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Markus Metz / Georg Seeßlen

Hass und Hoffnung. Deutschland, Europa und die Flüchtlinge

Berlin: Bertz und Fischer 2016; 254 S.; pb., 9,90 €; ISBN 978-3-86505-737-2
Die Publizisten Markus Metz und Georg Seeßlen plädieren auf knapp 250 Seiten leidenschaftlich für eine radikale Veränderung in Europa – mit und wegen der ankommenden Geflüchteten. Diese seien nicht die Gefahr, sondern „möglicherweise“ sogar Europas Rettung „[v]or sich selbst“ (18). Die Autoren konstatieren, dass Demokratie und Europa – die „beiden großen Projekte in unseren Breiten“ – gerade nicht durch die Zuwanderung der Geflüchteten gefährdet werden. Wie Europa die Schutzsuchenden abwehre und auf sie reagiere, zeige vielmehr, dass sich beide Projekte „in Fiktion und Maskerade aufgelöst haben“ (8). Europa sei ein „postdemokratisches, neoliberales und bisweilen kindisch‑bösartiges bürokratisches Monster“, ein „Projekt der Abschaffung von Demokratie, Aufklärung und Humanismus“. Indes identifizieren Metz und Seeßlen die Geflüchteten als Homo sacer unserer Zeit. Sie seien „zugleich ausgestoßen, vogelfrei und auch wieder geschützt und sogar ‚heilig‘“ (19). Regierung, Medienvolk und das Kapital – die drei Souveräne in Europa – hielten die Geflüchteten in diesem Zustand gefangen. Die Schutzsuchenden seien die „idealen Instrumente zur Erzeugung der nächsten Ausnahmezustände, die wiederum ideale Instrumente zur Stärkung nationaler Souveräne sind“ (24). Ausnahmezustände würden durch den Souverän in Serie konstruiert, um Rechtsüberschreitungen zu legalisieren. Das „Flüchtlingsproblem“ (31) existiere ebenso wenig wie zuvor die Finanz‑ oder Griechenlandkrise. In den folgenden Kapiteln spannen die Autoren den Bogen von Demokratien und Nationen über rechtspopulistische Bewegungen in Deutschland und dem „bayrischen Weg“ (158) bis hin zum islamistischen Terror. Einige Teile des Werkes erschienen bereits in Zeitschriften und Zeitungen oder wurden in Radiosendungen präsentiert. Die Autoren verhehlen nicht, dass sie ihr Buch „im Zorn“ (6) schrieben. Sie lösen diese Ankündigung mit einer provokanten, teils polemischen Wortwahl ein. Der Stil zieht sich durch das gesamte Werk, was für ein Sachbuch unpassend erscheint. Auch ihre moralisierende Haltung wirkt für eine (politik‑)wissenschaftliche Auseinandersetzung nicht angemessen. Ungeachtet dieser Tatsachen ist die von Metz und Seeßlen vorgelegte Analyse originell. Auf interessante Weise verknüpfen sie Ideen von Denkern wie Aristoteles, Agamben, Foucault und Hobsbawm. So liefert ihr Beitrag außergewöhnliche Belege dafür, dass sich die hiesig praktizierte Form der Demokratie und das Projekt Europa in der Krise befinden. Nur die Zivilgesellschaft „in Europa und darüber hinaus“ könne diese Krisen durch den „Tanz der offenen Zukunft“ (253) voranbringen.
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Rubrizierung: 4.423.52.3432.35 Empfohlene Zitierweise: Alexandra Neumann, Rezension zu: Markus Metz / Georg Seeßlen: Hass und Hoffnung. Berlin: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39928-hass-und-hoffnung_48445, veröffentlicht am 21.07.2016. Buch-Nr.: 48445 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken