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Julia Fleischhack

Eine Welt im Datenrausch. Computeranlagen und Datenmengen als gesellschaftliche Herausforderung in der Bundesrepublik Deutschland (1965-1975)

Zürich: Chronos Verlag 2016 (Zürcher Beiträge zur Alltagskultur 22); 178 S.; 34,- €; ISBN 978-3-0340-1274-4
Diss. Zürich; Begutachtung: T. Hengartner, S. Windmüller. – Im Jahr 2013 habe, so berichtet es die Autorin mit Blick auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung, alleine Facebook täglich ein Datenvolumen von 500 Terabyte verarbeitet. Das war nicht immer so. Julia Fleischhack betrachtet „Daten als kulturelles Phänomen“ (17). Als in den 1960er‑ und 1970er‑Jahren in der öffentlichen Verwaltung wie auch in der Privatwirtschaft eine zunehmende Verwendung von Computertechnik zu beobachten war, hat sich auch eine Dynamisierung des Datenbegriffes vollzogen. Diese Dynamisierung, die insbesondere durch den Rekurs auf personenbezogene Daten befeuert wurde, zeichnet Fleischhack nach. Hinsichtlich der Daten haben sich, so ihre Beobachtung, die Praktiken der öffentlichen Verwaltung und Privatwirtschaft in Deutschland sowie teilweise in benachbarten europäischen Staaten wie auch in den USA durch die Synergie zweier Perspektiven entfaltet – auf der einen Seite jene, die personenbezogene Daten als Macht‑ und/oder Kontrollproblem beschreibt, und auf der anderen Seite jene, die diese Erosion von Privatheit mit kultureller, emotionaler und normativer Bedeutung aufgeladen hat. Aus der Zusammenschau dieser beiden Haltungen wurden Praktiken von Verwaltungen, aber auch von politisch Verantwortlichen, Gegenstand der Kritik, die vornehmlich im akademischen und dort nicht zuletzt im soziologischen Umfeld angesiedelt war. So verweist Fleischhack etwa auf eine Arbeit von Vance Packard aus dem Jahr 1964. In dem Band mit dem Titel „The naked Society“ hatte Packard die dystopische Vision einer vollvernetzten Gesellschaft entworfen, in der sich die Vorstellung von Privatheit völlig verändern und zugunsten einer datenmäßigen Vollerfassung verschieben würde. Durch solche und ähnliche Arbeiten, so Fleischhack, habe die gesamte Debatte eine derartige Aufladung entwickelt, sodass sie ein „virales Potenzial“ (157) entfalten und in der Folge sehr eingängig für Problemstellungen etwa rund um das Thema Datenschutz zu sensibilisieren vermochte. Spannend an dem Band ist die Einsicht, dass Fragen nach dem Datenschutz und der Privatheit personenbezogener Daten bereits in den 1960er‑Jahren aufgekommen sind – und bis heute, in einer Zeit, in der Daten nicht mehr staatlich erfasst, sondern – siehe Facebook – freiwillig zusammengetragen und öffentlich präsentiert werden, nichts an ihrer Aktualität eingebüßt haben, eher im Gegenteil.
{LEM}
Rubrizierung: 2.3132.3432.333 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Julia Fleischhack: Eine Welt im Datenrausch. Zürich: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40152-eine-welt-im-datenrausch_47753, veröffentlicht am 10.11.2016. Buch-Nr.: 47753 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken