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Wolfgang Fach

Regieren: Die Geschichte einer Zumutung

Bielefeld: transcript Verlag 2016 (Edition Politik); 164 S.; 22,99 €; ISBN 978-3-8376-3606-2
Wolfgang Fachs kleine „Geschichte des Regierens“ (9), eine ideengeschichtlich ebenso informierte, pointierte wie auch kritische Bestandsaufnahme, kommt zu einer Zeit, in der die Zumutungen in westlichen Demokratien offenkundig wachsen. Ist mit der Demokratie – also einer bestimmten Form von Regierung – tatsächlich „ein Regime gefunden worden, dessen Zumutungen innerhalb des Zumutbaren“ (9) geblieben sind beziehungsweise bleiben? Fach ist skeptisch, denn das Verhältnis von Regierenden und Regierten sei derzeit – wieder einmal – auf einem Tiefpunkt angelangt. Regierung und regiert zu werden, mithin also Staatlichkeit, sind keine Notwendigkeiten, es sind die Ergebnisse von Entscheidungen, die westliche Gesellschaften und zahlreiche ihrer Vordenker – Locke, Hobbes, Hegel – bewusst propagiert und getroffen haben. In der Folge haben sich Menge und Elite ausdifferenziert, mit klarer Rollenverteilung: „Die Menge wird geführt, ihre Meinung geformt und deren Einfluss gefiltert.“ (47) Diese Rollenverteilung bietet hinlänglich Gelegenheit für Reibungsverluste: „Die Not des einen erscheint als Nötigung des anderen.“ (94) Wenn etwa Margaret Thatcher aus neoliberalem Entstaatlichungseifer propagiert, es gebe so etwas wie Gesellschaft gar nicht, löst das nicht die real bestehenden Probleme der Menschen in der Gesellschaft. Regierung mag zwar schlanker werden, das Geschäft des Regierens wird dadurch aber nicht unbedingt einfacher, allzumal dann nicht, wenn soziale Integration zerbröckelt. „Da treffen enervierte Politiker auf ein erregtes Publikum, das schnelle Lösungen verlangt, nach starken Männern ruft, rabiate Eingriffe fordert, kurz: Interessen durch Illusionen ersetzt.“ (95) Treffender ließe sich die politische Konstellation des aktuellen Populismus, jener ‚Echokammer‘ des ‚Postfaktischen‘, in ihren Konsequenzen nicht zusammenfassen. Fehlt da ‚bloß‘ die „politische Vernunft“ (151) als Zwischenstück, wie Fach meint? Insofern sie helfen würde, die richtigen Fragen zu stellen – etwa jene nach den Lebensbedingungen einer in Angst erstarrten Gesellschaft, einer Gesellschaft, die sich immer selektiver informiert und sich immer stärker zurückzieht – fehlt sie definitiv. Auch wenn diese Fragen komplexe Antworten erfordern würden, die zu hören aktuell wenige gewillt sind. Die Frage, wie sich politische Vernunft herstellen, wiederfinden, wieder beleben ließe, beantwortet Fach nicht – was jedoch den Wert seiner Kritik der Regierung, die ja immer auch eine Kritik der Regierten mit einschließt, nicht schmälert.
{LEM}
Rubrizierung: 5.415.1 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Wolfgang Fach: Regieren: Die Geschichte einer Zumutung Bielefeld: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40170-regieren-die-geschichte-einer-zumutung_48487, veröffentlicht am 08.12.2016. Buch-Nr.: 48487 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken