Skip to main content
Renata Coray / Emilienne Kobelt / Roman Zwicky / Daniel Kübler / Alexandre Duchêne

Mehrsprachigkeit verwalten? Spannungsfeld Personalrekrutierung beim Bund

Zürich: Seismo 2015; 259 S.; 38,- €; ISBN 978-3-03777-160-0
Trotz des immer wieder gern zitierten Röstigrabens ist es sicher keine Übertreibung, der Schweiz einen Vorbildcharakter beim Umgang der verschiedensprachigen Bevölkerungsgruppen miteinander zu attestieren. Dass dahinter das andauernde Bemühen steht, die Verhältnisse auszutarieren, zeigt dieser Band, der dem Vorbild innerhalb des Vorbildes gewidmet ist – der Bundesverwaltung. Dargestellt werden die Erkenntnisse aus dem zweijährigen Forschungsprojekt „Bundesverwaltung und Vertretung der Sprachgemeinschaften: Analyse der Personalrekrutierungsprozesse und ‑strategien“, das von der Hochschule Freiburg i. Ü. und dem Zentrum für Demokratie Aarau durchgeführt wurde. Untersucht wurden „die sprachpolitischen und ‑statistischen Entwicklungen sowie verwaltungsinterne Diskurse und Praktiken, insbesondere die Personalrekrutierung beim Bund und die Rolle von Sprache in diesem Selektionsprozessen“ (11). Konkreter Ausgangspunkt der Analyse ist die gesetzliche Vorgabe, „dass die vier nationalen Sprachgemeinschaften der Schweiz auch in der Verwaltung entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sein sollen, damit deren Sichtweisen bzw. ‚Sensibilitäten‘ ebenfalls Berücksichtigung finden“ (198). Die Auswertung der Statistiken ergibt zunächst, dass die allgemein gefühlte Überrepräsentation der deutschsprachigen Schweizer_innen nachweisbar ist. Viele Ministerien werden traditionell von ihnen dominiert, andere wiederum von französischsprachigen Beamt_innen. Die genauere Betrachtung zeigt, dass diese Zahlen aber durchaus vom Standort der Bundesverwaltung in Verbindung mit dem Wohnort der Bewerber_innen abhängen – womit zu einem Teil die Unterrepräsentation der weiter entfernt wohnenden italienischsprachigen Tessiner_innen zu erklären ist. Außerdem haben die Forscher_innen mit einer Online‑Befragung herausgefunden, dass bei der Personalauswahl die Kompetenzen und Erfahrungen der Bewerber_innen im Vordergrund stehen, nicht ihre Muttersprache; nur die Hälfte der Personalentscheider war zudem über die Richtlinien zur angemessenen Berücksichtigung der Sprachgruppen informiert. Dennoch gehen die Forscher_innen von einer „Hidden Agenda“ (197) zum Nachteil der italofonen Bewerber_innen aus, den deutschsprachigen Muttersprachler_innen würden höhere Kompetenzen im Umgang mit den in der Mehrheit auch deutschsprachigen Bürger_innen zugetraut. Abgerundet wird diese akribische Bestandsaufnahme mit einigen Empfehlungen. So sollten die erforderlichen Sprachkompetenzen transparent kommuniziert und die „sprachliche Mehrleistung der Italofonen“ (205), die nie nur italienisch sprechen, stärker anerkannt werden.
{NW}
Rubrizierung: 2.52.212.263 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Renata Coray / Emilienne Kobelt / Roman Zwicky / Daniel Kübler / Alexandre Duchêne: Mehrsprachigkeit verwalten? Zürich: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39307-mehrsprachigkeit-verwalten_47408, veröffentlicht am 28.01.2016. Buch-Nr.: 47408 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken