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Karl A. Duffek / Barbara Rosenberg (Hrsg.)

Bildung – Chancen – Gerechtigkeit. Bildung fortschrittlich denken

Wien: Löcker Verlag 2015 (Edition Karl-Renner-Institut 3); 230 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-85409-763-1
„Bildung fortschrittlich denken“ – so der Untertitel – scheint nicht die glücklichste Wortwahl zu sein – wird Fortschritt heute doch insbesondere mit Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit assoziiert. Die Herausgeber weisen jedoch darauf hin – und sind sich hier mit sämtlichen Autor_innen einig –, dass der Tendenz der zunehmenden Ökonomisierung und Instrumentalisierung von Bildung Einhalt geboten werden muss, nicht zuletzt deshalb, weil diese Entwicklungen erwiesenermaßen mehr Ungleichheit produziert als beseitigt haben. Vor diesem Hintergrund bedarf es nicht nur kleiner Korrekturen in der Bildungspolitik; vorausgehen muss eine generelle Hinterfragung unseres Verständnisses von Bildung. Hierzu ist es notwendig, auch grundlegende philosophische Fragen nach einer gerechten Gesellschaft, der Bedeutung von Chancengleichheit und allgemein nach dem dahinterstehenden Menschenbild miteinzubeziehen. Solche begrifflich‑philosophischen Annäherungen bietet der erste Teil des Buches. So zeigt zum Beispiel Peter Schlögl, dass unser Bildungssystem, trotz aller Reformen der letzten Jahrzehnte, in extrem konservativen Vorstellungen verharrt. Abzulesen ist dies allein schon an Begriffen wie „unterrichten“ oder „(be‑)lehren“, die auf eine Fremdsteuerung dessen, was als interessant und wichtig erachtet wird, hindeuten. Notwendig wäre aber vielmehr eine Vorstellung von Bildung, die das „Sich‑zu‑eigen‑machen“ (36) und das „Wachsen lassen“ (32) von Wissen in den Mittelpunkt stellt. Im zweiten Teil des Buches kommen praktische Erfahrungen zur Sprache. Was bedeutet es etwa, den Zugang zur Bildung für alle zu öffnen? Hier stehen gelegentlich bereits ganz einfache Hürden im Weg, beispielsweise der Mangel an barrierefreien Bildungseinrichtungen. Ebenso aber sind es oft die am fortschrittlichsten anmutenden Bildungskonzepte, die die konservativsten Auswirkungen mit sich bringen: Gerade offene, als besonders demokratisch geltende Lernformen sind meist an den Habitus der Mittelschicht angelehnt und führen deshalb eher zu einer Reproduktion gesellschaftlicher Hierarchien als zu deren Abbau. Angesichts immer wieder auftauchender Begriffe wie Globalisierung oder Leistungsförderung stellt sich jedoch die Frage, ob das Umdenken nicht gegebenenfalls an einigen Stellen noch viel radikaler ausfallen müsste. So ist es auch fraglich, ob die „kurzschlüssige Trennung von allgemeiner und beruflicher Bildung“ (8 f.) wirklich abzulehnen ist. Sollte ein Verständnis dieser Unterscheidung nicht vielmehr im öffentlichen Diskurs reaktiviert werden, wo es doch so scheint, dass sämtliche Formen von Bildung heute einzig und allein einem Verwertungsgedanken unterworfen sind?
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Rubrizierung: 2.2632.232.4 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Karl A. Duffek / Barbara Rosenberg (Hrsg.): Bildung – Chancen – Gerechtigkeit. Wien: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39853-bildung--chancen--gerechtigkeit_47102, veröffentlicht am 28.07.2016. Buch-Nr.: 47102 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken