Skip to main content
Thilo Bode, unter Mitarbeit von Stefan Scheytt

Die Freihandelslüge. Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet

Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 2015; 270 S.; geb., 14,99 €; ISBN 978-3-421-04679-6
Nicht nur in der Bundesrepublik schlägt die öffentliche Debatte über das geplante Freihandelsabkommen TTIP immer neue und höhere Wellen. In öffentlich kolportierten Statements zwischen den USA und der EU wird mittlerweile vor einem Scheitern der entsprechenden Verhandlungen gewarnt. Das Wirken von NGOs und die medial zum Teil sehr verkürzte Aufbereitung der extrem komplexen Verhandlungsmaterie haben inzwischen die öffentliche Wahrnehmung in einer Weise geprägt, dass „manche übertriebenen Befürchtungen und unzulässigen Vereinfachungen“ (26) den Diskurs dominieren. Thilo Bode macht gleich zu Beginn seiner Ausführungen keinen Hehl daraus, dass ihn solche Pauschalurteile „ärgern“ (7). Denn auch er selbst ist von der „Idee des fairen Freihandels, der allen Beteiligten Vorteile bietet, […] bis heute überzeugt“ (8). Allerdings macht er gerade mit Blick auf TTIP eine noch viel krassere „Kluft zwischen Theorie und Praxis der Freihandelsidee“ (9) aus, als dies bei früheren Regimen dieser Art war. So sieht Bode das Hauptproblem bei diesem neuen Abkommen darin, dass die „wirtschaftlichen Eliten“ auf beiden Seiten „die Freiheit der Wirtschaft mit der Freiheit der Gesellschaft“ (11) verwechselten und die gewählten Volksvertreter sich selbst entmachteten. Sehr eindrücklich sind Bodes Aufklärungen zu den möglichen Wachstumseffekten, die TTIP entfalten könnte. Hier verweist er auf die Ergebnisse der einschlägigen Gutachten, auf die sich vor allem die Befürworter des Abkommens als Argumentationshilfen stützen. So prognostiziert beispielsweise das Centre for Economic Policy Research (CEPR) ein zusätzliches Wachstum für den Fall des Inkrafttretens von TTIP in Höhe von insgesamt 0,27 Prozent in den Jahren 2017 bis 2027. Zu Recht stellt Bode angesichts dieses Schätzwertes die Frage: „Sollten wir uns also von einem möglichen Wirtschaftswachstum in der Größenordnung eines statistischen Messfehlers in einen völkerrechtlichen Vertrag mit weitreichenden Folgen locken lassen?“ (55) Natürlich problematisiert Bode auch die umstrittenen Schiedsgerichte und – vor dem Hintergrund seiner Tätigkeit für den Verein foodwatch kaum verwunderlich – die Risiken für die Lebensmittelqualität. Dazu gerät der Abschnitt zum „Desaster in der Landwirtschaft“ (170) etwas zu ausführlich, da er zwar informativ ist, aber doch verschiedentlich den Bezug zum übergeordneten Thema verliert. Dafür stellt Bode im Anhang eine Chronologie der Verhandlungen sowie den Originalabdruck eines Schriftwechsels mit Mitgliedern der Bundesregierung bereit. Mit Blick auf die Diskurskultur zu solch elementaren Wirtschaftsfragen ist dieser dann doch leider entlarvend: Eine Diskussion ist politisch nicht erwünscht.
{HS}
Rubrizierung: 4.432.643.64.22 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Thilo Bode, unter Mitarbeit von Stefan Scheytt: Die Freihandelslüge. Stuttgart: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39852-die-freihandelsluege_46915, veröffentlicht am 28.07.2016. Buch-Nr.: 46915 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken