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Marlon Barbehön

Die Europäisierung von Städten als diskursiver Prozess. Urbane Konstruktionen des Mehrebenensystems und die lokale Umsetzung europäischer Politik

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Staatlichkeit und Governance in Transformation 7); 460 S.; brosch., 84,- €; ISBN 978-3-8487-2854-1
Diss. Heidelberg; Begutachtung: M. Haus, H. Heinelt. – Die kommunale Ebene findet bei der Analyse des komplexen Regierens im EU‑Mehrebenensystem meist wenig Beachtung; erst recht gilt dies für einzelne (Groß‑)Städte als Akteure. Insofern konzentriert sich Marlon Barbehön auf die Frage, „welche Bedeutung die europäische Vergemeinschaftung in einzelnen Städten erhält und welche lokalpolitischen Implikationen damit einhergehen“ (14). Doch was bedeutet „Europa“ in den einzelnen Städten und wie werden EU‑Richtlinien dort aufgefasst? Zur Beantwortung dieser Frage analysiert Barbehön die städtischen Diskurse. Er geht von der Grundannahme aus, dass sich verschiedene Wahrnehmungen und Prämissen und damit unterschiedliche Diskurse ergeben. Diese wirken sich auf die Handlungsmöglichkeiten und die (wahrgenommene) Stellung der Städte innerhalb der EU aus. Nach Kapiteln über den Prozess der Europäisierung in Städten und deren Auswirkungen entwirft der Autor einen diskurstheoretischen Analyserahmen. In einem ersten Schritt wird am Beispiel der Städte Frankfurt am Main und Dortmund der jeweilige lokale europapolitische Diskurs nachgezeichnet. Hierbei greift Barbehön auf die lokale Presse, die Arbeit städtischer Gremien sowie themenspezifische Dokumente zurück. Im zweiten Schritt wird anhand der Umsetzung der EU‑Feinstaub‑Richtlinie analysiert, inwieweit sich diese Diskurse auf die Gestaltung, Umsetzung und Anwendung auswirken und wie diese von den Akteuren wahrgenommen werden. Dabei zeigen sich starke Unterschiede zwischen den beiden Städten. In Frankfurt ist Europa Teil des städtischen Selbstverständnisses: „Europäische Anliegen sind dabei immer auch Frankfurter Anliegen (oder umgekehrt), sodass die beiden Maßstabsebenen bisweilen eine symbiotische Beziehung eingehen.“ (379) Anders ist es in Dortmund, wo die europäische Ebene aus der dortigen „Sicht weit entfernt, schwer zu durchschauen und hinsichtlich ihrer künftigen lokalpolitischen Eingriffe schwer zu antizipieren“ (380) ist. Entsprechend ist die Umsetzung der Feinstaubrichtlinien in Frankfurt in die langjährige umweltpolitische Tradition eingebunden. Diese wird nicht als äußerer Zwang, sondern als hilfreicher Impetus für die eigene lokale Agenda interpretiert. In Dortmund herrscht dagegen die entgegengesetzte Auffassung: „Dabei sieht sich die Dortmunder Lokalpolitik auf der einen Seite aufgrund unverrückbarer Grenzwerte und dem europarechtlich fixierten Klagerecht manifesten Handlungszwängen ausgesetzt, auf der anderen Seite dominiert die Wahrnehmung einer inhärent begrenzten Problemlösungsfähigkeit angesichts des komplexen und grenzüberschreitenden Problems der Luftverschmutzung.“ (383) Insgesamt präsentiert der Autor ein sehr fruchtbares Analysekonzept, das zu neuen Erkenntnissen führt.
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Rubrizierung: 3.52.3252.343 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Marlon Barbehön: Die Europäisierung von Städten als diskursiver Prozess. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40100-die-europaeisierung-von-staedten-als-diskursiver-prozess_48426, veröffentlicht am 06.10.2016. Buch-Nr.: 48426 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken