Skip to main content
Oliver Decker / Marliese Weißmann / Johannes Kiess / Elmar Brähler

Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland. Hrsg. von der Friedrich Ebert Stiftung

Springe: zu Klampen Verlag 2012; 176 S.; pb., 24,- €; ISBN 978-3-86674-172-0
Mit den „Mitte“-Studien belegt die der SPD nahestehende Friedrich Ebert Stiftung seit Jahren, dass rechtsextreme Einstellungen in allen Gesellschaftsteilen existieren. Dieser Band führt die Ergebnisse der repräsentativen Befragungen von 2002 bis 2012 zusammen; neueste Daten erscheinen im November 2012 unter dem Titel „Die Mitte im Umbruch“. Die Forscher befragen die Deutschen zu ihren Einstellungen zu sechs rechtsextremen Positionen: Befürwortung einer Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus sowie Verharmlosung des Nationalsozialismus. Die ermittelten Zusammenhänge sind für die Bekämpfung rechtsextremer Tendenzen in allen Teilen der Gesellschaft aufschlussreich. Daneben untermauern die Daten bereits Bekanntes: Befürworter rechtsextremer Einstellungen sind demnach häufig über 60 Jahre alt, männlich und verfügen über keinen höheren Bildungsabschluss. Neben die empirischen Befunde stellen die Autoren einen theoretischen Teil zu den Begriffen „Rechtsextremismus“ und „Mitte“. Ersterer suggeriere, es handele sich um ein soziales Randphänomen. Tatsächlich aber resultiere die Anfälligkeit für antidemokratische und menschenverachtende Werthaltungen aus der individuellen Sozialisation – und der Gefährdung der sozialen Stellung. Die Mitte „ist in ihrer namensgebenden Position zwischen gesellschaftlichem Oben und Unten Ausdruck und Beleg der sozialen Mobilität“ (44). Rechtsextreme Gesinnungen werden dort schnell virulent, wenn die Wahrnehmung sozialer Abstiegsgefahr zunehme. Den volkswirtschaftlichen Wohlstand verstehen die Autoren als „narzisstische Plombe“ (46) und schließen damit an das Konzept des autoritären Charakters der Frankfurter Schule an. Sie wagen sich hier an eine psychoanalytisch inspirierte Ursachensuche: Nicht mehr der autoritäre Vater ist demnach maßgeblich, sondern die erlebte „symbolische Gewalt“ zum Beispiel durch „staatliche Aktivierungsprogramme“ (150). Die Unterwerfung werde kompensiert durch eine Identifikation etwa mit der deutschen Wirtschaftskraft. Mit ihrer Interpretation gehen die Autoren damit recht weit, den Erkenntnisgewinn der Studie selbst schmälert das jedoch nicht.
Dirk Burmester (DB)
Dr., Politikwissenschaftler, wiss. Angestellter der Freien und Hansestadt Hamburg.
Rubrizierung: 2.37 Empfohlene Zitierweise: Dirk Burmester, Rezension zu: Oliver Decker / Marliese Weißmann / Johannes Kiess / Elmar Brähler: Die Mitte in der Krise. Springe: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9193-die-mitte-in-der-krise_43038, veröffentlicht am 15.11.2012. Buch-Nr.: 43038 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken