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Jodi Dean

Der kommunistische Horizont. Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Förster

Hamburg: LAIKA Verlag 2016 (LAIKAtheorie); 178 S.; 22,- €; ISBN 978-3-944233-55-0
Jodi Deans Idee eines kommunistischen Horizonts steht in einem größeren Zusammenhang: Seit ungefähr fünf Jahren wird der Kommunismus unter den Schlagworten der „kommunistischen Hypothese“ und der „Idee des Kommunismus“ von Autoren wie Slavoj Žižek, Alain Badiou, Antonio Negri und Bruno Bosteels wieder prominent diskutiert. Deans Arbeit muss als Beitrag zu dieser Diskussion verstanden werden, sonst wirkt die am Anfang des Buches aufgestellte Annahme, der Kommunismus sei eine Art Invariante unserer Gegenwart, höchst irritierend. Ausgehend von der kommunistischen Hypothese entwickelt die US‑amerikanische Politikwissenschaftlerin unter Rückgriff auf die marxistische Tradition, vor allem Lukács und Lenin, und die Psychoanalyse nach Jacques Lacan ihr Argument für die Notwendigkeit einer neuen kommunistischen Partei. Genau wie Žižek und im Unterschied zu Negri und Badiou postuliert sie, „dass eine Politik ohne die organisatorische Form der Partei eine Politik ohne Politik ist“ (18). Mit dieser Arbeit verfolgt sie das Ziel, diese Form der Partei nicht nur auf neue Weise zu rechtfertigen, sondern auch die Idee selbst weiterzudenken. Im letzten Kapitel versucht Dean daher ausgehend von der Occupy‑Bewegung die heutige Rolle einer kommunistischen Partei zu bestimmen. Ihrer Ablehnung des „Abfeierns“ horizontaler Strukturen und des Genusses des Ereignisses Occupy stellt sie die Notwendigkeit einer Partei gegenüber, die diesen Ereignissen die Treue hält. Occupy, so Dean, habe mit der Praxis und dem Slogan „Wir sind 99 Prozent“ den Kapitalismus nicht nur gespalten, sondern diese Spaltung nachhaltig eingeschrieben: „Occupy behauptet die Spaltung und diese Behauptung macht aus der Spaltung mehr als sie selbst; sie macht aus ihr sie selbst zuzüglich ihrer Behauptung.“ (151) Die Partei soll nun dieses „Mehr als Spaltung“ organisieren, dafür sorgen, dass es nicht wieder zerfällt. Obwohl Deans Argumentation beim näheren Hinsehen durchaus überzeugt, bleibt die Frage offen, warum die zweifellos noch zu leistende politische Organisationsaufgabe unter dem Begriff der Partei erfolgen soll. Dean scheint die Bedeutung der kommunistischen Tradition besonders wichtig zu sein und vor diesem Hintergrund hat es durchaus Sinn, auf den klassischen Begriff der Partei zu verweisen. Partei dient Dean hier einfach als Kritik am horizontalen, flüchtigen und eventhaften Charakter der Platzbesetzungsbewegungen von Tahrir bis Zuccotti Park. Die Organisationsaufgabe aber mit dem Begriff der Partei von Beginn an zu verengen und mit den (guten und schlechten) Erfahrungen der kommunistischen Tradition zu verbinden, ist tatsächlich diskussionswürdig. Insgesamt fällt abschließend die gute editorische Arbeit des Laika Verlags auf. Neben der Nennung des englischen Originals bei mehrdeutigen Begriffen enthält das Buch Übersetzungsanmerkungen und vorbildlich aufgearbeitete Quellenangaben.
{JAH}
Rubrizierung: 2.22 Empfohlene Zitierweise: Janosik Herder, Rezension zu: Jodi Dean: Der kommunistische Horizont. Hamburg: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40018-der-kommunistische-horizont_48389, veröffentlicht am 25.08.2016. Buch-Nr.: 48389 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken