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Juliet B. Schor

Wahrer Wohlstand. Mit weniger Arbeit besser leben. Aus dem Amerikanischen von Karsten Petersen

München: oekom verlag 2016; 266 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-86581-777-8
Was ist Wohlstand? Diese Frage wäre bis zur Finanzkrise ab 2008 wohl hauptsächlich unter ökonomischen Kriterien beantwortet worden. Mit der Krise wurde jedoch auch die Ansicht erneut konsensfähig, dass das bestehende Wirtschaftsmodell mit all seinen sozialen und ökologischen Verwerfungen nicht zukunftsfähig ist. Nicht zuletzt die breite sozialwissenschaftliche Debatte um Postwachstum verdeutlicht dies eindrücklich. Die Autorin – Wirtschaftssoziologin und Professorin am Boston College – legt mit ihrer Schrift (die bereits 2010 in den USA erschien) ein leidenschaftliches Plädoyer für ein anderes Konzept von Wohlstand vor. Diesen „wahren Wohlstand“ nennt die Autorin „Plentitude“: „Sie stellt ökologisches und soziales Funktionieren in ihren Mittelpunkt, aber sie ist nicht zu verwechseln oder gleichzusetzen mit dem Paradigma des Opferns oder Verzichtens; im Gegenteil führt sie zu einer Lebensweise, die mehr Wohlbefinden erzeugt als das bisherige ‚Business as usual‘, das zum Niedergang sowohl unserer natürlichen als auch unserer wirtschaftlichen Umwelt geführt hat.“ (22) Juliet B. Schor entwickelt ihr Konzept aus einer umfassenden und empirisch fundierten Kritik am bestehenden ökonomischen Paradigma, das zwar zu einer Steigerung des Konsums, des Besitzes, aber auch der Arbeitszeit geführt hat, jedoch zugleich verantwortlich ist für ökologische Verwüstungen, soziale Verwerfungen und insgesamt eine Abnahme der Lebensqualität. Eben diese möchte die Autorin wieder zum Zentrum und Ausgangspunkt für die Entwicklungen eines Paradigmas für eine künftige Postwachstumsgesellschaft machen. Sie schlägt dabei nicht nur eine Reduzierung von Konsum und Arbeitszeit vor, sondern nimmt vielfältige Beispiele von Do‑It‑Yourself über Sharing bis hin zu neuen Formen sozialer Kooperativen auf, um ihre Idee zu illustrieren. Gerade das Selbermachen und dessen soziale Organisation bilden eine wichtige Grundlage für die soziale und ökologische Dimension dieser Lebensform. Jedoch übergeht die Autorin hierbei wichtige Fragen der bestehenden gravierenden sozialen Ungleichheit, der Gerechtigkeit und des Eigentums, wodurch unklar wird, ob die Plentitude lediglich ein Korrektiv für aktuelle Problematiken sein will oder ob sie sich als radikale Alternative versteht. Dennoch verfügt die Idee der Plentitude über wichtiges utopisches Potenzial, wodurch es der Autorin gelingt, mit ihrer Vision einer Postwachstumsgesellschaft einige Strahlkraft zu entfalten.
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Rubrizierung: 2.22.222.262 Empfohlene Zitierweise: Martin Repohl, Rezension zu: Juliet B. Schor: Wahrer Wohlstand. München: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39735-wahrer-wohlstand_48434, veröffentlicht am 02.06.2016. Buch-Nr.: 48434 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken