Spätestens seit der Entführung von über 200 Schülerinnen ist die radikal islamistische Gruppe Boko Haram (der Name kann übersetzt werden mit „westliche Bildung ist verboten“) aus den Schlagzeilen auch der westlichen Medien nicht mehr wegzudenken. Die Gruppe, die ein großes Gebiet in Nigeria kontrolliert und der bereits Tausende nigerianische Christen und Muslime zum Opfer gefallen sind, hat zunächst ein eigenes Kalifat ausgerufen, sich dann aber dem erfolgreicheren IS als Wilayat (Provinz) angeschlossen. Mike Smith, der die Jahre von 2010 bis 2013 als Büroleiter der Nachrichtenagentur AFP in Nigeria verbracht hat, beschreibt in seinem gut lesbaren und chronologisch angelegten Buch die Anfänge und den Aufstieg der Gruppe. Dabei betont er vor allem das Versagen der politischen Eliten und den Umstand, dass auch die Armee der zunächst kleinen, aber radikalen Gruppe kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Er stützt sich vor allem auf persönliche Erlebnisse, Gespräche und Interviews mit unmittelbar Beteiligten, sodass das Buch auch als Quelle dienen kann. Erfreulich ist ebenfalls der Umstand, dass Smith Boko Haram nicht als singuläres Phänomen versteht, sondern die Bewegung in den historischen Kontext des Islams sowie des Kalifats von Sokoto einordnet und den Bogen zu den nachkolonialen Konflikten zwischen dem christlichen Süden und dem muslimischen Norden Nigerias schlägt, die den Nährboden bilden, auf dem Boko Haram gewachsen ist. Vom Westen weitgehend unbeachtet, begann die Sekte bereits 2009 mit einer immer stärker werdenden Gewalteskalation, die unter dem neuen Führer Abubakr Shekau (seit 2010) schnell zunahm und auch die Nachbarländer einschloss. Genau wie beim IS wird klar, dass die Gruppe schon lange eine regionale Bedrohung darstellte, bevor sie durch spektakuläre Aktionen (bei Boko Haram die erwähnte Entführung der Schülerinnen) von der internationalen Öffentlichkeit als Bedrohung wahrgenommen wurde. Durch den Treueeid von Boko Haram gegenüber dem Islamischen Staat ist die Gruppe zudem mehr und mehr in einen internationalen Konflikt eingebunden. Das Buch eignet sich für alle, die einen ersten inhaltlich fundierten Einstieg in die Thematik suchen.