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Mimmo Porcaro

Tendenzen des Sozialismus im 21. Jahrhundert. Übersetzt und hrsg. durch Michael Brie. Eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Hamburg: VSA 2015 (Beiträge zur kritischen Transformationsforschung 4); 109 S.; 9,80 €; ISBN 978-3-89965-676-3
Darf man im 21. Jahrhundert überhaupt noch Sozialismus sagen, allzumal wenn damit der Anspruch auf die politische und ökonomische Gestaltung einer Gesellschaft verbunden ist? Ja, so ist diesem Band zu entnehmen. Aber wie Herausgeber Michal Brie in seinem Vorwort betont, dürfe es „keine einfache Lösung für die komplexen Probleme einer komplexen Gesellschaft“ geben, sondern nur „Lernprozesse“ (11). Mimmo Porcaro, einer der prominentesten Denker der italienischen Kommunisten, trägt mit seinem Ansatz dieser Wegweisung Rechnung. Denn sein Konzept sozialistischer Staatlichkeit versucht zwei Komponenten zu verbinden: formale staatliche Institutionen einerseits und freie Assoziationen und Kooperationen der Bürger‑ und Arbeiterschaft andererseits. Mit diesem Konzept einher geht die Anerkennung der Tatsache, dass eine auf rein staatlicher, sprich: zentraler Steuerung und Planung basierende Ökonomie nicht funktioniert hat. Stattdessen bedürfe es der situativen, spontanen Kooperation, deren einzige Bedingung wiederum darin bestehe, dass die politisch, ökonomisch etc. handelnden Akteure dies auch bewusst täten. Bewusst meint in diesem Kontext bei Porcaro, dass die Bürger‑ und Arbeiterschaft jenseits eines bloßen Klassenbewusstseins, jedoch in Anerkennung der marxistischen Gegenwartsdiagnostik, eine Rückgewinnung ökonomischer und damit politischer Kontrolle anstreben müsse. Diese werde durch Schaffung ausgeprägter sozialistischer Kooperationen zu einer „Einkreisung des Kapitalismus von außen“ (96), nicht aber zu dessen revolutionärer Aufhebung von innen führen. In dem Maße, wie Porcaro immer wieder an die graduelle Transformationsbedürftigkeit des Gegenwartskapitalismus und die für deren Durchführung erforderlichen Lernprozesse erinnert, erscheint sein Denken durchaus anschlussfähig an jenen reformerischen Sozialismus, wie ihn bereits Eduard Bernstein oder Léon Blum propagiert haben. Die Betonung lokaler Kooperationen erinnert zudem an die derzeit unter dem Stichwort Konvivialismus laufende Debatte, die lokale Autarkie‑ und Kooperationsbemühungen als Alternative zu herkömmlichen kapitalistischen oder sozialistischen Ökonomieformaten propagiert. Das alles läuft zusammen in einer ebenso einfachen wie voraussetzungsvollen Formel: „Nichts ergibt sich nur von alleine“ (10).
{LEM}
Rubrizierung: 2.222.2 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Mimmo Porcaro: Tendenzen des Sozialismus im 21. Jahrhundert. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39351-tendenzen-des-sozialismus-im-21-jahrhundert_47746, veröffentlicht am 04.02.2016. Buch-Nr.: 47746 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken