Diss. Darmstadt; Begutachtung: M. Knodt, A. Nölke. – Das Verhältnis der Europäischen Union zu den Ländern südlich des Maghreb ist vielschichtig. Die Handels‑ und Entwicklungspolitik zwischen den Staaten beider Weltregionen vollzieht sich dabei vor einem historisch heiklen Hintergrund: Es handelt sich um zwei unterschiedlich ökonomisch starke Regionen, deren Geschichte durch ein ungleiches Kolonialverhältnis geprägt ist. Dieses stellt bis heute ein gemeinsames historisches Erbe dar. Das wirft die Frage nach Rollenkonzeptionen in den postkolonialen (Macht‑)Beziehungen auf. Franziska Müller widmet sich dieser Frage und untersucht die Gestaltungs‑ und Wandlungsprozesse der EU‑Gouvernementalität in den Beziehungen zu Staaten der AKP‑Gruppe mit besonderer Betrachtung der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft. Der Wandel der postkolonialen Beziehungsstrukturen, charakterisiert durch neue politische Rationalitäten, Prinzipien und Praktiken, zeige sich besonders darin, dass „binnen 15 Jahren andere Erzählungen entwickelt worden [sind]“ (276). Anhand verschiedener Verhandlungsrahmen kann aufgezeigt werden, „inwieweit sich eine liberale und postliberale Gouvernementalität konstituiert, und durch welche spezifischen Rationalitäten und Technologien des Politischen diese gerahmt sind“ (277). Verstärkte Aufmerksamkeit innerhalb der Prozesse erhält das Konzept von der EU als normative power. Es wird deutlich, dass dieses Konzept konkrete funktionelle Auswirkungen für die Position der EU gegenüber ihren Verhandlungspartnern besitzt, etwa bei der Aushandlung liberaler Normen. Neben den analytischen Ergebnissen zeigt die Autorin neue theoretische Zugänge und Perspektiven für eine kritische Governance‑Forschung in den Internationalen Beziehungen auf, die dazu beitragen sollen, methodische Probleme aus dem Spannungsfeld Diskurs und Materialität zu überwinden.