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Werner Weidenfeld / Wolfgang Wessels (Hrsg.)

Jahrbuch der Europäischen Integration 2015

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015; 578 S.; 69,- €; ISBN 978-3-8487-2653-0
Die europäische Integration ist historisch betrachtet eine Geschichte der Krisen, des Streits und der Uneinigkeit. Bisher war das Prozedere dennoch recht klar, am Ende stand eine Vertiefung und Ausweitung des europäischen Projekts. Doch die gegenwärtigen Herausforderungen (Flüchtlingskrise, Staatsschuldenkrise, Terrorismus, Legitimationskrise) sind so groß wie lange nicht mehr – ebenso wie die tiefgreifenden Differenzen über die Bewältigungsstrategien, sodass manche vermeintliche Experten bereits das vermeintliche Ende der Europäischen Union, zumindest in ihrer bisherigen Form, ausrufen. Das Jahrbuch zur Europäischen Integration kommt hier zum richtigen Zeitpunkt. In rund 100 Beiträgen gibt es detailliert Auskunft zu Stand und Entwicklung des Integrationsprozesses. Neben Artikeln zu den Hauptorganen der EU wird innen‑ wie außenpolitischen Themen viel Platz eingeräumt. Die Asyl‑ und Einwanderungspolitik sei, so Peter Christian Müller‑Graff und René Repasi, schon seit dem Vertrag von Amsterdam vergemeinschaftet. Der bisherige Asylmechanismus nach den Dublin‑Regeln sei jedoch angesichts der hohen Flüchtlingszahlen nicht mehr praktikabel. Zwar sehen die Verträge Mechanismen für Krisensituationen vor, weshalb die Europäische Kommission auch eine entsprechende Migrationsagenda vorgeschlagen habe. Jedoch fehle es an der Bereitschaft der Mitgliedstaaten, den „in Art. 80 AEUV enthaltenden Grundsatz der wechselseitigen Solidarität zu aktivieren“ (148). Die Sicherheits‑ und Verteidigungspolitik dagegen leide nach wie vor unter den unterschiedlichen strategischen Vorstellungen und Divergenzen der Mitgliedstaaten und bedürfe einer Überarbeitung: „Die Europäische Union muss sich dringend der Herausforderung stellen, ihre sicherheits‑ und verteidigungspolitischen Strategien zu überarbeiten und sich auf ein von allen Mitgliedstaaten getragenes Konzept zu verständigen“ (300), schreiben Daniel Göler und Lukas Zech. Weiterhin wird die Europapolitik der einzelnen Mitgliedstaaten in jeweils separaten Berichten nachgezeichnet, wobei leider zum Teil zu häufig innenpolitische Entwicklungen im Mittelpunkt stehen, wie vor allem die Darstellung Belgiens zeigt. Auch wenn einige Artikel – beispielsweise über die Beziehungen der Europäischen Union zu Russland – gerne ausführlicher hätten sein können: Insgesamt handelt es sich um ein nützliches Handbuch für alle, die sich in Forschung und Lehre mit der europäischen Integration befassen. Es trägt dazu bei, „die Spuren dieses spezifischen Konglomerats aus aktuellen Herausforderungen, Fragezeichen und existentiellen Nachdenklichkeiten, Machtspielen und Antwortversuchen“ (Weidenfeld, 16) besser nachvollziehen zu können.
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Rubrizierung: 3.13.23.33.43.53.63.7 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Werner Weidenfeld / Wolfgang Wessels (Hrsg.): Jahrbuch der Europäischen Integration 2015 Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39699-jahrbuch-der-europaeischen-integration-2015_48247, veröffentlicht am 19.05.2016. Buch-Nr.: 48247 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken