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Hans-Jürgen Burchardt / Stefan Peters (Hrsg.)

Der Staat in globaler Perspektive. Zur Renaissance der Entwicklungsstaaten

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015; 267 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-593-50317-2
Entwicklungsstaaten, so der Ausgangsbefund des Bandes, erleben gegenwärtig eine Ausweitung ihrer Staatstätigkeit, was sich wiederum auf die Wirtschafts‑, Sozial‑ und Entwicklungspolitik niederschlägt: „Der Staat ist zurück. Während die europäische Austeritätspolitik derzeit vielen Ländern eine schmerzhafte Rosskur auferlegt, befindet sich der Staat in weiten Teilen des Globalen Südens im Aufwind.“ (7) Indem sie diese Entwicklungen nachzeichnen, tragen die Autoren zu einer dringend angezeigten Aktualisierung des westlichen Blicks auf die Welt und ihre politisch‑ökonomische Gestaltbarkeit bei. Peter Evans erläutert, warum man sich in Abweichung von der „neoliberalen Theorie und Ideologie“ (100) der Gegenwart in den Schwellenländern auf eine staatskapitalistisch anmutende Haltung verlegt hat, die das „wirtschaftliche Gewicht des Staates“ (99 f.) angemessen berücksichtigt. Die sogenannte moderne Wachstumsökonomik beruhe jenseits der Vorstellung reiner Kapitalakkumulation als Vorbedingung für Wachstum auf der Idee des gezielten Anregens von Wachstum einerseits sowie auf der normativen Erwartung fester Spielregeln andererseits. Da diese aber nicht von den globalen Eliten – des Westens – verinnerlicht, geschweige denn vertreten würden, kommt Evans zu einem ernüchternden Befund: „[D]ie globalen politischen Regime wie auch die Interessen des globalen Kapitals arbeiten gegen jene Länder, die sich eigentlich in Richtung eines Entwicklungsstaates des 21. Jahrhunderts bewegen könnten.“ (119) In ihrem abschließenden Beitrag konzedieren die Herausgeber dennoch, dass zwei globale Entwicklungstrends zu beobachten seien: Die Balance zwischen Markt und Staat habe sich international wie regional wieder „deutlich zugunsten des Staates geneigt“. Daraus müsse – zweitens – eine Veränderung in der Analyse von Globalisierungsprozessen folgen: „Es geht also um eine Staatsforschung in globaler Perspektive“ (243). Dabei spielt in wissenschaftlicher Hinsicht die Frage der Auseinandersetzung zwischen Autoritarismus und Demokratie ebenso eine wichtige Rolle wie jene nach Alternativen zum gegenwärtigen Wachstumsparadigma. Kann das Konzept des Guten Lebens, das aus Lateinamerika stammt und das sich unter anderem im sogenannten Konvivialismus niedergeschlagen hat, hier eine Alternative anbieten? Es wäre jedenfalls höchste Zeit.
{LEM}
Rubrizierung: 2.212.655.422.672.682.27 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Hans-Jürgen Burchardt / Stefan Peters (Hrsg.): Der Staat in globaler Perspektive. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39204-der-staat-in-globaler-perspektive_47581, veröffentlicht am 17.12.2015. Buch-Nr.: 47581 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken