Skip to main content
Fabian Unterberger

Demokratie in Bewegung. Lateinamerikanische Verfassungsprojekte, Spaniens Krise und die Partei Podemos

Wien: Promedia 2015 (edition kritische forschung); 208 S.; brosch., 20,- €; ISBN 978-3-85371-399-0
Der österreichische Aktivist Fabian Unterberger versteht die im Zuge der globalen Wirtschaftskrise entstandenen Protestbewegungen in Spanien als Subjekte einer verfassungsgebenden Macht, die die bestehenden neoliberalen Verhältnisse radikal infrage stellt. Er zeigt auf, wie die Bewegungen in Lateinamerika, die sozial gerechtere Verfassungen und linke Regierungen in Bolivien, Ecuador und Venezuela hervorbringen konnten, eine Vorbildfunktion für die strategische und inhaltliche Ausrichtung der spanischen Bewegungen einnehmen. Die zentrale Gegenüberstellung der lateinamerikanischen und spanischen Situation bettet der Autor in eine theoretische Diskussion ein. Den Ausgangspunkt bildet die Kritik an einer Theorie, in der die Verfassung als neutrale Institutionalisierung gesellschaftlicher Interessen und die sie konstituierende und vorausgehende Macht als „besondere[r] Ausnahmefall“ und „auf einen zeitlich begrenzten Prozess beschränkt“ (35) begriffen wird. Mit Nicos Poulantzas sei der Staat vielmehr als „materielle Verdichtung von Kräfteverhältnissen“ (188) zu verstehen, der über das Prinzip der Repräsentation vor allem die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse garantiere – beispielsweise durch die Aufnahme der Schuldenbremse in die spanische Verfassung. Neue soziale Bewegungen, deren Qualität die Wissenschaft als „Kämpfe um Einbindung von bestimmten Subjektpositionen und Werten in bestehende gesellschaftliche Verhältnisse“ (43) beschreibt, werden in dieser Perspektive zu einer bloßen „Modalität konstituierter Macht“ (35) und können keine wirklichen Veränderungen bewirken. Der Autor begreift die Möglichkeit verfassungsgebender Politik als notwendiges Moment der Demokratie und als „Gradmesser für die demokratische Verfasstheit einer Gesellschaft“ (189) – und erinnert damit stark an die poststrukturalistische Konzeption radikaler Demokratie. Weil es die Bewegungen in Lateinamerika geschafft haben, durch die inhaltliche Verbindung verschiedener Kräfte eine gesellschaftliche Alternative durchzusetzen, ohne von bestehenden Institutionen absorbiert zu werden, liefern sie bereits mögliche Hinweise für die spanischen Bewegungen und „einen Referenzrahmen […], der den gemeinsamen Sprung aus der Defensive in die Offensive ermöglicht“ (186).
{SJS}
Rubrizierung: 2.12.212.652.612.22 Empfohlene Zitierweise: Sven-Jacob Sieg, Rezension zu: Fabian Unterberger: Demokratie in Bewegung. Wien: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39618-demokratie-in-bewegung_47963, veröffentlicht am 21.04.2016. Buch-Nr.: 47963 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken