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Jürgen Dittberner

Parteienstaat ade? Zur Geschichte und Kultur der politischen Parteien in Deutschland

Berlin: Logos Verlag 2015; 144 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-8325-4140-8
„Die modernen Parteien sind Kinder der Revolution. Wenn sich ihre Mission erfüllt hat, kann Politik auch ohne Parteien erfolgen“ (5), konstatiert Jürgen Dittberner. emeritierter Parteienforscher der Universität Potsdam. Er beobachtet allerdings das abnehmende Engagement und die zunehmende Verdrossenheit gegenüber den politischen Parteien mit Sorge. Ist tatsächlich der Zeitpunkt gekommen, sich vom Parteienstaat zu verabschieden? Dittberner möchte hierzu Aufklärung bieten und schlägt Reformmöglichkeiten vor. Ein Großteil des Buches besteht dabei aus kurzen historischen Darstellungen der grundlegenden Konfliktlinien (cleavages), die für die Gründung bestimmter Parteien konstitutiv waren. Zwar verspricht der Buchumschlag, dass der Verfasser „alle relevanten Parteien in der Bundesrepublik“ analysiere, doch kann hiervon keine Rede sein. Er ergeht sich in einem erzählenden und anekdotenhaften Stil und kommentiert die Entwicklungen auf der bundes‑ und landespolitischen Bühne. Kleinere Parteien werden nur am Rande angesprochen: die DKP auf immerhin noch zwei Seiten, zur DVU liegt nicht einmal eine Viertelseite vor. Erst auf den letzten zwanzig Seiten des Buches legt der Autor dar, wie er sich eine Revitalisierung der Parteien vorstellt. Sie sei nötig, da man sich sonst „eines Tages sehnen [wird] nach den guten alten Parteien, die aller Ideologie zum Trotz doch der Vernunft verpflichtet waren und Kompromisse finden konnten, mit denen viele leben konnten“ (114). Kernforderungen sind die Einführung von Vorwahlen oder zum Beispiel die Anhebung der Politikergehälter, um talentierte Köpfe nicht an die freie Wirtschaft zu verlieren. Daneben plädiert er für die Abschaffung innerparteilicher Plebiszite (da Parteimitglieder nicht die Öffentlichkeit repräsentierten und interne Debatten wegfielen), die Abschaffung der Fünf‑Prozent‑Sperrklausel und einer einheitlichen Bundesliste für das Wahlgebiet. Ob die Abschaffung der Parteigerichte und der politischen Stiftungen – so richtig der Vorwurf der mangelnden Transparenz sein mag – wirklich zu einer Revitalisierung des Partei‑Engagements führen würde? Zwar hat die zunehmende Professionalisierung der Parteien zu gestiegener Entfremdung geführt, aber ist ein „ [Z]urück zu Opas Wahlkampf“ (127) mit hohem persönlichen Einsatz und dem Verzicht auf teure Wahlkampagnen die Lösung? Das bleibt zumindest diskussionswürdig. Ein Problem des Buches ist die unklare Zielgruppe: Wer soll es nun lesen? Genommen als persönliches Statement ist es durchaus (und zum Teil amüsant) lesbar, als wissenschaftliches Werk aber nur bedingt zu empfehlen. Es ist zudem schade, dass auch der Logos‑Verlag mittlerweile auf die Rechtschreibprüfung und ein lesefreundliches Layout verzichtet.
{FGI}
Rubrizierung: 2.331 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Jürgen Dittberner: Parteienstaat ade? Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39939-parteienstaat-ade_48185, veröffentlicht am 21.07.2016. Buch-Nr.: 48185 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken