Bundestages. Mögliche Auswirkungen der Änderungen des Sitzzuteilungsverfahrens nach der Wahlrechtsreform 2013 auf die Anzahl der Abgeordneten im Deutschen Bundestag – Stand der Diskussion
WD3-3000-002/16, 6. Januar 2016

Mit dieser Dokumentation wird ein Überblick über das Sitzzuteilungsverfahren, mögliche Ursachen für eine Vergrößerung des Bundestages sowie verschiedene Berechnungen von Abgeordnetenzahlen gegeben. Dabei wird auch auf die in der Wissenschaft diskutierten Simulationen über die potenzielle Größe des Bundestages bei Wahlen nach dem aktuellen Wahlrecht eingegangen.

 

Deutscher Bundestag
Größe des Bundestages. Sachstand
WD3-3000-052/16, 16. Februar 2016

Dieser Sachstandsbericht kann als Ergänzung der obigen Dokumentation über die Ursachen für eine Vergrößerung des Bundestages gelesen werden. Darin geht es unter anderem um weitere Faktoren, die für die Vergabe von Ausgleichsmandaten zum Tragen kommen könnten, wie beispielsweis die unterschiedliche Wahlbeteiligung in den Bundesländern.

 

Florian Grotz / Harald Vehrkamp
„598“
Einwurf 1/2017, herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung

Die Autoren bieten eine gut strukturierte Zusammenfassung der wesentlichen Argumente der Debatte. Ihr Vorschlag zielt darauf, bereits die Entstehung von Überhangmandaten zu beschränken. Eine Lösung hierfür sehen sie in einer Wahlkreisreform.

 

Norbert Lammert
Wahlrechtsreform
Vorschlag vom 13. April 2016

In seinem Vorschlag zur Reform des Wahlrechts vom 13. April 2016 plädiert der Bundestagspräsident für eine Deckelung der Abgeordnetenzahl auf 630 Sitze.

 

Tobias Rieth
Bundestagswahl 2017. Wahlrecht und Wahlsystem auf dem Prüfstand
Tagungsbericht, Akademie für Politische Bildung Tutzing, 26. und 27. Januar 2017

Zu den geladenen Experten zählten unter anderem Joachim Behnke, Florian Grotz und Hans Meyer. Unter dem Eindruck der Befürchtung einer Aufblähung des Deutschen Bundestages wurden verschiedene Reformoptionen debattiert. Darüber hinaus ging es auch um die Fragen, wie der Kreis der Wahlberechtigten erweitert und die Wahlbeteiligung erhöht werden könnten.

 

Daniel Friedrich Sturm
Warum die große Koalition nichts gegen den Mega-Bundestag tut
WeltN24, 14. März 2017

Der Autor stellt die wesentlichen Argumente für und gegen eine erneute Reform aus den Reihen der Parteien vor. Erwähnt und zitiert wird auch der Vorschlag des Politikwissenschaftlers Frank Decker, Überhangmandate bundesweit mit Listenmandaten zu verrechnen.

 

Philipp Weinmann
Führt das Wahlrecht zur „Aufblähung“ des Bundestages? Simulationsrechnungen auf Basis des neuen Bundeswahlgesetzes
Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl), Heft 4/2013: 719-741

Philipp Weinmann ermittelt anhand von Simulationsrechnungen die potenzielle Größe des Bundestages bei wechselnden politischen Kräfteverhältnissen. Damit unterzieht er das neue Wahlrecht einem Belalstungstest und kommt zu dem Ergebnis, dass weitere Anpassungen erforderlich sind, um die Zweckmäßigkeit des Wahlrechts aufrechtzuerhalten. Eine der verschiedenen zur Diskussion stehenden Reformoptionen ist das Einstimmensystem, das der Autor näher betrachtet.

 

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Das breit angelegte Informationsportal www.wahlrecht.de versammelt vielfältige Beiträge zum Themenkomplex Wahlen, Wahlrecht und Wahlsysteme. Neben Dokumentationen, Kurzbeiträgen, Nachrichten und Meinungen umfasst das Angebot Gerichtsurteile und Wahlgesetze sowie Ergebnisse aus Umfragen zu aktuellen Wahlen in Deutschland und Europa. Die Problematik von Überhangmandaten, negativem Stimmgewicht und Ausgleichsmandaten wird in mehreren Beiträgen ausführlich erläutert.


Weitere Literatur

Thomas Wolf
Das negative Stimmgewicht als wahlgleichheitswidriger Effekt – Auswirkungen, Bewertung und Chancen einer Neuregelung. Staatsrechtliche Determinanten für ein verfassungskonformes Wahlsystem
Berlin, Duncker & Humblot 2016, Schriften zum Öffentlichen Recht (SÖR) 1317



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