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Timothy Snyder

Black Earth. Der Holocaust und warum er sich wiederholen kann. Aus dem Englischen von Ulla Höber, Karl Heinz Siber und Andreas Wirthensohn

München: C. H. Beck 2015; 487 S.; geb., 29,95 €; ISBN 978-3-406-68414-2
Timothy Snyders Monografie besticht durch eine klare These: Der Holocaust war in Hitlers biologistischem Paradigma fundiert, also in seiner Rassenlehre, die er als „das einzig relevante Konzept“ (20) verabsolutierte. Damit wurden die Juden zu Sündenböcken, denen man die Schuld (für den Kapitalismus wie für den Bolschewismus) geben und durch deren Ermordung man sich selbst von eigener Schuld reinwaschen konnte. Zur Realität wurde der Holocaust dort, wo staatliche Strukturen zusammengebrochen waren, also insbesondere in Osteuropa, das durch Nazideutschland und teilweise zuvor durch die Sowjetunion zerstört worden war. Diese Regionen verfügten weder über eine funktionierende Bürokratie noch über eine eigenständige Außenpolitik und ihre Bewohner gehörten keinem Staat mehr an. Dadurch konnten die Nazis hier ohne Widerstand terrorisieren und morden. Im letzten Kapitel resümiert Snyder: „Wo die Deutschen konventionelle Staaten zerstörten oder sowjetische Institutionen vernichteten, die ihrerseits kurz zuvor konventionelle Staaten ausgelöscht hatten, schufen sie den Abgrund, in dem Rassismus und Politik gemeinsam auf das Nichts hinarbeiteten. In diesem schwarzen Loch wurden die Juden ermordet“ (341). Anschließend stellt der Autor sehr knapp Erwägungen vor, wie man aus dieser Katastrophe lernen kann. Dass er ein starkes Plädoyer für den Rechtsstaat hält, ist konsequent und sicherlich der wichtigste Gedanke in diesem Buch. Ebenso stringent ist seine Betonung, dass Politik und Wissenschaft zu trennen sind und eine Vermischung wie in der Rassentheorie Hitlers abzuwehren ist. Dem steht jedoch entgegen, dass er nunmehr fordert, die (Natur‑)Wissenschaften als universale Lösungsstrategie zu etablieren: Nur sie könnten die Probleme des Klimawandels lösen und sollten daher von der Politik unterstützt werden. Diese einseitige Fokussierung auf die Wissenschaften und die Politik vernachlässigt andere gesellschaftlich relevante Felder wie Wirtschaft, Religion und Kultur sowie familiäre Strukturen und freundschaftliche Bande, sodass Snyders Ausblick weitaus weniger überzeugt als seine herausragende historische Analyse.
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Rubrizierung: 2.254.14.422.3122.612.622.23 Empfohlene Zitierweise: Volker Stümke, Rezension zu: Timothy Snyder: Black Earth. München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39214-black-earth_47915, veröffentlicht am 17.12.2015. Buch-Nr.: 47915 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken