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Mihály Vajda

Meine Gespenster. Essays zur Zeitgeschichte. Aus dem Ungarischen von Heike Flemming

Wien: Passagen Verlag 2016; 325 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-7092-0184-8
Der 1935 geborene ungarische Philosoph und Germanist Mihály Vajda versammelt 18 Beiträge zu philosophischen, historischen und politischen Themen: Vom Weg philosophischer Erkenntnis in der Postmoderne über die Geschichte der europäischen Juden zwischen Assimilation und Eigenständigkeit (Parvenü und Paria) hin zu der Frage, was es bedeutet, Kommunist zu sein. Vajda blickt auf die innergesellschaftlichen Wandlungen in Ungarn Mitte der 1980er‑Jahre ebenso zurück wie er um den Begriff des Totalitarismus im 20. Jahrhundert ringt. Er nimmt in seinen Studien zu Martin Heidegger, Hannah Arendt, Karl Jaspers, Michel Foucault und Georg Lukács nicht nur die kulturkritischen Überlegungen früherer Werke auf, sondern mischt seine akademischen Beiträge mit persönlichen Notizen. Um einzelne Zeugnisse von Freunden und Kollegen ergänzt, entsteht eine eigenwillige Reflexion der Geschichte Europas nach Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Fall des Eisernen Vorhangs und der Gegenwart. Vajda blickt dabei immer auch auf sich selbst: Er skizziert seine Gedanken zur jüdischen Assimilation verbunden mit Kindheitsträumen, schreibt über ein Leben zwischen philosophischem Abenteurertum und alltäglicher Anpassung unter ständiger staatlicher Beobachtung und er veranschaulicht die Freude an Wissenschaft und Philosophie mit seinem eigenen Lebensweg, zu dem auch Publikationsverbote und spätere Forschungsaufenthalte in Deutschland und den USA gehören. Vor allem aber ist dieses Buch eine Suche nach dem Standort des Intellektuellen in Mittelosteuropa nach 1989: zwischen innerer Zerrissenheit und Enttäuschung über die politischen und sozialen Entwicklungen, die so vielstimmig zu hören sind, über die Suche nach dem Erleben und dem Gehalt der Demokratie hin zu Fragen nach einer intellektuellen Identität und dem Gefühl, im Schreiben das Sich‑Nicht‑Abfinden‑Können auszudrücken. Vajda sieht die Intellektuellen auch nach dem Ende totalitärer Regime in der Verantwortung für das politische und soziale Miteinander, liefert aber keine endgültigen Antworten darauf, wie diese zu hören sein sollen.
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Rubrizierung: 5.422.232.35 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Mihály Vajda: Meine Gespenster. Wien: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40026-meine-gespenster_47788, veröffentlicht am 25.08.2016. Buch-Nr.: 47788 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken