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Karlfriedrich Herb / Mareike Gebhardt / Kathrin Morgenstern (Hrsg.)

Raum und Zeit. Denkformen des Politischen bei Hannah Arendt

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2014; 250 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-593-50111-6
Rezeptionsgeschichtlich gesehen ist Hannah Arendts Werk Gegenstand disparater Deutungen, die sich auf durchaus widersprüchliche Passagen ihrer Schriften beziehen können. Sie hat – an Aristoteles anknüpfend – mit der strikten Trennung von öffentlicher und privater Sphäre einen emphatischen Politikbegriff verfochten und auf dieser Basis die Pathologien der Moderne kritisiert. Allerdings ist diese begriffliche Unterscheidung vielfach auf den Einwand gestoßen, damit würden strukturelle Diskriminierungen in der Sphäre des Sozialen ausgeblendet. Jenseits dieser geläufigen Interpretationen werfen die Autor_innen einen Blick auf das Werk Arendts, der „andere Formen seiner Vergegenwärtigung“ (15) sichtbar machen soll. Die Prämisse dieser Deutungen ist die gemeinsame Überzeugung der Autor_innen, Raum und Zeit seien als die „beiden gleichursprünglichen und gleichwertigen Denkformen des Politischen bei Hannah Arendt zu begreifen“ (11). Die Bedeutung des Raums ergibt sich demnach aus einer konstruktivistischen Perspektive, der zufolge die Handelnden den politischen, sozialen oder privaten Raum performativ hervorbringen. Die Bedeutung der Zeit wird daran erkennbar, dass Arendt den Tätigkeitsformen des Handelns, Herstellens und Arbeitens, Denkens und Urteilens jeweils spezifische Zeitmodelle zuschreibt. In den Beiträgen des ersten Teils beziehen sich die Autor_innen auf Fragen der Arendt‘schen Raumtheorie und diskutieren Aporien des Politikbegriffs (Karlfriedrich Herb), Heideggers Einflüsse auf Arendt und Lefort in der Konzeption des Politischen (Tobias Maier), die widersprüchlichen Implikationen der (notwendigen) Begrenzungen des politischen Raums (Hans‑Jörg Sigwart) und Argumente für eine feministische Entgrenzung des Arendt‘schen Denkens (Magdalena Scherl). Die Beiträge des zweiten Teils befassen sich stärker mit Aspekten der Zeitlichkeit und behandeln die Bedeutung, die der Heidegger‘sche Begriff der Sorge bei Arendt annimmt (Ole Meinefeld), das Erzählen als Form Konstitution von Welt (Kathrin Morgenstern), Versprechen und Verzeihen als Grundvermögen (Gerson Brea) sowie Bezüge des Arendt‘schen Werks zu Augustinus (Placidus Heider), Kant (Linda Sauer) und Nietzsche (Mareike Gebhardt).
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Rubrizierung: 5.465.42 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Karlfriedrich Herb / Mareike Gebhardt / Kathrin Morgenstern (Hrsg.): Raum und Zeit. Frankfurt a. M./New York: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39011-raum-und-zeit_45788, veröffentlicht am 29.10.2015. Buch-Nr.: 45788 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken