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Nadja Tolokonnikowa

Anleitung für eine Revolution. Aus dem Russischen von Friederike Meltendorf und Jennie Seitz

Berlin: Hanser 2016; 220 S.; 17,90 €; ISBN 978-3-446-24774-1
Nadja Tolokonnikowa wird den meisten Menschen bekannt sein als Mitglied der künstlerisch‑politischen Gruppe Pussy Riot. In dem Buch gewährt sie tiefere Einblicke in die Vorbereitung und den Ablauf der Aktionen von Pussy Riot. Außerdem analysiert sie die politische Lage in Russland, besonders in Hinblick auf die Rechte von Frauen, Homosexuellen und der politischen Opposition insgesamt. Schließlich schildert sie ihren umstrittenen sechszehnmonatigen Gefängnisaufenthalt, der auf das „Punk‑Gebet“ von Pussy Riot in der Christ‑Erlöser‑Kathedrale folgte. Abgesehen von den höchst interessanten Einblicken in die Aktionen von Pussy Riot liegt die Stärke des Buches in der zunächst irritierenden, fragmentarischen Erzählweise. Eigene Erinnerungen und Schilderungen Tolokonnikowas stehen neben Prozessberichten und Stimmen von bekannten russischen Personen, Vertrauten und Freunden der Autorin. Diesen Zusammenstellungen folgen jeweils statt ausführlichen Schlussfolgerungen meist sloganartige Imperative wie „It‘s time to make a Pussy Riot“ (118) oder „Tue das Unmögliche“ (42). Es könnte gerade an diesen Stellen kaum offensichtlicher sein, dass Tolokonnikowa auch das Schreiben als politisches Engagement versteht. Was das Buch durch diese rhapsodische Erzählweise zweifellos an Tiefe einbüßt, gewinnt es an Wucht. Man kann beim Lesen die Leidenschaft der Autorin am Politischen geradezu spüren. Der so ausgedrückte Drang zur politischen Aktion, die fast pathologische Notwendigkeit zur Subversion könnte kaum eindringlicher sein. Und trotzdem ist Tolokonnikowa spätestens seit ihrem ausführlichen Briefwechsel mit Slavoj Žižek auch für ihr Interesse an politischer Theorie bekannt. In diesem Buch führt sie von Kant, Heidegger, Derrida bis zu Deleuze und Foucault eine ganze Reihe von theoretischen Inspirationen an – aber nicht aus. Für die tiefere Auseinandersetzung mit den Theorien zeigt sie kein Interesse und muss es auch nicht zeigen. Doch die zum Teil sehr impliziten Verweise hätten vom Verlag noch wesentlich umfangreicher angemerkt werden können. So finden sich zwar in den Anmerkungen und Belegen Literaturhinweise auf Foucaults „Überwachen und Strafen“ und Deleuze und Guattaris „Tausend Plateaus“. Die zahlreichen anderen Verweise werden allerdings nicht angemerkt und belegt. Das ist schade, weil es eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von theoretischen Inspirationen und politischen Aktionen unnötig erschwert.
{JAH}
Rubrizierung: 2.622.232.252.22 Empfohlene Zitierweise: Janosik Herder, Rezension zu: Nadja Tolokonnikowa: Anleitung für eine Revolution. Berlin: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39781-anleitung-fuer-eine-revolution_48278, veröffentlicht am 23.06.2016. Buch-Nr.: 48278 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken