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Reflexionen und Therapievorschläge. Überblick über Aufsätze und Thinktank-Berichte zur Krise der Europäischen Union

02.03.2017
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Sabine Steppat, Dipl.-Politologin

03 Blick aus dem Europäischen ParlamentBlick aus dem Altiero-Spinelli-Gebäude im Europäischen Parlament in Brüssel, Copyright: Europäische Union 2016, Quelle: Europäisches Parlament

 

Zwar bereitet sich die Europäische Union derzeit auf die Feierlichkeiten für das 60. Jubiläum der Römischen Verträge Ende März vor, doch in der EU „brennt“ es laut Jean-Claude Juncker „an allen Ecken und Enden“. So lässt sich eine Krise des sozialen Europas ausmachen, nicht nur die innerstaatliche Ungleichheit hat in den meisten Mitgliedstaaten zugenommen, sondern die Kohäsion in der gesamten EU macht wenig Fortschritte. Besonders problematisch bleibt die soziale Entwicklung in den Mittelmeerländern, wo viele unter der Austeritätspolitik leiden. Populistische Parteien gewinnen an Zustimmung und in Europa macht sich der Nationalismus breit. Zudem haben sich die Briten mehrheitlich dafür entschieden, die Union zu verlassen. Europa befindet sich also in einer tiefen Krise. Doch es besteht Hoffnung, eine Reihe von Vorschlägen liegt auf dem Tisch, wie Europa gestärkt werden kann. So sieht Jürgen Habermas etwa in der Schaffung eines Kerneuropas ein Modell für die Zukunft der Union. Die multiplen Aspekte der Krise finden ihren Widerhall in der Literatur. Daher haben wir eine kleine Auswahl an Thinktank-Berichten und Zeitschriftenaufsätzen zusammengestellt – zum Teil versehen mit den von den Autor*innen angebotenen Kurzzusammenfassungen, mit prägnanten Zitaten oder eigenen Kommentaren. Innerhalb der Gliederungspunkte sind die Lektürehinweise nach den Nachnamen der Autor*innen in alphabetischer Reihenfolge geordnet.

1. Allgemeine Darstellungen der Krise

2. Reflexionen über die Krise
2.1 Auswirkungen der Krise auf die Einstellungen der Bürger
2.2 Auswirkungen der Krise auf das deutsch-französische Verhältnis
2.3 Solidarität in Europa?
2.4 Rückkehr der Nationalstaaten
2.5 Populismus

3. Die Politikbereiche der EU
3.1 Agrarpolitik
3.2 Austeritätspolitik
3.3 Asyl-/Migrations- /Flüchtlingspolitik
3.4 Entwicklungspolitik
3.5 Finanzpolitik
3.6 Handelspolitik
3.7 Industriepolitik
3.8 Lohnpolitik
3.9 Sicherheitspolitik
3.10 Soziale Dimension
3.11 Währungspolitik
3.12 Wirtschaftspolitik

4. Über die EU-Institutionen

5. Auswirkungen der Krise in einigen Mitgliedstaaten oder Regionen
5.1 Griechenland – Grexit
5.2 Großbritannien – Brexit
5.3 Italien
5.4 Rumänien
5.5 Südeuropa / Südosteuropa
5.6 Ungarn

6. Was tun? – Therapieschritte



1. Allgemeine Darstellungen der Krise

 

Ronald G. Asch
„This realm of England is an empire“: Die Krise der EU, das Brexit-Referendum und die europäische Rechtsgemeinschaft
in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften, Jahrgang 14 (2016), Heft 2, S. 174-191.

Zwar sei die EU ursprünglich als eine Rechtsgemeinschaft angelegt, tatsächlich unterschieden sich die Rechtskulturen der Mitgliedstaaten jedoch stark voneinander, was der Autor für gefährlich hält. Falls sich in der EU nicht eine wirkliche gemeinsame Rechtskultur entwickeln sollte, werde sich der Desintegrationsprozess fortsetzen. Kritisch bewertet Ronald Asch auch, dass die Kompetenzen der Nationalstaaten ausgehöhlt und ein europäischer Staat „faktisch, hinter den Kulissen“ errichtet werde, durch „scheinbar bloß administrative Entscheidungen der EU-Institutionen einschließlich der EZB oder durch expansive Auslegungen des geltenden EU-Rechs durch den EuGH“ (190).

 

Stefan Binder / Manuel Escher
Die Europäische Union wird löchrig
derStandard.at, 04.06.2018

Die EU habe momentan mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Manche Mitgliedstaaten würden hinter ihr stehen, andere sie heraus fordern. Die Briten seien schon weg, und auch sonst gäre es nicht in der EU: Während einige sich gegen den Euro aussprechen, votieren andere gegen das Budget, die Nächsten rüttelten an der Personenfreizügigkeit. Immer mehr Staaten entfernten sich inhaltlich. Aber nicht alle Nachrichten für Brüssel seien schlecht – und in vielen Staaten halte "der Kitt" noch.

 

Oliver Geden / Nicolai von Ondarza
Die Europäische Union 2017
Stiftung Wissenschaft und Politik, 09.01.2017

Bei der Bewältigung der Krisen gelte es für die EU im Jahre 2017, ein zentrales Dilemma zu überwinden, schreiben die Autoren: Trotz des „europäischen Superwahljahrs“ und der beginnenden Brexit-Verhandlungen dürfe sie nicht in „Schockstarre“ verfallen, sondern sollte die Weichen für eine Reform in der Eurozone, im Schengenraum und im Binnenmarkt stellen.

 

Körber-Stiftung (Hrsg.)
Der Wert Europas

Die Körber-Stiftung hat als Fokusthema den „Wert Europas“ gewählt, „um einen Beitrag zur Debatte über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des europäischen Projekts“ zu leisten. Ein besonderes Augenmerk richtet sie dabei auf die Frage, „wie eine neue Spaltung entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs vermieden werden kann. Absicht dieser Dialogarbeit ist es, Akteure in Politik und Gesellschaft zu stärken, die sich für eine gemeinsame Vision des europäischen Projekts einsetzen.“

 

Brigid Laffan (Hrsg.)
Europe's Union in Crisis: Tested and Contested
in: West European Politics, Volume 39 (2016), Special Issue

Die Fähigkeit der Union, die Krise zu bewältigen, wird in dieser Sonderausgabe thematisiert. Wie wirkt sie sich auf die Politikbereiche, die gemeinsamen Institutionen und die bilateralen Beziehungen in der Union aus?

 

Luuk van Middelaar
The Return of Politics – The European Union after the crises in the Eurozone and Ukraine
Jahrgang 54 (2016), Heft 3, S. 495–507

In einer Krise würden Merkmale einer politischen Ordnung deutlich, die in normalen Zeiten unsichtbar blieben, so Luuk van Middelaar. Mit zwei derartigen Klarstellungen seien die EU-Mitgliedstaaten konfrontiert gewesen: Die Euro-Krise habe die Staats- und Regierungschefs herausgefordert, die einheitliche Währung zu retten, und die geopolitische Auseinandersetzung um die Ukraine eine gemeinsame Reaktion erfordert. In beiden Fällen seien die Rückkehr der Politik und die Europäisierung nationaler Politik zu beobachten gewesen (siehe hierzu auch http://www.pw-portal.de/die-krise-der-europaeischen-union/40213-die-krise-der-europaeischen-union).

 

Uwe Puetter
Deliberativer Intergouvernementalismus und institutioneller Wandel: die Europäische Union nach der Eurokrise
in: Politische Vierteljahresschrift, Jahrgang 56 (2015), Heft 3, S. 406-429

In der Krise haben die Mitgliedstaaten, vor allem der Europäische Rat und die Euro-Gruppe, mit der Intensivierung intergouvernementaler Koordinierungsmechanismen reagiert. Uwe Puetter prägt für dieses Vorgehen den Begriff des deliberativen Intergouvernementalismus.

 

Berthold Rittberger / Frank Schimmelfennig (Hrsg.)
Kontinuität und Divergenz. Die Eurokrise und die Entwicklung europäischer Integration in der Europaforschung
in: Politische Vierteljahresschrift, Jahrgang 56 (2015), Heft 3, S. 389-405.

In der Eurokrise habe sich nicht nur die intergouvernementale Politikkoordination intensiviert, sondern auch eine zunehmende Asymmetrie des europäischen Parlamentarismus, eine wachsende Integrations- und Legitimitätskluft innerhalb der EU und die Politisierung der Integration ergeben, schreibt das Autorenduo. Dabei habe die Krise eher bestehende Entwicklungen bestätigt und verstärkt als Brüche und neue Entwicklungen hervorgebracht. Eine doppelte Divergenz sei sichtbar geworden: einerseits zwischen der Eurozone und den Nicht-Euroländern sowie andererseits zwischen „Nord“ und „Süd“ innerhalb der Eurozone. Ein Nebeneinander von Neo- und Postfunktionalismus habe den Integrationsprozess geprägt.

 

Stiftung Wissenschaft und Politik
Die europäische Integration in der Krise. Themendossier

In diesem Themendossier wird der krisenhafte Integrationsprozess in den Unterpunkten Eurokrise, Brexit, Flüchtlingskrise, EU-kritische Parteien und Populismus, Spaltung der EU beleuchtet.

 

2. Reflexionen über die Krise

2.1 Auswirkungen der Krise auf die Einstellungen der Bürger

 

Josef Janning
Was Europa zusammenhält
Hrsg. vom European Council on Foreign Relations, London 2016

Die Studie EU Cohesion Monitor habe gezeigt, dass der Zusammenhalt in Europa selbst nach Jahren im Krisenmodus keineswegs abgerissen oder etwa nachhaltig geschwächt, sondern der europäische Zusammenhalt vielfältiger und robuster als angenommen sei, schreibt Josef Janning. Vor allem die Staaten in der Mitte und im Osten der EU hätten in den zurückliegenden Jahren an Zusammenhalt gewonnen. Dagegen sei der Süden merklich abgefallen. Die Länderprofile des EU Cohesion Monitor veranschaulichen diese Unterschiede.

 

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V. (Hrsg.)
In Deutschland hohe und stabile Solidaritätsbereitschaft mit notleidenden EU-Ländern
DIW-Studie, 28. September 2016

Diese Analyse zeigt, dass beinahe die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland Hilfe für EU-Krisenländer befürwortet. Rund 30 Prozent lehnen sie hingegen ab – Kürzungen von Sozialausgaben in den Krisenländern werden auch hierzulande kritisch bewertet.

 

Felix Roth / Lars Jonung / Felicitas Nowak-Lehmann D.
Crisis and Public Support for the Euro, 1990–2014
in: Journal of Common Market Studies, Jahrgang 54 (2016), Heft 4, S. 944–960

Wie hat sich die Einstellung zur einheitlichen europäischen Währung, den Euro, im Zeitraum zwischen 1990 bis 2014 entwickelt? Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine 12-Länder-Stichprobe in der Eurozone durchgeführt. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Unterstützung der Bürger*innen für den Euro trotz der Krise auf hohem Niveau geblieben ist. Während das Vertrauen in die Europäische Zentralbank aufgrund des Anstiegs der Arbeitslosigkeit sank, ist die Zustimmung der Bevölkerung zum Euro erhalten geblieben.

 

Markus Steinbrecher/ Evelyn Bytzek / Ulrich Rosar / Sigrid Roßteutscher (Hrsg.)
Europa, europäische Integration und Eurokrise. Öffentliche Meinung, politische Einstellungen und politisches Verhalten im Mehrebenensystem der Europäischen Union
Wiesbaden, Springer VS 2015 (Sonderheft 5 der Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft).

Positionen, Meinungen, Einstellungen und das politische Verhalten der Bürger*innen im Kontext der EU und der europäischen Integration werden in diesem Sonderheft dargestellt. Insbesondere geht es um die Folgen der Eurokrise. Die Ergebnisse zeigen, so die Herausgeber, dass die Krise das Denken und Verhalten der Bürger*innen im europäischen Kontext beeinflusst, aber nicht tiefgreifend verändert hat.


2.2 Auswirkungen der Krise auf das deutsch-französische Verhältnis

 

Almut Möller
Neue Energie für den deutsch-französischen Motor
European Council on Foreign Relations, 16. Februar 2017

Seit Jahresbeginn 2017 habe die deutsch-französische Zusammenarbeit eine neue Dynamik erfahren, schreibt Almut Möller. Denn in beiden Ländern hätten die Probleme innerhalb der EU, „die Bedrohung europäischer Sicherheit und zuletzt das Abdriften der Briten und der USA tief verankerte Reflexe für Europa und das Ordnungsmodell EU ausgelöst“. Um ihre gemeinsame Gestaltungskraft unter Beweis zu stellen, bräuchten Paris und Berlin jetzt zügig konkrete Schritte.

 

Jérôme Fourquet
Die Krise Europas ist eine Herausforderung für die deutsch-französischen Beziehungen
Hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Jean-Jaurès-Stiftung, Paris 2015

Das IFOP-Institut hat im Auftrag der Fondation Jean-Jaurès und der Friedrich-Ebert-Stiftung Paris eine Umfrage unter zwei Personengruppen in Deutschland und Frankreich durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigten, so Jérôme Fourquet, eine ganz unterschiedliche Einschätzung der Wirtschaftslage in beiden Ländern und ein wachsendes Ungleichgewicht im deutsch-französischen Tandem. Gleichwohl befürworte eine breite Mehrheit der Deutschen und Franzosen gemeinsame Schritte in der Wirtschaft.


2.3 Solidarität in Europa?

 

Carina Altreiter / Jörg Flecker
Europäische Krise, Krisenpolitik und Solidarität
Hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, (WISO direkt), Bonn 2015

Die EU­-Krisenpolitik habe die soziale Krise in Europa verschärft und zu politischen Reaktionen geführt, die teils in eine autoritär­ausgrenzende Richtung weisen, teils eine Überwindung der nationalen und ethnischen Abgrenzungen und eine Stärkung der Demokratie von unten anstreben. Das Autorenduo sieht Europa damit an einer Wegkreuzung angekommen. Schwerwiegende Entscheidungen sind ihrer Ansicht nach zu treffen: Soll eine Politik für Eliten mit ihrem Kern der Schwächung der Arbeitnehmer*innen und der Umverteilung von unten nach oben weiter notdürftig mit den eingespielten demokratischen Verfahren kaschiert werden oder gelingt eine Erneuerung und Erweiterung der Demokratie auf der Grundlage grenzüberschreitender Solidarität?

 

Gesine Schwan im Gespräch mit Petra Ensminger
„Diese ewige Wettbewerberei macht die Menschen kaputt“
Interview im Deutschlandfunk, 28. August 2016

Gesine Schwan konstatiert, dass die negative Stimmung in Europa seit der Bankenkrise stark zugenommen hat. Sie spricht von falschen politischen Weichenstellungen und „Wahltaktiererei“ in den Nationalstaaten, die die Menschen gegeneinander getrieben hätten. Städte und Gemeinden müssten stattdessen grenzüberschreitend stärker kooperieren können.


2.4 Rückkehr der Nationalstaaten

 

Jakub Grygiel
Es lebe die Nation! Weshalb die Rückkehr der Nationalstaaten in Europa keine Tragödie, sondern ein Segen ist
Internationale Politik und Gesellschaft, 31. Oktober 2016

Eine Rückkehr zu Nationalstaaten in Europa hält Jakub Grygiel nicht für tragisch, im Gegenteil: Mehr Autonomie werde die Staaten nicht davon abhalten, miteinander zu handeln. Genauso wenig wie Supranationalismus Einvernehmen garantiere, beruhe Souveränität auf Feindseligkeit zwischen den Nationen. In einem Europa wiederbelebter Nationalstaaten werden die Länder weiterhin auf der Grundlage gemeinsamer Interessen und Sicherheitsanliegen Bündnisse schließen. Der Artikel ist ebenfalls in der September/Oktober-Ausgabe 2016 der Zeitschrift Foreign Affairs erschienen.


2.5 Populismus

Julia Klein
Europapopulismus – ein genuines Phänomen im europäischen Krisenkontext?
in: integration, Jahrgang 39 (2016), Heft 4, S. 283-303

Julia Klein fragt nach ideologischen sowie strategischen Charakteristika europapopulistischer Parteien und „ob und inwieweit ein genuiner ‚Europapopulismus‘ in den europäischen Parteiensystemen zu finden ist“. Dabei konstatiert sie, dass sich bei diesen Parteien – trotz inhaltlicher und kontextueller Unterschiede – als Gemeinsamkeiten „Europaskepsis und Populismus“ identifizieren lassen.

 

3. Die Politikbereiche der EU

3.1 Agrarpolitik

 

Friedrich Heinemann
Die EU-Kommission schreckt vor folgerichtigen Lösungen bei der Agrarpolitik zurück
hrsg. vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) Mannheim 2017

Die Europäische Kommission hat in dem Dokument „Die Zukunft von Ernährung und Landwirtschaft“ Ideen zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik veröffentlicht. Angestrebt wird"mehr Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten und ein klarerer Bezug auf Umweltziele sowie de Kampf gegen den Klimawandel. Der Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (Mannheim) Friedrich Heinemann bewertet das Dokument.

 

Yves Madre
Summary analysis of the initial phase of implementation of the new CAP
Farm Europe, 1. März 2015

Yves Madre analysiert die Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Landwirtschaftspolitik in den Mitgliedstaaten, dabei werden erhebliche Unterschiede deutlich. Der Beitrag wurde für Farm Europe erstellt – ein Thinktank, der sich mit ländlichen Ökonomien in der EU beschäftigt.

 

Sarantis Michalopoulos, Timothy Spence
GAP-Reform: Es bleibt noch viel zu tun
Euractiv, 30. November 2016

Die 1962 etablierte und 2013 reformierte Gemeinsame Agrarpolitik steht im Blickpunkt dieses Themendossiers. Mit dem Inkrafttreten der Vorschriften 2015, ein Jahr später als geplant, seien, so das Autorenduo, bereits neue Änderungen gefordert worden. Denn einige der vorgesehenen Maßnahmen seien zu umständlich gewesen und hätten sich als wenig praktikabel erwiesen. Daher habe die EU-Kommission 2016 Schritte zur Vereinfachung der GAP unternommen, um den Landwirten bei deren Umsetzung zu helfen.


3.2 Austeritätspolitik

 

Philipp Engler / Mathias Klein
Austeritätspolitik hat in Spanien, Portugal und Italien die Krise verschärft
DIW Wochenbericht, 22. Februar 2017

Die von Spanien, Italien und Portugal zwischen 2010 und 2014 unternommenen fiskalischen Konsolidierungsanstrengungen haben entgegen ihrem Ziel nicht zu einer Reduzierung der Staatsschuldenquote in den drei Ländern geführt. Im Gegenteil: Nach Meinung der Autoren haben drastische Sparmaßnahmen die Effekte von Strukturreformen teils aufgehoben und die betroffenen Länder zurück in die Rezession geführt, ohne die Lage der öffentlichen Finanzen zu verbessern. Sie plädieren hingegen für einen ausgewogenen Politikmix.


3.3 Asyl-/Migrations-/Flüchtlingspolitik

 

Andersson, Ruben
Warum Europas Konzept der Grenzsicherung gescheitert ist: Mechanismen und Auswege
Friedrich-Ebert-Stiftung, (Internationale Politikanalyse, Globale Politik und Entwicklung), Berlin 2016

Europas Kampf gegen irreguläre Migration sei keineswegs neu, sondern werde bereits seit den 1990er-Jahren geführt, schreibt Ruben Andersson. Das Modell der Grenzsicherheit sei jedoch gescheitert, weshalb eine globale Migrationsstrategie entwickelt werden müsse, die Maßnahmen zur Schadensbegrenzung umfasst und Lehren aus dem ähnlich kontraproduktiven Kampf gegen Drogen zieht.

 

Petra Bendel
Flüchtlingspolitik der Europäischen Union: Menschenrechte wahren!
Hrsg. von der Friedrich Ebert Stiftung, (WISO-Diskurs; 2015,18), Bonn 2015

Die Autorin hält es für notwendig, dass sich „die europäische Grenz-, Asyl- und Flüchtlingspolitik in vielen kleinen Schritten neu erfinde[t]“ und dabei die Menschenrechte „als Orientierungspunkte“ fest im Blick behält – zumal alle EU-Mitgliedstaaten Signatarstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention sind.

 

Christina Catherine Krause / Olaf Wientzek
Lehren aus dem Stresstest.
Was die EU aus der
Flüchtlingskrise gelernt hat – und noch lernen muss
Hrsg. von der Konrad-Adenauer-Stiftung, Analysen und Argumente | 223/2016, Sankt Augustin 2016

Die Zuwanderung 2015 habe zwar die fehlende Belastbarkeit der Europäischen Asyl- und Migrationspolitik vor Augen geführt, doch in den zurückliegenden Monaten sei es der Union gelungen, mit kurzfristigen Maßnahmen zur Seenotrettung und zur Zurückgewinnung der Kontrolle der EU-Außengrenzen die Migration zu lenken, schreiben Christina Catherine Krause und Olaf Wientzek. Wichtige Schritte in Richtung einer Harmonisierung der Asylgesetzgebung, der Schaffung eines gemeinsamen Grenz- und Küstenschutzes und der verstärkten Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitstaaten seien in die Wege geleitet worden. Die Zusammenarbeit mit Erstaufnahme- und Transitstaaten sei ausbaufähig. Die 2016 unternommenen Bemühungen bildeten der Anfang eines langen Reformprozesses.

 

Stefan Lehne
Upgrading the EU’s Migration Partnerships
Carnegie Europe, 21. November 2016

Nach Ansicht von Stefan Lehne sollte die EU ihre Migrationspolitik dahingehend ändern, dass einerseits neue Wege der legalen Migration geschaffen werden und andererseits hilfsbedürftigen Menschen mehr Hilfe zuteilwird. Er setzt sich kritisch mit dem von der Kommission entwickelten Partnerschaftsrahmen für die Zusammenarbeit mit Drittländern auseinander. Bei dem Dokument handele es sich um ein europäisches Konzept zur Vertiefung der Zusammenarbeit mit den Herkunfts-, Transit- und Zielländern.

 

Sebastian Prediger / Franzisca Zanker
Die Migrationspolitik der EU in Afrika braucht einen Richtungswechsel
GIGA Focus, Afrika, Nummer 6, Dezember 2016

Die EU benötige eine umfassende, kohärente und nachhaltige Migrationspolitik in Afrika, so Prediger und Zanker. Diese müsse die Umsetzung eines globalen Migrationsabkommens fördern, die Hauptaufnahmeländer der Flüchtlingsbewegungen unterstützen, Wege der legalen Migration eröffnen und außen-, handels- sowie entwicklungspolitische Maßnahmen zur Eindämmung der Fluchtursachen bündeln und gleichzeitig Institutionen auf dem Kontinent stärken.


3.4 Entwicklungspolitik

 

Leida RijnhoutIst
Europa bereit für die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung? ... noch nicht
Stiftung Entwicklung und Frieden (Governance Spotlight 6/2016)

Ist die EU für die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen bereit? Die Autorin bezweifelt dies und „beschreibt zentrale Aspekte eines Transformationsprozesses, der für eine erfolgreiche Umsetzung der Agenda erforderlich wäre“.


3.5 Finanzpolitik

 

Achim Truger
Reform der EU-Finanzpolitik: die goldene Regel für öffentliche Investitionen
hrsg. von der Friedrich Ebert Stiftung, (WISO direkt; 2015,35), Bonn 2015.

Achim Truger sieht die wirtschaftliche Lage im Euroraum weiterhin als fragil an. Problematisch sei der Einbruch der öffentlichen Investitionen, insbesondere in den Krisenländern der Peripherie. Eine wichtige Reformoption sieht er daher in der Umsetzung der „Goldenen Regel für öffentliche Investitionen auf europäischer Ebene“. Diese finanzwissenschaftliche Regel würde die Finanzierung öffentlicher Nettoinvestitionen durch Nettokreditaufnahme ermöglichen, was gleichzeitig der Generationengerechtigkeit und der Stärkung des Wirtschaftswachstums diene, lautet sein Fazit.

 

Robert Kaiser / Heiko Prange-Gstöhl
In der Realität angekommen: Warum die EU mit ihrem Mehrjährigen Finanzrahmen an einer zukunftsorientierten Wachstumspolitik gescheitert ist
in: integration, Jahrgang 39 (2016), Heft 4, S. 319-326.

Es geht um die Frage, warum eine Reform des Haushalts ausgeblieben ist und welche Potenziale für Veränderungen mit der bevorstehenden Halbzeitüberprüfung des Finanzrahmens verbunden sind. Als zentrale Erklärungsfaktoren identifizieren Robert Kaiser und Heiko Prange-Gstöhl alte und neue institutionelle Hemmnisse, die den Verhandlungsprozess bestimmt haben und auch in absehbarer Zeit fortwirken dürften.


3.6 Handelspolitik

 

Sebastian Dullien
Europe’s Trade Policy: Can a Phoenix Rise From the Ashes?
Social Europe, 20. Oktober 2016

Sebastian Dullien widmet sich der europäischen Handelspolitik, insbesondere den Freihandelsabkommen CETA und TTIP sowie den Fehlern der europäischen Kommission im Umgang mit diesen geplanten Verträgen zwischen der EU und Kanada beziehungsweise den USA.


3.7 Industriepolitik

 

Daniel Sahl
Industriepolitik für Europa – die EU als Standort industrieller Wertschöpfung zukunftsfähig machen
Hrsg. vom Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung, (Politik für Europa #2017 plus), Berlin 2015

Laut Daniel Sahl befindet sich Europa mit seinen 52 Millionen Beschäftigten in der Industrie, seiner einzigartigen Wertschöpfungsverflechtung und starken wettbewerbsfähigen Unternehmen in einer sehr guten Position, um von der Transformation der Wirtschaft durch die Digitalisierung zu profitieren und wieder höhere Wachstumsraten zu erzielen. Doch das könne nur gelingen, wenn die EU die Herausforderungen der Digitalisierung annehme.


3.8 Lohnpolitik

 

Thorsten Schulten
Europäischer Tarifbericht des WSI - 2015/2016
WSI-Mitteilungen 8/2016, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung

Thorsten Schulten vermittelt mit diesem Tarifbericht einen Überblick über die lohnpolitische Entwicklung in der Europäischen Union in den Jahren 2015 und 2016. Vor dem Hintergrund der allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa analysiert er die Entwicklung der Tarif- und Effektivlöhne. Diese sei insgesamt „sehr moderat“ verlaufen und bleibe hinter den ökonomischen Erwartungen zurück. Angesichts einer eher mäßigen Konjunkturentwicklung und anhaltender Deflationsgefahren plädierten mittlerweile nicht mehr nur die europäischen Gewerkschaften, sondern auch die europäischen Institutionen – darunter allen voran die Europäische Zentralbank – für eine stärkere Lohndynamik in Europa.

 

Torsten Müller / Thorsten Schulten / Guy Van Gyes (Hrsg.)
Lohnpolitik unter europäischer „Economic Governance“. Alternative Strategien für inklusives Wachstum
Hamburg, VSA Verlag 2016

Die Untersuchung basiert auf einem Forschungsprojekt des europäischen Netzwerkes gewerkschaftsnaher Forschungsinstitute (TURI). Darin gelangen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die Lohnkosten in der EU gesunken sind, was nicht zur Stärkung der Wirtschaft beigetragen habe, im Gegenteil: Der Rückgang der Binnennachfrage wirke sich in weniger exportorientierten Volkswirtschaften negativ aus. Deflationäre Tendenzen würden eine Gesundung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt verhindern, zudem sehen die Autoren existenzsichernde Mindestlöhne in Gefahr. Diese Form der europäischen Economic Governance halten sie für demokratieabträglich und sprechen sich für eine andere Wachstumsstrategie aus, mit einer expansiveren Lohnentwicklung und koordinierten Lohnpolitik, die überall angemessene Mindestlöhne sicherstelle und die Tarifvertragssysteme stärke. Ziel sollte die Reduktion der Einkommensungleichheit und die Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sein.


3.9 Sicherheitspolitik

 

Friedrich-Ebert-Stiftung Brüssel in Kooperation mit dem Centre for European Policy Studies (Hrsg.)
Mehr Europa in der Verteidigung: CEPS-FES Task Force Bericht
Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Internationaler Dialog, (Internationale Politikanalyse), Berlin 2016

Dieser Bericht beruht auf Gesprächen einer gemeinsamen Arbeitsgruppe (Task Force) zu Fragen europäischer Sicherheit und Verteidigung, die zwischen Juni 2014 und Januar 2015 viermal zusammentrat. Darin sprechen sich die Autoren sowohl für eine effizientere als auch effektivere Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik GSVP aus. Ziel sollte eine Europäische Verteidigungsunion sein. Wie eine europäische zivil-militärische Sicherheitsarchitektur aussehen könnte, wird in diesem Bericht erläutert und eine Reihe von Politikempfehlungen zu einer vertieften Zusammenarbeit und Integration formuliert.

 

Olaf Wientzek
Hoffnungsschimmer für die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU
Konrad-Adenauer-Stiftung, Analysen und Dokumente, Januar 2017, Ausgabe 236

In Bratislava bekannten sich die Staats- und Regierungschefs bei einem informellen Treffen im September 2016 erneut zu einer stärkeren Zusammenarbeit im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Diesmal seien Chancen für eine vertiefte Zusammenarbeit in diesem Bereich im Vergleich zu früheren Anläufen verhältnismäßig günstig, meint Olaf Wientzek. Denn der in Bratislava angestoßene Prozess zur Vertiefung der GSVP sowie die Vorschläge der Kommission umfassen vor allem pragmatische Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Funktionsfähigkeit, was die Aussichten für die tatsächliche Umsetzung der Vorhaben erhöhe. Eine Konkurrenz zwischen GSVP und NATO ergebe sich nicht, vielmehr werde eine engere Zusammenarbeit angestrebt. Insgesamt sieht der Autor in den Vorschlägen nur einen kleinen Schritt.


3.10 Soziale Dimension

 

Peter Becker
Europas soziale Dimension. Die Suche nach der Balance zwischen europäischer Solidarität und nationaler Zuständigkeit
SWP-Studie 2015/ S 21, November 2015

Der Autor bietet nicht nur „einen Überblick über den derzeitigen Bestand des sozialpolitischen Acquis“, sondern erörtert auch Idee, wie sich die soziale Dimension Europas stärken ließe. Dabei sieht er „die vielleicht wichtigste politische Funktion der europäischen Sozialpolitik darin“,“ die Legitimität des Integrationsprozesses zu stärken und das Zusammengehörigkeitsgefühl in Europa zu festigen“. Solidarität sei zumeist „die Folge einer gewachsenen Identität in und mit einer politischen Gemeinschaft“. Die EU müsse „den umgekehrten Weg gehen – durch die Institutionalisierung einer europäischen Solidarität, die für die Unionsbürger sichtbar“ sei, könne „eine gemeinsame Identität wachsen.“

 

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)
Europa droht die soziale Spaltung. Erster vergleichender Gerechtigkeitsindex für alle 28 EU-Staaten:
Deutschland mit Verbesserungen auf Platz 7 – Zunehmendes Gefälle zwischen Nord- und Südeuropa sowie zwischen Alt und Jung – Europäische Sozialstrategie nötig
Bertelsmann Stiftung, 20. September 2014

Mit einem EU-Gerechtigkeitsindex untersucht die Bertelsmann Stiftung seit 2016 sechs verschiedene Dimensionen sozialer Gerechtigkeit (Armut, Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Generationengerechtigkeit, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Nicht-Diskriminierung). Es ist vorgesehen, den Gerechtigkeitsindex jährlich in allen EU-Staaten zu ermitteln und durch das EU-Reformbarometer, das die konkreten Reformbemühungen der Mitgliedstaaten untersucht, zu ergänzen. Der Gerechtigkeitsindex und das EU-Reformbarometer werden dann gemeinsam den Social Inclusion Monitor Europe bilden: http://www.social-inclusion-monitor.eu/.

 

Gerhard Bosch
Nach dem Brexit: Vorrang für ein soziales Europa
WSI-Mitteilungen Ausgabe 06/2016

Gerhard Bosch hält ein schnelles Zusammenwachsen der EU-Staaten zu einem europäischen Sozialstaat zwar für „eine attraktive Utopie“, jedoch in absehbarer Zeit für nicht konsensfähig. Realistischer sei eine Kombination von „weniger“ und „mehr“ Europa. Mit dem „weniger Europa“ gehe es um die Beendigung der „negativen Integration“ (Fritz Scharpf ) über Eingriffe der EU in nationale Schutzrechte. Soziale Grundrechte sollten wieder den Vorrang vor Wettbewerbsregeln erhalten, fordert Bosch.

 

Alfred Boss / Klaus Schrader
Der Irrweg einer „europäischen Arbeitslosenversicherung“
Ifw, Institut für Weltwirtschaft (Hrsg.), Kiel Focus, 11/2018

Alfred Boss und Klaus Schrader sehen einen Hilfsfonds für nationale Arbeitslosenversicherungen kritisch. Dieser würde zu einer neuen Belastungsprobe für den Zusammenhalt in der EU führen und Verteilungsdiskussionen auslösen. Außerdem würde er einen „permanenten ‚Bail out-Mechanismus‘ schaffen, der die Mitgliedsstaaten aus der eigenen Verantwortung“ entlassen würde. „Eine europaweite Rückversicherung für nationale Arbeitslosenversicherungen würde daher eher spalten als den Zusammenhalt in der EU fördern.“

 

Silke Bothfeld
Social Investment – Impuls für eine moderne Sozialpolitik?
Wiso-Direkt, 23-2016, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2016.

Der frühere Sozialkommissar Laszlo Andor – ein ungarischer Sozialdemokrat – legte im Jahr 2013 das Konzept des Social Investments vor. Dieses sieht eine „stärker zukunfts- und humankapitalorientierte Ausrichtung der Sozialausgaben vor, um durch Bildung und Arbeitsmarktbeteiligung die Teilhabechancen aller Bürger_innen in einer wissensbasierten Volkswirtschaft zu verbessern und Exklusionstendenzen zu vermindern“. Silke Bothfeld erörtert das Für und Wider dieses Ansatzes und geht auf sozialpolitische Programme ein, die sich am Sozialinvestitionsansatz orientieren. Sie hält ihn insofern für interessant, als er „in einer Phase der fiskalischen Austerität die Notwendigkeit von Sozialausgaben und deren Funktionalität betont“ (1).

 

Michael Dauderstädt / Cem Keltek
Kein Fortschritt beim sozialen Zusammenhalt in Europa
Wiso-Direkt 11-2016, Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Bonn

Die Krise des sozialen Europas halte weiter an, schreibt das Autorenduo. Die innerstaatliche Ungleichheit habe 2014 in den meisten Mitgliedstaaten zugenommen, besonders in Deutschland. Die Kohäsion in der gesamten EU mache keine Fortschritte. Besonders problematisch bleibe die soziale Entwicklung in den Mittelmeerländern, „wo vor allem die ärmsten Schichten unter der Austeritätspolitik leiden.“

 

Björn Hacker
Die Europäische Säule sozialer Rechte: Nutzung und Nutzen
in: Integration, Heft 4/2018, 41. Jahrgang, S. 259-272.

 

Björn Hacker
Von wegen Transferunion. Eine europäische Arbeitslosenversicherung würde die EU krisenfester machen
IPG, 31. Oktober 2018

Den Vorschlag von Olaf Scholz, eine europäische Arbeitslosenversicherung zu schaffen, greift Björn Hacker auf. Dabei handele es sich um einen Stabilisierungsfonds, der nur im Falle besonders schwerer Rezessionen, in denen die nationalen Arbeitslosenversicherungen an ihre Finanzierungsgrenze kommen, greifen. Betroffen wären ausschließlich die kurzfristige (konjunkturelle) Arbeitslosigkeit, strukturelle Probleme des Arbeitsmarktes (zum Beispiel Langzeitarbeitslosigkeit), müssten die Staaten selbst angehen. Er sieht darin einen minimalen Einstieg in eine krisenfeste Wirtschafts- und Währungsunion, die besser mit asymmetrischen Schocks umgehen könne.

 

Björn Hacker
Weniger Markt, mehr Politik. Europa rehabilitieren
Berlin, J.H.W. Dietz Verlag 2018

Europa könne zum Problemlöser werden, wenn es sich von der derzeit dominanten Marktgläubigkeit der Europapolitik löse und den politischen Gestaltungsanspruch in den Mittelpunkt stelle, so Björn Hacker. Anhand von drei Reformfeldern – Wirtschafts- und Währungsunion, Migration, Soziales – stellt er dar, wie die EU transnationale politische Gestaltungsmöglichkeiten nutzen und die europäische Integration so zum Werkzeug werden könnte, um dem Unbehagen gegenüber Globalisierung zu begegnen.

 

Martin Höpner
Illusion: Das Soziale Europa kommt. Warum wir endlich mit liebgewonnenen Mythen brechen müssen
IPG, 16. Oktober 2018

Ist das Soziale Europa im Entstehen begriffen? Hierfür gibt es nach Ansicht Martin Höpners keine Anzeichen: Die Hoffnung, dass sich die wirtschaftliche Integration nach und nach auch auf angrenzende Politikfelder erstreckt und so schließlich eine soziale Union entsteht, habe sich nicht erfüllt. Vielmehr finde eine Radikalisierung der Wirtschaftsintegration statt. Eine Harmonisierung des Sozialen sei derzeit nicht denkbar. Dennoch gelte es, visionäre Projekte auf europäischer Ebene anzupacken, wie etwa den Aufbau von sozialen Mindestsicherungen.

 

Martin Höpner
Mogelpackung. Warum soziale Individualrechte die Europäische Union nicht sozialer machen
IPG, 25. Mai 2017

Ein sozialeres Europa erfordere erstens „einen Stopp des europäischen Spar-, Lohnsenkungs- und Deregulierungswettlaufs“. Der Schlüssel hierfür sieht er „in der makroökonomischen Politik und insbesondere im Wechselkursregime, weniger in der Anzahl europäisch definierter sozialer Individualrechte“. Zweitens könne es „ein sozialeres Europa nur geben, wenn sensible Bereiche marktkorrigierender Politik vor dem Zugriff der europäischen Grundfreiheiten geschützt werden“. Drittens sei „mehr gemeinsames Handeln auf europäischer Ebene auszuloten, das im sozialpolitischen Bereich derzeit aber vor allem als Koordinierung zwischen ähnlichen Ländern denkbar“ sei. Den Weg über mehr europäische soziale Rechte zu gehen, sei hingegen mit großer Vorsicht zu genießen.

 

Andrej Hunko
Soziale Säule: Sozialpolitisches Placebo
Euractiv, 17. November 2017

Die europäische Säule sozialer Rechte biete lediglich sozialpolitische Schönfärberei. Denn die konkrete Politik der EU weise in eine andere Richtung, so der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko: „Denn während die EU-Kommission Gewerkschaften und Verbände in die Konsultationen zur ESSR eingebunden hat, hat sie zugleich eine ganze Reihe äußerst problematischer Gesetzgebungsverfahren initiiert. Seien es die Pläne für eine elektronische Dienstleistungskarte oder der ‚Bürokratieabbau‘ beim Arbeitsschutz“. In vielen Bereichen seien die geplanten Rechtsakte mit deutlichen Verschlechterungen für die sozialen Rechte der Beschäftigten verbunden.

 

Jo Leinen
Die soziale Schieflage der europäischen Krisenpolitik, Stellungnahme für die Europäische Bewegung
EU-in-BRIEF | Ausgabe 4-2013

Bei dem Versuch der Staats- und Regierungschefs, Zypern vor dem Bankrott zu retten, sei deutlich geworden, wie sehr diese den Alltag der Menschen aus dem Blick verloren haben – darin sieht der Europaparlamentarier und Präsident der Europäischen Bewegung International Jo Leinen ein „Desaster für die europäische Integration“.

 

Torsten Müller / Thorsten Schulten
Die Europäische Säule sozialer Rechte – ein Schritt zu einer europäischen Mindestlohnpolitik?
A&W blog, 13. Juli 2017

Die Europäische Säule sozialer Rechte greife zentrale Forderungen der Gewerkschaften nach Lohnerhöhungen sowie angemessenen Mindestlöhnen auf und formuliere den Anspruch, „dass Mindestlöhne living wages sein sollten!, also Löhne, die über das bloße Existenzminimum hinausgehen und den Arbeitnehmer*innen eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ermöglichten.

 

Michael Roth
Von der sozialen Krise zur Sozialunion. Was geschehen muss, damit die EU vom Problem wieder zur Lösung wird.
IPG, 17. März 2014

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt fordert Schritte hin zu einer echten Sozialunion, um die „sozialen Nachwehen der Krise zu bewältigen und das Vertrauen der Menschen wieder zurückzugewinnen, die am stärksten unter der Krise gelitten haben“. Eine europaweite Vereinheitlichung der nationalen Sozialsysteme sei nicht notwendig, aber erforderlich sei „die Perspektive verbindlicher Leitlinien, entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten“. Dabei denke er an „Zielkorridore und Mindeststandards in der Arbeitsmarktpolitik, der Alterssicherung, der Gesundheitsversorgung, bei Mindestlöhnen und Renten sowie konkrete Abbaupläne für die Jugendarbeitslosigkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten“.

 

Daniel Seikel
Was bringt die Europäische Säule Sozialer Rechte?
WSI Policy Brief Nr. 17, November 2017

Aus dem Fazit: "Die ESSR ist bestenfalls der erste Schritt auf dem steinigen Weg zu einem sozialeren Europa. Die Europäische Säule enthält zweifellos wichtige Ansätze zur
Stärkung sozialer Rechte in zentralen Politikfeldern. Die sehr allgemein gehaltenen Grundsätze verdeutlichen aber auch, wie schwierig es ist, einheitliche europäische Standards zu formulieren, die den unterschiedlichen Sozialordnungen der EU-Länder gerecht werden. Dies zeigt, dass gute soziale Standards auf europäischer Ebene alles
andere als leicht zu reproduzieren sind. Nachdem die bestehenden sozialen Rechte in einigen Mitgliedsländern durch die anhaltende Austeritätspolitik der EU ausgehöhlt wurden, braucht die EU und insbesondere die Eurozone eine wirtschaftsund sozialpolitische Ausrichtung, die den Bestand sozialer Rechte inklusive der nationalen sozialen Sicherungs- und Tarifvertragssysteme respektiert und nicht länger untergräbt. Von einer nicht-bindenden Empfehlung individueller sozialer Rechte allein ist diese Neuausrichtung nicht zu erwarten."

 

Petra Völkerer / Peter Hilbold
Soziale Säule mit konkreten Inhalten füllen: Für ein besseres Europa für ArbeitnehmerInnen
A&W blog, 14. November 2017

Das von der Kommission angestrebte „AAA-Rating“ im Hinblick auf die soziale Lage in der EU könne mit der europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) nicht erreicht werden. Sie sollten mit konkreten Inhalten gefüllt werden, um Ungleichheiten innerhalb der und zwischen den Mitgliedstaaten bekämpfen zu können. Ein Schritt zur Stärkung der ESSR wäre eine Überarbeitung des Europäischen Semesters, indem sicherstellt werde, dass die soziale Dimension und sozialen Rechte tatsächlich den gleichen Stellenwert wie ökonomische Ziele haben.
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3.11 Währungspolitik

 

Klaus Armingeon / Kai Guthmann / David Weisstanner
Wie der Euro Europa spaltet.
Die Krise der gemeinsamen Währung und die Entfremdung von der Demokratie in der Europäischen Union

in: Politische Vierteljahresschrift, Jahrgang 56 (2015), Heft 3, S. 506-531

Um ihre verlorengegangene Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, bleibe den unter Zahlungsbilanzdefiziten leidenden Ländern des Euroraums nur die interne Abwertung: eine Politik zur Senkung des Lohn- und Preisniveaus. Da diese Politik einen Mangel an demokratischer Legitimation aufweise, fragen die Autoren, inwiefern das politische System von der Bevölkerung Unterstützung erfahre – sowohl auf der Ebene des Nationalstaats als auch der Europäischen Union. In einem empirischen Vergleich der 28 EU-Mitgliedsländer zwischen 2001 und 2013 zeigen sie anhand aggregierter Eurobarometerdaten, dass Europa im Bereich der politischen Legitimation auseinanderdrifte. Je stärker ein Land zur internen Abwertung gezwungen werde, desto mehr wende sich seine Bevölkerung vom demokratischen politischen System auf der nationalen und supranationalen Ebene ab.

 

Björn Hacker / Cédric M. Koch
Reformdiskurse zur Eurozone. Kontinuität, Ausbau oder Rückbau in der deutschen Debatte
Friedrich-Ebert-Stiftung, Internationaler Dialog, Berlin 2016, Politik für Europa #2017 plus

Die Autoren beleuchten die deutsche Diskurslandschaft zur Zukunft der Eurozone, die bereits seit der Gründung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) in Befürworter einer Stabilitäts- und Anhänger einer Fiskalunion gespalten gewesen sei. Seit der Eurozonen-Krise werde außerdem über eine Rückabwicklung der WWU diskutiert. Während die Befürworter einer Stabilitätsunion den Grund für die Eurokrise in der mangelnden Regelbefolgung und wettbewerbsschädlichen Politiken der Krisenstaaten sehen, halten die Anhänger einer Fiskalunion grundsätzliche Konstruktionsfehler der WWU als ursächlich für die Misere.

 

Edgar Grande / Hanspeter Kriesi
Die Eurokrise: Ein Quantensprung in der Politisierung des europäischen Integrationsprozesses?
in: Politische Vierteljahresschrift, Jahrgang 56 (2015), Heft 3, S. 479-505

In den Mittelpunkt stellen die Autoren die Frage, ob die Eurokrise im Vergleich zu früheren Integrationsdebatten einen Quantensprung in der Politisierung des europäischen Integrationsprozesses bewirkte. Sie vergleichen die öffentliche Debatte zur Eurokrise mit den Integrationsdebatten der vergangenen vierzig Jahre in sechs westeuropäischen Ländern. Ihr Ergebnis lautet: Die Eurokrise hat zwar zu einer Politisierung, aber keinem Quantensprung im politischen Konfliktniveau geführt, sondern die Dominanz der exekutiven Eliten in der öffentlichen Debatte verstärkt.

 

Friedrich Heinemann
Ohne Reform bleibt der Stabilitätspakt für Länder wie Italien wirkungslos
ZEW, 31. Juli 2018

"Der Stabilitäts- und Wachstumspakt benötigt für seine Funktionsfähigkeit eine Vereinfachung der Regeln und die Etablierung eines unabhängigen Schiedsrichters. Zu dieser Empfehlung kommt Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, in einer Studie zur Reform des Euro-Stabilitätspakts im Auftrag des Europäischen Parlaments."

 

Martin Höpner
Währungsunion flexibilisieren. Der Euro als Forschungsgegenstand am MPIfG

Martin Höpner vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung „verbindet die Analyse von Mehrebenensystemen mit den Einsichten der Vergleichenden Politischen Ökonomie in die Eigenlogiken der Produktions- und Verteilungsregime, die in der EU und der Eurozone zu finden sind“ und bietet sowohl eine Analyse der Eurokrise als auch Ansätze zu ihrer Lösung.

 

Wolfgang Streeck / Lea Elsässer
Monetary Disunion: The Domestic Politics of Euroland
Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln 2014
MPIfG Discussion Paper 14/17

Regionale Disparitäten in der Europäischen Union gelten als Hindernis für den währungspolitischen Integrationsprozess. Daher halten Wolfgang Streeck und Lea Elsässer finanzielle Transfers von den reichen zu den armen Mitgliedstaaten auch weiterhin für erforderlich. Sie vergleichen Einkommenslücken und relative Bevölkerungsgrößen zwischen Peripherie und Zentrum der EU mit denen zwischen armen und reichen Regionen zweier Nationalstaaten mit starken regionalen Disparitäten, Italien und Deutschland. Während Einkommenslücken und Bevölkerungsstruktur in den beiden Nationalstaaten denen innerhalb der EWU ähnelten, sei die regionale Umverteilung in den Nationalstaaten weitaus höher. Daraus schließen sie, „dass die Innenpolitik der Eurozone konfliktreich sein wird“ (iii).

 

Alexander Schellinger
Reform der Währungsunion: Probleme, Reformvorschläge und Akteure
Friedrich-Ebert-Stiftung, Internationale Politikanalyse, Berlin 2015

Die Griechenlandkrise habe offenbart, dass das Governance-System der Eurozone nicht funktioniere: Ineffiziente Entscheidungsstrukturen in der Eurozone hätten das griechische Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs geführt. Die EZB sei gezwungen gewesen, das Vakuum auszufüllen. Sie habe zwar ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt, aber mit der Entscheidung, die Notkredite nicht zu erhöhen, eine politische Haltung eingenommen, die eigentlich von demokratisch legitimierten Entscheidungsträgern zu erfüllen sei.

 

Anna Wenz-Temming
Intergouvernementalisierung europäischer Verschuldungsinstrumente?
Eine Positionierung der Eurorettungspolitik innerhalb der EU-Finanzstrukturen

in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften 14 (2016), Heft 2, S. 261-288

Anna Wenz-Temming beschäftigt sich mit der Eurorettungspolitik und deren Instrumenten (der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, der Europäische Stabilitätsmechanismus). Dabei beobachtet sie eine Tendenz zur Intergouvernementalisierung. Die früher herrschende Tendenz „einer zunehmenden Supranationalisierung der Entscheidungsverfahren“ sei unterbrochen worden; die Eurokrise habe „als Auslöser einer critical juncture und damit einer Veränderung der Integrationsdynamik gewirkt“. Diese intergouvernementale Ausrichtung der Rettungspolitik füge sich allerdings „in eine bereits seit dem Maastricht-Vertrag beginnende Entwicklungslinie ein“ (287).

 

3.12 Wirtschaftspolitik

 

Heiner Flassbeck im Interview mit Daniel Binswanger und Mark Dittli
„Die Frage ist, ob sich Europa retten lässt“
Republik, 03.04.2018

Der Ökonom Heiner Flassbeck kritisiert die europäische Wirtschaftspolitik und vor allem die Rolle der deutschen Bundesregierung.

 

4. Über die EU-Institutionen

 

Klaus Linsenmeier
Plädoyer für eine Reform der EU-Institutionen
Hrsg. von der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2016

Klaus Linsenmeier übt Kritik am unfertigen Zustand der Union, der Probleme in der Gewaltenteilung verursache. Zudem handle die Kommission ähnlich einer Regierung, sie sei jedoch nur eingesetzt und kaum durch das Parlament abwählbar. Daher greift der Autor die Vorschläge des Verfassungsrichters Dieter Grimm auf, die darauf abzielen, die europäischen Institutionen demokratischer und handlungsfähiger zu machen und zugleich die europäische Politik zu politisieren (siehe auch http://www.pw-portal.de/die-krise-der-europaeischen-union/40213-die-krise-der-europaeischen-union).

 

Jo Leinen
Europas Weg zur Demokratie. Kommissionspräsidenten der EU werden nicht mehr in Hinterzimmern benannt. Das ist allerdings nur ein erster Schritt
in: Frankfurter Rundschau, 23. Juli 2014

„Wer Kommissionspräsident aller Europäer sein will, muss sich auch allen Europäern zur Wahl stellen können. Es ist deshalb höchste Zeit, ein echtes europäisches Wahlrecht zu schaffen.“ Jo Leinen vertritt die Meinung, dass ein Teil der Europaabgeordneten über transnationale Listen bestimmt werden sollte, über deren Aufstellung die europäischen Parteienfamilien auf ihren Europakongressen entscheiden (siehe auch: http://www.pw-portal.de/die-krise-der-europaeischen-union/40207-das-leitbild-meiner-europapolitischen-arbeit-war-immer-eine-politische-union).

 

Berthold Rittberger / Thomas Winzen
Parlamentarismus nach der Krise: Die Vertiefung parlamentarischer Asymmetrie in der reformierten Wirtschafts- und Währungsunion
in: Politische Vierteljahresschrift, Jahrgang 56 (2015), Heft 3, S. 430-456

Das Autorenduo widmet sich der Reaktion nationaler Parlamente auf die zunehmende Zentralisierung wirtschafts- und finanzpolitischer Befugnisse auf der Ebene der EU und zeigt, dass Erstere unterschiedliche Bereitschaft an den Tag legten, um institutionelle Anpassungen zu fordern und umzusetzen. In ihrer Analyse unterstreichen Berthold Rittberger und Thomas Winzen die Bedeutung bestehender europa- und haushaltspolitischer Kontrollbefugnisse zur Erklärung institutioneller Anpassungsmaßnahmen. Die Eurokrise habe demnach zu einer Verfestigung und Perpetuierung bestehender Unterschiede zwischen starken und schwachen Parlamenten geführt.

 

Zentrum für Europäische Integrationsforschung (Hrsg.)
ZEI Monitor: EU Progress 2014-2019

Der ZEI Monitor untersucht und kommentiert die laufende Arbeit der europäischen Institutionen. Auf der Grundlage der von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker formulierten zehn Prioritäten für die Amtszeit 2014 bis 2019 setzt die EU ihr jährliches Arbeitsprogramm um. Mithilfe der sogenannten ZEI Monitor-Ampel wird der Stand der Umsetzung des Arbeitsprogramms angezeigt. 


5. Die Krise in ausgewählten Mitgliedstaaten oder Regionen

5.1 Griechenland – Grexit

 

Jens Bastian
Welche Folgen ergeben sich für Griechenland durch den Brexit in Großbritannien und den gescheiterten Militärputsch in der Türkei?
in: Südosteuropa-Mitteilungen, Jahrgang 56 (2016), Heft 4, S. 62-73

Südosteuropa, vor allem Griechenland, werde unter den Folgen des Brexit-Votums besonders zu leiden haben. Insbesondere die griechische Wirtschaft werde vor neue Herausforderungen gestellt, sodass „die Erholungsperspektiven des Landes weiteren Belastungen ausgesetzt werden“ (71 ff.).

 

Claus Klaus Schrader / Friedrich Laaser / David Benček
Schwer zu retten: Griechenland im Krisenmodus
Kiel Policy Brief Nr. 103, Januar 2017

Wird es Griechenland gelingen, die Krise bis zum Ende des dritten Rettungsprogramms im Jahr 2018 hinter sich zu lassen? Warum sind die Hilfsprogramme in den anderen EU-Krisenländern erfolgreicher als in Griechenland verlaufen? Einen Grund sehen die Autoren in der fehlenden Identifikation mit dem Reformprozess. Enttäuschte Wachstumserwartungen und ein verschleppter Strukturwandel seien die Folge. Um aber einen erfolgreichen Abschluss des dritten Rettungsprogramms zu erzielen, müsse sich die griechische Seite stärker mit dem Reformprogramm identifizieren und versuchen, „Ownership“ für die Reformen zu entwickeln. Das bedeutet, dass der Reformprozess als griechisches Projekt verstanden wird, das griechischen Interessen dient.

 

SPIEGEL Online (Hrsg.)
Thema: Finanzkrise in Griechenland. Alle Artikel und Hintergründe

In diesem Themendossier findet sich eine Reihe von Artikeln, die zur griechischen Finanzkrise, den Spar- und Reformvorhaben sowie den sozialpolitischen Implikationen in Griechenland erschienen sind.

 

Südosteuropa-Gesellschaft (Hrsg.)
Schwerpunktthema „Griechenland“
des Heftes 02-2015 der Zeitschrift Südosteuropa Mitteilungen, Jahrgang 55 (2015)

Das Heft enthält fünf Beiträge, unter anderem zum Regierungs- und Politikwechsel in Griechenland nach den Wahlen 2015, zu den Verhandlungen über die Finanzpakete und es wird gefragt, ob „das griechische Drama zu einer europäischen Tragödie“ (36) werden kann.

 

Wolfgang Tucek
„Grexit ist kein Thema“
Euractiv, 14. Februar 2017

Der Autor zitiert aus einem Interview des Vorsitzenden der Euro-Arbeitsgruppe Thomas Wieser, der die Treffen der Euro-Finanzminister vorbereitet. Darin hat er den Euro-Austritt Griechenlands ausgeschlossen. „In unseren Kreisen gibt es keinen, der [den Grexit] für sinnvoll, wünschenswert, denkbar oder befürchtenswert hält. Das ist kein Thema, sondern wird höchstens von irgendwelchen Hedgefonds verbreitet.“ Der IWF werde beim Rettungsprogramm am Ende an Bord sein, so seine Prognose.


5.2 Großbritannien – Brexit

 

Iain Begg
Brexit: warum, was nun und wie?
in: integration, Jahrgang 39 (2016), Heft 3, S. 230-241

Iain Begg fragt nach den Ursachen des negativen Votums der Mehrheit der Briten sowie möglichen wirtschaftlichen Konsequenzen eines Brexits und untersucht dessen Konsequenzen für die Zukunft Großbritanniens sowie der Europäischen Union.

 

Barbara Lippert / Nicolai von Ondarza
Eine europäische „Special Relationship“
SWP-Aktuell 2016/A 74, November 2016

Wie werden sich die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien zukünftig gestalten? Nach Meinung des Autorenduos deute vieles darauf hin, dass das Land auf einen harten Brexit zusteuere. Modelle einer Teilintegration, wie sie die EU mit Norwegen oder der Schweiz unterhalte, lehne Premierministerin Theresa May ab. Barbara Lippert und Nicolai von Ondarza empfehlen, dass die EU eine „spezifische" Lösung für das Verhältnis zu Großbritannien anstreben sollte – eine europäische „Special Relationship“, sodass das Land ein enger Partner bleiben könne, der jedoch außerhalb des Binnenmarktes und der EU-Institutionen stehen werde.

 

Peter-Christian Müller-Graff
Brexit – die unionsrechtliche Dimension
in: integration, Jahrgang 39 (2016), Heft 4, S. 267-282

„Der Brexit ist unionsrechtliches Neuland“, lautet die These Peter-Christian Müller-Graffs. Um dessen Ausmaß zu messen, richten sich die Überlegungen des Autors auf drei Fragegruppen: „auf die derzeitige unionsrechtliche Lage nach dem Referendum, sodann auf die unionsrechtlichen Konsequenzen eines Verbleibs in der Europäischen Union trotz des Referendumsergebnisses und schließlich auf die unionsrechtlichen und rechtspolitischen Folgen einer Mitteilung der Austrittsabsicht Britanniens“ (267).

 

Gerhard Stahl
Alles neu ohne May. Weshalb ein harter Brexit gut für die EU ist
Internationale Politik und Gesellschaft, 16. Januar 2017

Das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU könnte eine Chance bieten. Es dürfte nun leichter sein, so die Vermutung Gerhard Stahls, Mehrheiten für eine Politik der sozialen Markwirtschaft zu finden. Denn es sei wichtig, dass die EU die sozial negativen Auswirkungen der Globalisierung besser abfedere.

 

Funda Tekin
Was folgt aus dem Brexit
in: integration, 39. Jahrgang 2016, Heft 3, S. 183-197

Die Brexit-Befürworter hatten laut Funda Tekin keinen Plan für den EU-Austritt vorbereitet, für denkbar hält die Autorin die folgenden Szenarien: 1. Das Vereinigte Königreich verlässt die EU vollständig, ohne eine Form der besonderen Beziehungen für die Zukunft auszuhandeln. 2. Das Land tritt zwar aus, verhandelt aber eine neue Form der assoziierten Mitgliedschaft, die zu einer Form der differenzierten Integration außerhalb der Union führen würde. 3. Großbritannien tritt nicht aus, sondern verhandelt weitere Zugeständnisse. Dies wäre der erste Fall von „differenzierter (Des-)Integration“ (197). Tekin geht davon aus, dass die Debatte über differenzierte Integration an Fahrt gewinnen wird.


5.3 Italien

 

Marcel Fratzscher
Italien braucht Hilfe – egal unter welcher Regierung
DIW Wochenbericht Nr. 50/2016 vom 14. Dezember 2016

Italien leidet nach Meinung des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher unter mehreren Krisen: Das Land steckt in einer Wirtschafts-, Banken-, Schulden- und Vertrauenskrise. Bürger, Unternehmen und Investoren haben kein Vertrauen in Wirtschaft und Staat. Daher sollten die EU-Kommission und die Bundesregierung das Land stärker unterstützen.


5.4 Rumänien

 

Andrei Schwartz
Rumäniens Justizreform: Vorzeigemodell für neue EU-Anwärter
Euractiv, 17. Juli 2016

Andrei Schwartz konstatiert, dass auch zehn Jahre nach dem EU-Beitritt Korruptionsbekämpfung in Rumänien noch immer ein zentrales Thema darstellt.

 

Christoph Zeiher
Rumänien: Ein Land auf der Kippe
Euractiv, 27. Januar 2017

Das andauernde Problem der Korruption hat mittlerweile die Staatsspitze entzweit, berichtet Christoph Zeiher.


5.5 Südeuropa / Südosteuropa

 

Heinz-Jürgen Axt
Südosteuropa im Schatten der EU-Krisen. Warum der Erweiterungsprozess nicht vorankommt
in: Südosteuropa Mitteilungen, Jahrgang 56 (2016), Heft 03, S. 7-21.

Die Staaten, Gesellschaften und Volkswirtschaften Südosteuropas sahen sich nach 1989 drei Herausforderungen konfrontiert: Nicht nur die Wende zur Marktwirtschaft galt es zu vollziehen, sondern auch ein demokratisches System aufzubauen sowie den EU-Beitritt vorzubereiten. Heinz-Jürgen Axt fragt, welche Fortschritte erreicht worden sind und benennt die Defizite – wie etwa die „Kontinuität der Eliten“ (18), sodass die alte Nomenklatura weiterhin ihren Einfluss auf das Geschehen ausüben kann.

 

Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.)
Spanien: Trendwende trotz Troika
Böckler Impuls 02/2019
Quelle:
Luis Cárdenas, Paloma Villanueva, Ignacio Álvarez, Jorge Uxó: Peripheral Europe beyond the Troika. Assessing the 'Success' of Structural Reforms in Driving the Spanish Recovery (pdf), FMM Working Paper Nr. 40, Dezember 2018

In einem im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung erstellten Arbeitspapier wird der Frage nachgegangen, ob die Erholung der spanischen Wirtschaft von der Eurokrise eine Folge der Strukturreformen ist, was angezweifelt wird: "Es waren nicht die Rezepte der Troika, die Spanien wieder auf die Beine geholfen haben, sondern andere Faktoren – vor allem das Ende der Sparpolitik 2014 und die langsam wieder in Gang gekommene Inlandsnachfrage."

 

Michael Dauderstädt
Wachstumsstrategien für Südeuropa. Italien, Spanien, Portugal, Griechenland
Friedrich-Ebert-Stiftung, politik für europa #2017plus, Januar 2016

Um eine höhere Produktivität und eine strukturell wettbewerbsfähige Exportpalette zu erreichen, hält der Autor eine Modernisierung der Volkswirtschaften in den Ländern Südeuropas (Griechenland, Spanien, Portugal, Italien) für notwendig. Dabei sollten die Hilfen insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen konzentriert werden, da sie in allen vier Ländern bedeutungsvoll sind. Die Fixierung auf den Schuldenabbau sollte, so Michael Dauerderstädt, hinter die Förderung von Investitionen, Innovation und Bildung zurücktreten.

 

Irene Dingeldey/ Marie-Luise Assmann / Lisa Steinberg
Jugendarbetislosigkeit in Europa.
Ein komplexes Problem - verschiedene Antworten
in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 67. Jahrgang, Heft 26/2017, S. 40-46.

Vor allem Jugendliche leiden noch immer unter den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Etwa ein Fünftel aller Jugendlichen in Europa ist arbetislos - mit negativen Folgen für Individuen und Gesellschaft, wie die Autorinnen aufzeigen. Welche Strategien zur Überwindung existieren in Deutschland, Tschechien und Spanien?

 

Thomas Köster
Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Eine europäische Verantwortung
Konrad-Adenauer-Stiftung, Analysen & Argumente, Juli 2017, Ausgabe 269

Die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa verharrt auf hohem Niveau. Thomas Köster „skizziert die wichtigsten Fakten zur Ermittlung und zum Ausmaß der Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Eine kurzfristige Strategie zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sieht er im Ausschöpfen der Wanderungspotenziale im Binnenmarkt. Eine langfristige Strategie zur Bekämpfung könne in der Adaption eines dualen Ausbildungssystems in anderen EU-Staaten liegen.

 

Südosteuropa-Gesellschaft (Hrsg.)
Young People in Southeast Europe
Schwerpunktthema von Heft 05-07 der Zeitschrift Südosteuropa Mitteilungen, Jahrgang 56 (2016)

In diesem Heft werden die Situation, die Hoffnungen und Perspektiven von Jugendlichen in einigen Ländern Südosteuropas, wie beispielsweise Albanien, Bulgaren, Kroatien, Rumänien oder Slowenien, thematisiert. Im Blickpunkt eines Beitrags stehen der Entstehungsprozess und die Aufgaben des Generalsekretariats des Regionalen Jugendnetzwerks für den Westlichen Balkan RYCO (Regional Youth Cooperation Office for the Western Balkans), das Anfang Dezember 2016 eingeweiht wurde. Die Initiative zur Gründung von RYCO ging von der Westbalkankonferenz 2014 in Berlin aus.


5.6 Ungarn

 

András Bíró-Nagy (Hrsg.)
Demokratie als Enttäuschung. Transformationserfahrungen in Ungarn
Internationale Politikanalyse, Januar 2017

Die Mehrheit der Ungarn habe sich nach 1989 erhofft, dass die Demokratie ihnen
wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Sicherheit bringen würde. Doch diese Hoffnungen seien enttäuscht worden, schreiben die für Policy Solutions, ein politisches Forschungsinstitut mit Sitz in Budapest und Brüssel, tätigen Autoren. Die steigende soziale Ungleichheit habe es der Rechtspartei Fidesz nach 2010 leicht gemacht, das demokratische System Ungarns zu verändern. Ungarische Wähler*innen würden die EU-Mitgliedschaft nicht mehr mit wirtschaftlichem Wohlstand und sozialer Stabilität in Verbindung bringen, was langfristig das Vertrauen in die europäische Integration und die Bewertung der Demokratie untergraben könnte.

 

6. Was tun? – Therapieschritte

 

Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.)
Gemeinsam sozio-ökonomische Herausforderungen in Europa beantworten

Die Bertelsmann Stiftung und sieben führende europäische Thinktanks und Stiftungen kooperieren im Projekt Vision Europe, um gemeinsam „Europa zu stärken und innovative Antworten auf die drängenden sozio-ökonomischen Herausforderungen zu geben [...] und um gemeinsam evidenzbasierte Politikgestaltung voranzubringen und langfristige Veränderungen im Interesse der europäischen Bürger mitzugestalten“.

 

Dominika Biegon
Mit verschiedenen Geschwindigkeiten in ein demokratisches und soziales Europa

Das Weißbuch der Europäischen Kommission zur Zukunft der Europäischen Union, das im März 2017 präsentiert wurde, hat die Diskussion über eine flexible Integration wieder aufleben lassen. Die Autorin sieht in dem Konzept einer flexiblen EU eine Chance. Durch eine engere Kooperation in einigen Politikfeldern biete sich die Möglichkeit, sich in anderen Feldern nicht zu beteiligen. Die Union würde nur dort tätig werden, wo sie die Handlungsmöglichkeiten nationaler Demokratien erweitert. Eingriffe in die nationale politische Selbstbestimmung wären damit eingedämmt, so Biegon. Nationale Parlamente würden verstärkt diskutieren, wann Politikfelder europäisch geregelt werden sollten und wann nicht. Europäische Politik würde damit in nationalen Parlamenten eine Aufwertung und eine stärkere Politisierung erfahren. So könnten die Bürger*innen durch ihre Vertreter*innen in den nationalen Parlamenten die Politik der europäischen Integration stärker beeinflussen. Die Idee einer immer engeren Union werde so abgelehnt, eine Vertiefung der Integration in bestimmten Politikfeldern sei aber erwünscht. Eine flexible Integration weise einen Weg, um das Demokratiedefizit der Europäischen Union zu verringern. In einem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten könne ein Mittelweg gesehen werden: „zwischen dem Status quo eines wirtschaftsliberalen Weiterlavierens und der eher idealistischen Vorstellung einer einheitlichen europäischen Sozialunion“.

 

Manuel Dietz / Fedor Ruhose
Eine Emotion namens Europa. Wir brauchen einen echten Neuanfang
Internationale Politik und Gesellschaft, 1. August 2016

Nach dem Brexit-Referendum sei eine „Emotion Europa“ nötig, die Bevölkerung müsse von den Vorteilen des Integrationsprozesses überzeugt werden, „jenseits von wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen oder stabilitätsbezogenen Gründen“.

 

Claudio Franzius / Ulrich K. Preuß
Für ein demokratisches Europa. Zur Zukunft der europäischen Demokratie
Hrsg. von der Heinrich-Böll-Stiftung, Schriften zu Europa, Berlin 2012

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat eine Studie zur Zukunft der europäischen Demokratie in Auftrag gegeben, da sie befürchtet, dass die Schuldenkrise in eine Legitimitätskrise der EU umschlagen könnte. Die Verfassungsrechtler Ulrich Preuß und Claudio Franzius zeigen auf, wie eine lebendige Demokratie in der Europäischen Union entstehen kann. Letztere basiere auf einer zweigliedrigen Legitimationsstruktur. Der eine Legitimationsstrang, fußend auf der Gesamtheit der Unionsbürger, führe zum Europäischen Parlament, der andere über den Rat und den Europäischen Rat zu den nationalen Parlamenten und darüber zu den mitgliedstaatlich verfassten Völkern. Die demokratische Praxis in der Europäischen Union sollte darin bestehen, dass die europäischen Bürger*innen gleichzeitig und gleichgewichtig als Unionsbürger und als Angehörige einer Staatsnation ihr Urteil bilden und entscheiden.

 

Ulrike Guérot
Zerstört die EU! Die Europäische Union befindet sich nicht in einer Dauerkrise. Sie ist längst am Ende. Geben wir ihr den Gnadenstoß und fangen neu an!
Zeit-Online, 28. Juli 2016

Ulrike Guérot plädiert dafür, „in einem Akt kreativer Zerstörung à la Schumpeter die EU kaputtzumachen, um damit ein neues Europa entstehen zu lassen“. Es gelte, die Nationalstaaten zu überwinden; ein neues europäisches Gesellschaftsprojekt sollte auf dem allgemeinen politischen Gleichheitsgrundsatz „für alle europäischen Bürger jenseits von Nationen“ basieren (siehe hierzu auch: http://www.pw-portal.de/die-krise-der-europaeischen-union/40211-es-lebe-die-europaeische-republik-ulrike-guerot-schlaegt-eine-neuerfindung-der-eu-vor).

 

Jürgen Habermas
Die Spieler treten ab. Kerneuropa als Rettung
DIE ZEIT, Nr. 29/2016

Ein „funktionierendes Kerneuropa könnte die in allen Mitgliedstaaten polarisierten Bevölkerungen vom Sinn des Projekts überzeugen“. Eine „Vertiefung der europäischen Kooperation“ hält Jürgen Habermas für notwendig, um mehr Demokratie in Europa zu erzielen.

 

Michel Houellebecq
Europa steht vor dem Selbstmord
Neue Zürcher Zeitung, 27. September 2016

Im September 2016 wurde der französische Schriftsteller Michel Houellebecq in Berlin mit dem Frank-Schirrmacher-Preis ausgezeichnet. In seiner Dankesrede diagnostiziert er westliche Müdigkeit und prognostiziert Europas Untergang.

 

Daniela Kroll /Dirk Leuffen
Wer hat Angst vor der differenzierten Integration?
Euractiv, 31. März 2017

Die Konstanzer Politikwissenschaftler halten ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten für nicht bedenklich. Es werde weder zu einem Zerfall der EU noch zu einer Zweiklassen-Gesellschaft führen. Im Gegenteil, wenn die EU zukünftig weitere Jubiläen feiern will, dann sollte Differenzierung als Chance gesehen werden ein Europa der 27 plus X voranzubringen."

 

Barbara Lippert
Die EU zusammenhalten – aber wie? Überlegungen zur Zukunftsdebatte
Arbeitspapier der FG 1, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin 2013

Barbara Lippert hält das Leitbild der „immer engeren Union“ im Hinblick auf den Zusammenhalt der EU trotz der Erschütterungen der Eurozonen-Krise nicht nur für tragfähig, sondern auch konkurrierenden Leitbildern, wie dem der „‚flexiblen Union‘“ (3), für überlegen. Ein Umdenken sei jedoch bei der Demokratiefrage angeraten. Allein auf die Parlamentarisierung des EU-Systems und eine Art Staatswerdung der EU zu setzen, betrachtet die Autorin für nicht erfolgversprechend. Vielmehr sei es wichtig, „den Blick auf die Vitalität und Qualität der nationalen Demokratien in den Mitgliedstaaten zu lenken“. Die Mitgliedstaaten sollten dem EU-System „zu stärkerer demokratischer Legitimität verhelfen“ (3).

 

Barbara Lippert / Daniela Schwarzer
Kurs auf die Politische Union. Die EU sollte jetzt trotz vieler Hürden mehr Integration wagen
Hrsg. von der Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Aktuell 2011/A 52, Berlin 2011

Nach Ansicht der Autorinnen ist die Bundesregierung in den letzten Jahren als Exponentin „der Status-quo-Orientierung und des pragmatischen Sich-Durchwurstelns aufgetreten“. Sie sollte sich jetzt aber der Aufgabe stellen, „eine zeitgemäße politische Union“ (1) zu realisieren.

 

Gisela Müller-Brandeck-Bocquet
„EU-Europa darf nicht scheitern – Besinnt Euch, Bürger!“
Aufruf der Professorin für Europaforschung und Internationale Beziehungen an der Universität Würzburg.

Da die EU und ihre Mitgliedstaaten bislang keine ausreichenden Antworten auf die Krisen in Europa haben, bestehe, so Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, die Gefahr des Scheiterns. Das wäre aber „ein aberwitziger Irrweg und ein tödlicher Fehler“. Um der Bevölkerung die aktuelle Gefahrenlage eindringlich klar zu machen und sie wachzurütteln, nimmt der Beitrag in seiner zweiten Hälfte den Duktus eines Aufrufs an.

 

Jürgen Stehn
Das Kern-Problem der EU
Institut für Weltwirtschaft (Hrsg.), KIEL POLICY BRIEF, Nr. 106, März 2017.

Jürgen Stehn hält das Weißbuch der EU-Kommission zur Zukunft Europas für nicht geeignet, um den europäischen Integrationsprozess erfolgreich weiterzuentwickeln. Denn allen fünf Vorschlägen fehle eine Definition der Kernkompetenzen Europas und der Nationalstaaten. Auf der Grundlage des ökonomischen Subsidiaritätsprinzips leitet er die folgenden acht Kernkompetenzen ab, die den Nukleus der EU bilden sollten: die Handels-, Kapital- und Niederlassungsfreiheit, die Fusions- und Beihilfenaufsicht sowie die Asyl-, Sicherheits- und Umweltpolitik. Die gemeinsame Währungspolitik stelle einen Sonderfall dar. Denn bei der Beurteilung der Frage, ob diese eine Kernkompetenz der EU sei, gerate das ökonomische Subsidiaritätsprinzip rasch an seine Grenzen. Da ein Ausstieg aus der gemeinsamen Währungspolitik dem Euroraum erhebliche wirtschaftliche Kosten aufbürden würde, werde die EU den Euro als ein Teil der gemeinschaftlichen Politik jedoch auch zukünftig tragen müssen.

 

Stefan Wallaschek
EUropa auf dem Weg zu einem besseren EUropa?
Soziopolis, 6. Oktober 2016

In dieser Rezension werden die Bücher von Antoine Vauchez (siehe http://www.pw-portal.de/rezension/40052-europa-demokratisieren_48346) und Ulrike Guérot (siehe http://www.pw-portal.de/rezension/40147-warum-europa-eine-republik-werden-muss_48449) über die Europäische Union verglichen.

 

Daniel Reich befragt Erich Foglar (ÖGB, Österreich), Josef Stredula (CMKOS, Tschechische Republik), Jozef Kollár (KOZ, Slowakische Republik) und Reiner Hoffmann (VDGB, Deutschland)
Welches Europa wollen die Gewerkschaften? Ein Gespräch mit Gewerkschaftsvorsitzenden aus Österreich, der Tschechischen und der Slowakischen Republik und aus Deutschland
Internationale Politik und Gesellschaft, 1. August 2016

Erich Foglar stellt sich ein Europa vor, in dem die sozialen Grundrechte denselben rechtlichen Stellenwert haben „wie die wirtschaftsliberalen Freiheiten“, und in dem das Prinzip der Solidarität praktiziert wird. Dass ein „sozialer Aufbruch gelingt“, wünscht sich Reiner Hoffmann und hält daher eine andere Wirtschaftspolitik für erforderlich, „die auf nachhaltiges Wachstum und ökologische Modernisierung setzt“.

 

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Aus den Denkfabriken

„TruLies – The Truth about Lies on Europe“

Angesichts von Populismus und Europaskepsis hat das Institut für Europäische Politik in Kooperation mit dem Progressiven Zentrum das Projekt „TruLies – The Truth about Lies on Europe“ konzipiert, mit dem in aufklärendem Sinne zur Versachlichung der europapolitischen Debatte in Deutschland beigetragen werden soll.
Mit dem Projekt, das die Stiftung Mercator fördert, werden die folgenden zwei Ziele verfolgt:

Zum einen strebt es in der wissenschaftlichen Analyse „eine systematische und analytisch fundierte Dekonstruktion von europaskeptischen und populistischen Falschbehauptungen, Feindbildern und Vorurteilen an“. Auf diese Weise soll zu einer Versachlichung der Debatte in Deutschland beigetragen werden.

Zum anderen zielt „TruLies Europe“ auf den Transfer der Analyseergebnisse in die Gesellschaft durch dialogbasierte Kommunikation mit Politik, Zivilgesellschaft und der breiteren Öffentlichkeit, so auch mittels der Blogbeiträge.

Informationen zum TruLies-Projekt finden sich hier.


 

zum Thema
Die Krise der Europäischen Union

 

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